... heute ab 17 Uhr im BABYLON in Berlin | Beginn:18 Uhr | Ticket: 11 € | danach: Empfang
Dieser Film ... ist ein "MachMal"-Werk
Warum diese Formulierung? Es ist offenkundig, dass mit der Zuordnung des Wortes "Machwerk" bereits im ersten Satz ein Verriss angezeigt worden wäre, der so nicht angebracht ist. Auf der anderen Seite wird mit diesem Begriff deutlich - und vielleicht sogar mit einer Portion Humor - signalisiert, dass es einen hohen Unwillen gibt, sich mit dieser Arbeit als Film kritisch auseinanderzusetzen. Der Unwillen wurde bereits dadurch deutlich, dass es mehr als einmal im Verlauf der Vorführung eine deutliche Intention gab, die Vorstellung zu verlassen. Und diese mehrfach auftauchende Intuition war nicht allein dem Umstand geschuldet, dass der Film eine Spieldauer von mehr als drei Stunden hatte.
Zugleich ist damit aber angezeigt, dass hier offensichtlich dem Autor und Drehbuchschreiber schon nach dem ersten Exposé eine Art von carte blanche übergeben worden war, die dann im Verlauf der Produktion dazu führte, dass es offensichtlich - und es ist wirklich so gesagt wie hier geschrieben offen-sichtlich - wurde, dass Dreh und Schnitt nach dem frühen "go" im weiteren Verlauf weder von einer Produktionsinstanz noch von einer Dramaturgie konsequent begleitet worden wäre.
Wollte man dazu überhaupt etwas sagen, dann allenfalls dies, dass es sich hier um eine Art audiovisuelle Selbstreflexion des Autors in vier Episoden handelt (auch wenn die vierte Episode als solche nicht mehr mit einer eigenen Nummer im Verlaufe des Filmes angekündigt wird). Die Episode eins stellt das familiäre und künstlerische Umfeld des Autors dar und fragt nach dem Sujet. Die Episode zwei breitet eben dieses aus und fragt gewissermaßen werkimmanent in quälend langen Einstellungen nach, wie mit der Aufarbeitung dieses Themas voranzugehen sei. Danach wird die Entscheidung als audiovisuelles Opus umgesetzt, indem die Tochter des Autors die hier in Rede stehende Personen "Karin" zu verkörpern habe. Im vierten Teil reflektiert der Protagonist nochmals auf die infrage stehende Person, indem er sich ihr in "Ich"-Form anzunähern versucht.
Das ganze Erleben ließe sich aber auch in einer sehr anderen Form mit eher brutalen Formulierungen zusammenfassen: Es geht in den unterschiedlichsten Formen und Figuren mmer wieder darum, wie es zu einer unangemessenen Aneignung des Sujets kommt, um hier nicht das Wort der "Vergewaltigung" zu verwenden. Es geht darum, wie der Autor mit sich selbst umgeht, es geht darum, wie der Autor mit seiner Tochter in Beziehung steht, es geht darum, wie der Autor sich die Figur der verstorbenen Protagonistin aneignet, und es geht letzten Endes um eine „Vergewaltigung“ der Zuschauer. Diese hatten nur in geringer Zahl das Kino während des noch verlaufenden Films verlassen, sei es aus Neugier vor dem immer noch verbleibenden Ende des Film oder Höflichkeit geschuldet gegenüber den Beteiligten, die dann am Schluss nach einem mehr als holprigen Übergang doch noch einmal den Anwesenden vorgestellt wurden.
Der aufkeimende Unwille, um tatsächlich doch noch eine Rezension über diese Premiere zu verfassen, sollte nicht weiter mit weiteren fortlaufenden Formulierungen genährt werden.
Stattdessen folgt hier in mehreren Teilen ein akustischer Einspieler, der im Verlauf der Kinovorstellung in jenes Mikrofon gesprochen wurde, mit dem eigentlich nach der Premiere die Zuschauer hätten befragt werden sollen. Dass es dazu letztlich mangels Masse nicht mehr gekommen ist, hat vielleicht die eine oder andere Peinlichkeit erspart - allerdings leider auch die Möglichkeit versperrt, eine Reihe von handwerklich wie künstlerisch gelungenen Leistungen ausreichend zu würdigen.
Erst im Nachgang zu diesem Kinobesuch und diesem Text auf die Seite im Tagesspiegel vom 12. Jänner 2022 gestossen worden [1]: Lebenskünstler Florian Havemann wird 70.