re:publica24 (I)

VON Dr. Wolf SiegertZUM Montag Letzte Bearbeitung: 4. Juni 2024 um 01 Uhr 37 Minuten

 

Es gibt über diesen Tag wesentlich mehr zu erzählen, als was diese Programmankündigungen andeuten. Aber es ist zu viel passiert, um das alles ad hoc aufzuarbeiten. Oder schon mal einen Blick werfen auf den Beitrag: DIE re:publica "DAS Woodstock der Demokratie".

Hier zunächst ein Überblick über jene Veranstaltungen, die vor Ort aufgesucht wurden:

Stage 9 15:00– 16:00
"Europa 2057": Die Entwicklung eines neuen ARTE-Formats [1] .
Kristina Förtsch, Katja Dünnebacke, Alexander Lahl, Max Mönch, Thomas J. Weiss

Stage 11 16:15 – 17:15
Userverse 2035 - Zukunft verstehen und gestalten [2]
Nadine Mosch, Christoph Rieth, Christin Schulz, Felix Günther, Arne Orgassa

Fabmobil 17:30 – 18:30
Who cares, was Oma eigentlich vom Krieg erzählt? - Alte Stimmen im digitalen Raum [3]
Anna-Maria Schmider, Paula Georgi, Charlotte Steinbach, Lisa Hertwig

Stage 8 17:30 - 18:00
Platform collapse! Nazis on Substack and why content moderation matters at the front lines of digital publishing [4]
Arikia Millikan

Stage 8 18:00 – 18:30
Public Domain in the Digital Age: a Paradox. [5]
Leonhard Dobusch, Peter Baldwin

Lightning Box 2 19:15 – 19:45
Selfcare für Journalisten: Warum wir wieder (noch immer) selber hosten (müssen) [6]
Thomas Riedel

Allein dieses Panoptikum von Veranstaltungen macht klar, wie viele neue Möglichkeiten sich jenseits der ’klassischen’ Publikationswelt aufgetan haben, wie die schon bestehenden - öffentlich-rechtlichen - Einrichtungen sich bemühen, mit diesen neuen Entwicklungen Schritt zu halten. Wie nach Schnittstellen und Kooperationsmöglichkeiten zwischen diesen Einrichtungen aus der ’alten’ und der ’Neuen Welt’ gesucht wird. Und wie gefährdet der Wunsch nach einer publizistischen Kontinuität auch auf eben diesen neuen digitalen Plattformen ist. Bis hin zu der am Ende dieses Tages in einem ’silent disco’ - Format vorgetragenen Wunsch, wieder zu den Anfängen des DIY zurückzukehren.

Hierzu ein Interview mit dem Journalisten und langjährigen DROID BOY-Blogger, dem Host und Producer von Spatial Realities, dem Podcaster von Future hoch zwei:

Anmerkungen

[1

Wie wird Europa in 30 Jahren aussehen? Wie wird sich mein Alltag anfühlen, wie der meiner Kinder, sollte ich welche haben? Wie sicher ist der Blick in die Zukunft und wer kümmert sich eigentlich darum, dass manches doch noch anders kommt?

"Europa 2057" heißt die Webreihe bei ARTE, die Antwort auf diese Fragen geben soll. Das neue Programm ist gerade in Entwicklung. Wir sind überzeugt, dass wir im Team die besten Formate schaffen und möchten euch deshalb aktiv daran beteiligen. Dabei könnt ihr von uns erfahren, wie wir solche Entwicklungsprozesse gestalten, wer alles mitmischt und wie weit wir mit "Europa 2057" bereits gekommen sind. In einem zweiten Schritt möchten wir von euch wissen, welche Fragen ihr euch wünscht und wie die Gestaltung aussehen könnte.

Wir präsentieren unser Panel partizipativ, holen euch mit auf die Bühne und in die Diskussion. Lasst uns eine gemeinsame Vision in die Realität umsetzen!

[2

Wie verändert sich die Mediennutzung durch eine polarisierte Gesellschaft? Worüber beziehen Menschen zukünftig ihre Informationen? Und wie verteilt sich ihre Aufmerksamkeit im Spannungsfeld zwischen großen Plattformen, Hyper-Personalisierung und neuen Technologien?

Zahlreiche Studien und Analysen liefern Antworten auf diese Fragen. Aber all‘ diese Informationen zu interpretieren und die richtigen Rückschlüsse abzuleiten, ist komplex und mühsam. Im Alltag fehlt dafür schlicht die Zeit.

