I.
Inzwischen haben sie - unter Beteiligung von Studenten des Kurses - stattgefunden, die am Schluss des Eintrags CeBIT & IFA @HU-Berlin (VI) erwähnten Veranstaltungen:
– die transmediale Pressekonferenz vom 31. Januar 2011 im Haus der Kulturen der Welt, die an diesem Tag ab 11.30 Uhr auch unter www.transmediale.de als streaming live übertragen worden war [1]
– das PRIME-Symposium vom 17.Februar 2011 im Fraunhofer, Heinrich-Hertz-Institut Berlin und am Abend im Kino 2 des Cinestar im Sony-Center am Potsdamer Platz [2].
II.
Mit dem letzten Freitag ist nun die vielleicht schwerste Zeit für die Beteiligten angebrochen, mit einer mündlichen Prüfung oder einer schriftlichen Hausarbeit.
Im Rahmen der Vorbereitungen auf diese Aufgaben und nach dem Vorliegen der ersten Erfahrungen an dieser Stelle nochmals einige Anregungen, Hinweise, Leitsätze, die diesen Teil der Arbeit betreffen.
– Die Wahl des Themas selbst ist offenbar von einer hohen Bedeutung, die in ihren Folgen leicht unterschätzt wird. Dass das nicht immer sogleich erkannt wird, mag vielleicht daran liegen, dass erst jetzt, mit Beginn des Master-Studiums die "Qual der Wahl" überhaupt erst als Problem so richtig in das Bewusstsein der Studierenden Eingang findet.
– Es ist daher legitim und von Seiten des Lehrbeauftragten auch akzeptiert, dass eine solche erste Entscheidung bei näherer Beschäftigung mit dem Thema nochmals überdacht und ggf. auch verworfen wird. Dabei ist es sicherlich hilfreich zu erfahren, warum eine solche Entscheidung für ein bestimmtes Thema bzw. seine Abänderung getroffen wurde.
– Die hohe Informationsdichte, die bei einer Suche nach dem Zugang zu dem letztendlich gewählten Thema durch das Internet zur Verfügung steht, ist sicherlich hilfreich, sich zunächst einmal in das Thema hineinzufinden. Aber oft nicht ausreichend, das Thema wirklich bearbeiten, auszuarbeiten, in seiner Tiefe erfassen zu können.
– Dass "im Internet" / "bei Wikipedia" allein nicht die Lösung(en) auf die gewählte Fragestellung zu finden sein wird, wird vielen oft gar nicht oder nur allzu spät bewusst. Es zeigt sich an allen Ecken und Enden, dass dann doch der Gang in die Bibliothek unvermeidlich ist, oder andere Quellen angezapft, Veranstaltungen besucht, Interviews vereinbart werden müssen.
– Die Probleme, an bestimmte Materialien heranzukommen, werden oft noch dadurch überlagert, dass es zumindest ebenso schwierig ist, an bestimmte Menschen heranzukommen, die als Fachleute für das selbst ausgesuchte Thema bekannt sind. Da spielen nicht nur Fragen der zeitlichen und örtlichen Verfügbarkeit eine Rolle, hinzu kommt, dass der Hinweis auf sein Studenten-Dasein als eine nicht ausreichende Qualifikation angesehen wird, um sich für ein solches Gespräch zur Verfügung zu stellen.
– Hinzu kommt, dass dieses Vor-Urteil Gefahr läuft, durch die Art des Vorgehens, die Qualität der gestellten Fragen, die nicht ausreichende Vorbereitung u.v.m. Gründe der Bestätigung findet. Von denen, die sich zu Interviews bereit erklärt haben, ist die Marge zwischen einer positiven und einer negativen Reaktion oft sehr klein: was eben noch als jugendlich frische und freche Neugier gelobt wird, kann im nächsten Moment als Naivität und mangelndes Erfahrungswissen diskreditiert werden.
– Hinzu kommt, dass die meisten dieser Vorarbeiten von "Zuhause" aus durchgeführt werden. Das geht natürlich grundsätzlich auch in Ordnung, solange die Mindestvoraussetzungen wie ein guter Laptop, eine vernünftige Datensicherung, ein flat-finanzierter Zugang zu Daten- und Telefonie-Diensten zur Verfügung stehen. Dennoch schält sich immer wieder der Wunsch heraus, dass es auch an der Ausbildungsstätte - nicht allzu weit von den Admins entfernt - einen Pool gäbe, an dem wie in einem Büro gearbeitet und dort auch der notwendige Support bereitgestellt werden könnte.
