BERLIN RHAPSODY Vorpremiere

VON Dr. Wolf SiegertZUM Samstag Letzte Bearbeitung: 18. Mai 2025 um 21h11min

 

BERLIN RHAPSODY (Dokumentarfilm) 2025 [1]

Inspiriert von Walter Ruttmanns bahnbrechendem Stummfilm „Berlin: Die Sinfonie der Großstadt“ aus dem Jahr 1927, wagt sich die Neuinterpretation „Berlin Rhapsody“ an eine filmische Bestandsaufnahme des modernen Berlins. Die pulsierende Metropole ist heute
ein Schmelztiegel aus Tradition und Innovation, aus Geschichte und Gegenwart, aus Hektik und Stille.
Der Film folgt dem ursprünglichen Konzept – doch mit einem zeitgemäßen Blick: Statt dampfender Lokomotiven und Zeitungspresse dominieren E-Scooter, Smartphones und digitale Werbetafeln das Stadtbild. Die Kamera taucht ein in den Rhythmus der U-Bahn zu Stoßzeiten, begleitet Kurierfahrer auf Fahrrädern durch den dichten Verkehr und hält inne in den Parks, wo Menschen der urbanen Rastlosigkeit entfliehen.
„Berlin Rhapsody“ verzichtet auf klassische Dialoge und setzt auf die Kraft der Bilder. Der Schnitt ist rasant, mit Momenten der Stille, die das atemlose Tempo kontrastieren.
Die Kamera fängt die Gegensätze ein: Luxuriöse Hochhäuser und improvisierte Wohnwagen-
Siedlungen, Start-ups und traditionelle Eckkneipen, Demonstrationen und Feierabendverkehr.
Dabei bleibt der Film eine Beobachtung, keine Wertung. Berlin zeigt sich in all seinen Facetten – als Ort der Vielfalt, der Widersprüche, des stetigen Wandels. Eine Rhapsody, die nie endet.

Tagesspiegel Charlottenburg-Wilmersdorf am 9. Mai 2025:

"Das Babylon Kino in Mitte präsentiert am 17. Mai um Mitternacht eine kostenfreie Vorpremiere und am 23. Mai ab 20 Uhr die Uraufführung (Eintritt: 10 Euro). An beiden Tagen musiziert eine Pianistin [2] dazu live. Vom 22. bis 27. Mai läuft der Film im Kulturzentrum Brotfabrik Weißensee."

80 Minuten Bewegtbilder, statt bewegender Bilder.

Gewiss, diese Film wird als Dokumentarfilm angekündigt. Aber all das, was der werbende Sub-Text zu suggerieren versucht, wird im Verlauf der 80 Minuten nicht wirklich erfüllt. Und das liegt nicht daran, dass die im Text versprochenen Szenen-Bilder nicht auch aufscheinen, sondern daran, dass ihre Präsentation jeglicher Dramaturgie ermangelt.

Ja, es gibt gewisse thematische Elemente, die in kurzen Folgen zusammengeschnitten wurden, so die Vögel-Szenen oder Bilderfolgen mit unterschiedlichen Bodenbelägen, aber das allein reicht nicht, um diese 80 Minuten wirklich auszugestalten.

Die Aussage "Dabei bleibt der Film eine Beobachtung, keine Wertung" ist - sorry, eine Ausrede. Nicht nur Einfälle haben eine eigene Art der Gesetzmässigkeit, auch Zufälle. Ein Beispiel? Bittesehr: einige der Einstellungen zeigen Wahlplakate und zwar solche der Grünen und der Linken. Und - mit der Bitte um Korrektur, falls die anderer Parteien übersehen wurden - nur von diesen beiden Parteien. Damit soll nicht einmal unterstellt werden, dass hiermit eine besondere Wertung in irgendeiner Weise beabsichtigt worden war, aber aufgeräumt mit der These, dass man mit diesen Aufnahmen ’nur’ beobachtet habe.

Wäre man dieser Schimäre der reinen Beobachtung nicht aufgesessen, mit Sicherheit wäre es dann möglich gewesen, auch im Schnitt anders mit dem Material umzugehen. Und damit ist nicht jenes fix-it-in-the-post gemeint. Nein. Damit wird auch nicht die Forderung aufgestellt, eine Geschichte zu erzählen, die mit dem hier vorgestellten Material nicht erzählt werden kann.