MDR next und WDR Innovation Hub versuchen es daher mit einem spielerischen Ansatz: einem Wimmelbild. Das Userverse 2035 zeigt eine Zukunft, in der alles mit allem vernetzt ist und die Menschen ausschließlich selbst bestimmen, welche Inhalte sie über welchen Weg konsumieren. Das Bild macht den Alltag, die Freizeitgestaltung und das Mediennutzungsverhalten verschiedener Zielgruppen erlebbar.

Lasst uns gemeinsam das Bild erkunden: Was sind die zentralen Entwicklungen für Medienunternehmen und die Gesellschaft? Auf welche sollten wir uns fokussieren? Fehlen wichtige Trends? Und mit welchen Strategien und Projekten können wir am besten darauf reagieren?

[3

Lebensläufe von Frauen werden immer noch zu selten erzählt. In dem Pool Artists Original Podcast “Die Geschichte meines Lebens” erzählen acht Frauen über 80 ihre Lebensgeschichte. Die Pool Artists Producer:innen Charlotte Steinbach und Lisa Hertwig zusammen mit der Host des Podcasts Anna-Maria Schmieder berichten. Wie haben sie den Stoff verarbeitet? Wie wird man Zeitzeug:innenberichten gerecht? Wo sind Lücken aufgetreten? Und eignet sich das Medium Podcast besonders für Oral History?

[4

Creator economy platforms are not agnostic technologies: platforms like Substack, Patreon, and Medium invest millions into luring star contributors to increase their reputation and attract new users. As much as platforms like to insist they don’t control user-generated content, their user base reflects the value systems of the platform owners, who collect a % of creators’ profits. So when Substack’s founders refused to remove Nazis and hate speech from the platform, many prominent journalists publicly declared they could no longer ethically use the platform. This prompted an exodus, leaving many independent publishers asking “where do we go now?”

The answer is not as simple as “if you don’t like it go somewhere else.” Unplugging from a creator platform can be like asking someone to quit their full-time job, especially when platforms make it difficult for users to transfer subscriber data. Fortunately, creator platforms for journalists are still in their infancy. It’s not too late to counter dangerous trends in platform design before serious monopolies form. Understanding how a platform operates before you invest your time and data there will help you make decisions more aligned with your values. The fall of legacy publications poses an exciting opportunity for a new class of journalistic platforms to emerge, and journalists who are impervious to platform collapse!

[5

Because digital content is leased not sold, therefore not owned outright, in the way that other forms of property are, in fact there is no obvious mechanism by which the public domain can be enforced. Will the publishers really give up their digital files, which have never left their servers for 150 years, when the public domain finally kicks in? Will they even still have them? Thus there is possibly no legally enforceable public domain for digital content.

The absence of the Public Domain in the future is connected to the influence of AI already, and that too is part of the leaching away of Wikipedia’s content, first by Google and now increasingly by ChatGPT and its ilk.

On the other hand, a millennium from now, the vast bulk of the world’s content will be public domain. The copyrighted part will be a tiny fringe of the most recently created content. Cultural producers will have a vast mass of public domain content to use for their own purposes. What will be the point of copyright in this future cultural landscape – so different from our own, where the public domain is just a fraction of content? Why bother locking anything up, and therefore will not the public domain be everything?

[6

Als Elon Musk 2023 Twitter für über 40 Milliarden Dollar kaufte, erwarteten wir das Schlimmste. Doch das wurde vielfach übertroffen. Aus der Twittergemeinde, dem digitalen Zuhause vieler Medienschaffenden, ist seitdem ein faschistischer Moloch geworden. Musk schaffte es, Netzwerke aus dem Hause Zuckerberg plötzlich paradiesisch anmuten zu lassen. Deutlich wurde aber vor allem, dass auch schon vor Musk die Dominanz der Plattformen und damit die Abhängigkeit für Recherche und Distribution, groß ist. Die Frage, ob Mastodon, Bluesky oder Threads zum Twitternachfolger eignen, zeigt: Das Problem der Abhängigkeit wurde noch immer nicht erkannt. Es kann insbesondere für Journalisten und unabhängig Berichtende nicht darum gehen, von wem wir uns als nächstes abhängig machen. Sondern wie wir uns endlich aus unserer selbstverschuldeten medialen Unmündigkeit befreien können. Dieser Vortrag will zeigen, warum es höchste Zeit ist selbst zu hosten: Für den Journalismus und für die Demokratie! Und warum es ums Selbsthosting eigentlich noch nie besser stand.


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