– Es stellt sich nämlich heraus, dass zwei - einander scheinbar widersprechende Bedarfe - weiter, schneller und nachhaltiger weiter zu entwickeln sind: die Vorbereitung auf zukünftige berufliche Aufgabenstellungen und Zielsetzungen. Und zugleich die Suche nach und der Einsatz von wissenschaftlichen Hilfsmitteln, Werkzeugen, Parametern, mit denen es gelingt, die (oberflächliche) Vielfalt des Gelesenen und Erlebten zu sichten, zu ordnen, zu bewerten und in die Tiefe eines historischen Raumes, zumindest aber eines zeitlichen Ablaufes zu stellen.
– Das stellt auch besondere Anforderungen an den Lehrkörper. Praxiskompatibilität und Wissenschaftsorientierung nicht als Gegensatz, sondern als die zwei Seiten von ein und der gleichen Medaille zu sehen, zu praktizieren als Konzept zur Vermittlung und Erprobung anzubieten.
III.
Gehen wir zum Schluss nochmal "ans Eingemachte" und stellen hier einige Positionen zusammen, die im Dialog mit Einzelnen oder der Gruppe auch schon bekannt gemacht wurden:
– Der Mut zum Risiko beinhaltet auch das Risiko des Scheiterns. Wobei der Begriff des "Scheiterns" ja gerne schon dann assoziiert wird, wenn es nicht gelingt, die einem (selbst) gestellte Aufgabe mit einer mehr oder minder guten Bestnote abzuschliessen.
– Der Einsatz technischer Hilfsmittel bei der Bewältigung der gestellten Aufgabe(n) kann durchaus hilfreich, ja sogar zwangsläufig notwendig sein. Dennoch kommt der Punkt, wo man sich nicht mehr hinter einer schriftlich verfertigten Arbeit oder (zumindest noch ein Stück weit) einer Power-Point-Präsentation "verstecken" kann. Selbst, wenn es gelingen sollte, diesen Zeit-Punkt auf die Zeit nach dem Abschluss der Ausbildung zu verlegen, er wird kommen und dann - je später desto härter - zuschlagen.
– Es ist durchaus legitim zu überlegen, wo die eigenen Stärken liegen und dann ggf. die Notwendigkeit der persönlichen Präsentation seiner Ergebnisse möglichst in den Hintergrund zu drängen. Dennoch ist es unvermeidlich - und immer wieder einzuüben - eigene Positionen aus dem vorliegenden und vorgeordneten Material abzuleiten. Je besser dies gelingt, desto einfacher werden auch die Wie-Fragen beantwortet werden können, die da lauten: "Wie sind Sie bei der Sichtung und Sammlung des Materials vorgegangen?". Oder: "Wie sind Sie zu der Auswahl der hier vorgestellten Punkte und der daraus abgeleiteten Begründungen gekommen?"
– Die Prüfungsangst belastet die (den) zu Prüfende(n) ebenso wie die Prüfer. Je höher die Angstschwelle, desto grösser die Gefahr, dass sich alle die Mittel und Möglichkeiten, die zur Vorarbeit eingesetzt wurden, wie in "Luft" aufzulösen scheinen. Und auch wenn aus der vorangegangenen Zusammenarbeit bekannt ist, dass hier eine Reihe von Qualitäten vorliegen, so zählt im Moment der Prüfung nur, was in diesem Moment auch "über die Rampe" kommt.
PS.
Angesichts der aktuellen Diskussion um die Plagiatsvorwürfe beim Verfassen von schriftlichen Arbeiten ist ein vertiefendes Eingehen auf diesen Punkt wohl obsolet geworden. Oder?