Aber es werden Chancen vertan, die das Material selber anbietet. Auch hier ein Beispiel: in regelmässig wiederkehrenden Abständen werden kurze Szenen-snippets in Farbe eingeblendet, während das gesamte restliche Material in schwarz-weiss ausgespielt wurde. Daraus hätten interessante dramaturgisch wirksame Ankerpunkte in der schieren Beliebigkeit der Bildfolge werden können. Warem es aber nicht, oder wurden zumindest subjektiv so nicht erlebt.

Wobei dennoch zugleich deutlich wurde, dass auch an dieser Stelle ein durchaus gestaltender Wille erneut erkennbar wurde. Zum Beispiel, als ausgerechnet die Szene mit der Frontansicht vom Zoo-Palast-Kino zunächst in schwarz-weiss, und in unmittelbarer Nachfolge danach in Farbe vorgeführt wurde.

Ach... es gäbe noch so viel mehr zu dieser nächtlichen Film-Vorführung und -Erfahrung zu sagen. Stattdessen nur noch diese wenigen Stichpunkte:

 Die Dynamik der Stadt wird nicht (allein) dadurch deutlich und - im wahrsten Sinne des Wortes - ’erfahrbar’, dass man möglichst viele Szenen vermittels einer bewegten Kamera - sei es aus dem Auto, aus dem Bus, aus der S-Bahn oder vermittels von Drohnen - einzufangen versuchte. Es sind oft genug eher die vergleichsweise wenigen Standbilder, mit denen die Kamera einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen in der Lage ist.

 Vollkommen unklar bleibt, was es mit all den Musiktiteln auf sich hat, die im Abspann aufgeführt, während der Vorführung aber nicht gespielt wurden. Und auch nicht erwartet worden waren; wurde doch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dieser Film live von der Kino-Orgel aus begleitet, ja, belebt werden würde. Was auch hervorragend gelang, wenngleich auch in einer weitgehend von den Bildern und ihrer Abfolge abgekoppelten Spielweise.

 Aber auch dieses "Fass" soll an dieser Stelle nicht aufgemacht werden: Also keine Vergleiche mit anderen früheren Kompositionen dieser Art, auch wenn sich die Regie ausdrücklich darauf beziehen mag. Und keine Rückblicke auf die eigene Familien-Geschichte, in der die Mutter in ihren jungen Jahren mit Klavier- und Orgelbegleitung Stummfilme aller Art im Ohr der damaligen BetrachterInnen hat aufleben lassen.

 Es war eine gute Entscheidung, diese Nachtvorstellung zu besuchen und nicht die Premiere. Das ist schon einmal - aus Sicht des Verantwortlichen - schiefgegangen. Auch diese fand in diesem Kino statt. Auch diese nervte mit nicht enden wollenden Kameraeinstellungen aus U- und S-Bahnen. Und später per Mail nachfolgenden Kommentaren des Regisseurs, doch noch einmal nachzulesen, was der dazu zu sagen und aufgeschrieben habe.

 Sorry, dieses ist nicht der erste Dokumentarfilm, der gesichtet oder selbst produziert wurde. Dass er vor diesem Hintergrund die eigenen - vielleicht zu hoch angesetzten - Erwartungen nicht erfüllt hat, muss nicht zur Folge haben, dass er nicht dennoch sein Publikum finden wird.
In diesem Sinne also ein herzliches "toi-toi-toi" für die Premierenvorstellung und -Feier:

© Anna Vavilikina: Kino-Orgel-Schlussakkorde - und Applaus

WS.

Anmerkungen

[1Länge: 80 min
Format: 4:3
Farbe & S/W
Herkunftsland: Deutschland
Regie: Malte Wirtz
Komponist & Arrangements: Lukas Steinberg
Kamera: Antje Heidemann
Drohne: Sebastian Lempe
Kinostart: 22. Mai 2025
Verleih: Unfiltered Artists

[2... mit Anna Vavilikina Live an der Kino-Orgel


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