Hier als pars pro toto ein Zitat des nur durch seine IP-Adresse 195.93.60.10 "identifizierten" Urhebers auf dem GuttenPlag Wiki, der als einer von inzwischen sieben Tausend Kommentaren zum Thema Plagiatsvorwürfe beim Verfassen von schriftlichen Arbeiten am 19. Februar 2011 gegen 11:20 Uhr folgende Zeilen postet:
"Wenn ich bei 475 Seiten hier und da eine Fussnote vergessen haben sollte, dann muss ich mich für diesen Fehler entschuldigen und werde dies bei nächster Neuauflage korrigieren"!"Hier und Da" sind mittlerweile 176 Seiten. Ich hoffe, Herr zu Guttenberg liest von Zeit zu Zeit diese Website, denn dieses Forum liefert ihm einen unbezahlbaren Service, denn ich kann mir nicht vorstellen das er alle seine "Plagiate" unter Zuordnung der Quellen abgespeichert hat. Wahrscheinlich hat er die Quellen gelesen und dann gedacht "Besser hätte ich das auch nicht sagen können, genau meine Gedanken!". [3]
Dieser Satz "Besser hätte ich das auch nicht sagen können, genau meine Gedanken!" ist als Aussage legitim.
Wir alle würden heute so viele von diese Sätzen finden, dass es wohl jedem von uns gelingen könnte, ein ganzes Konvolut zu füllen mit solchen Aussagen.
Und selbst das wäre legitim. Gerade in Zeiten, in denen alles Mögliche möglich und all das Unsagbare auffindbar geworden zu sein scheint ist es fast zwangsläufig, dass die Aussenwelt die Innenwelt der eigenen Aussenwelt befruchtet. Befruchtet: Ja. Aber determiniert?
Bereits vor Beginn der aktuellen Diskussion, in der sich jetzt zu allem Überfluss selbst die Bundeskanzlerin eingeschaltet hat [4] wurde auf Anfrage von Studenten erklärt, dass eine Bestnote in einer schriftlichen Hausarbeit nur dann erlangt werden könne, wenn in dieser nicht nur die URL und der Zeitpunkt des Zugriffs vermerkt, sondern auch die als Beleg herangezogenen Dokumente als Anhang mit zur Verfügung gestellt werden würden.
Diese Position wird an dieser Stelle gerne hiermit nochmals auch öffentlich zur Diskussion gestellt.
Apropos: "zur Diskussion gestellt".
Als dieser Text entstand, war dem Autor noch nicht bekannt, dass gestern, am Sonntagabend, dieses Thema Gegenstand der sogenannten "Talkrunde" von Frau Anne Will sein würde [5].
Noch, dass heute, am Montag, den 21. Februar 2011 der Deutschlandfunk in seinem Journal am Vormittag das Thema unter der Überschrift "Dr. zu Guttenberg - Wie wichtig ist die Glaubwürdigkeit in der Politik?" diskutieren wird. [6]
Sollte jemand von den Studentinnen und Studenten mitreden wollen: hier die Telefonnummer 00800-4464 4464 und die Mailadresse der Redaktion dlf.kontrovers@dradio.de. [7]
Eine persönliche Beteiligung an dieser Diskussion - und zu diesem Zeitpunkt - wird ausgeschlossen. Denn schon der Umstand, dass sie und dass sie so geführt wird, ist eine Katastrophe. Denn auf einmal gibt es einen Zusammenhang zwischen Wissenschaft und Politik, der der Forderung nach der Interdependenz von Wissenschaft und Politik ganz und gar entgegen steht.
Aus der Erfahrung des Verfassers dieses Textes kann darüber berichtet werden, wie noch vor einer Generation mit dem Verweis auf die inhaltlichen Positionierung jener Bücher, die als Ergebnis der eigenen Promotion veröffentlicht wurden, eine weitere wissenschaftliche Karriere nachhaltig torpediert werden konnte.
Heute scheint es gar nicht mehr so sehr darum zu gehen, was gesagt wird, sondern um das Wie.
Der Verweis auf die formalen Mängel, der Verdacht auf die Delegation der Schreibarbeit an Dritte ist das Eine, die Unfähigkeit, in Zeiten des Internets einen neuen Kodex für die Vermittlung von wissenschaftlichen Aussagen implementiert zu haben, etwas ganz anderes.
Dazu 4 Punkte:
1. Anstatt dieses Thema jetzt auf allen publizistischen Kanälen und Sendern auszurollen, sollten sich die Hochschulen überlegen, ob sie nicht eben diese hier gestellten Fragen selbst zum Gegenstand der Vergabe weiterer Promotionsthemen machen sollten.
2. Die Universität wird entscheiden müssen, ob hier den ureigensten Prinzipien der Forschung und Lehre so massiv entgegengewirkt wurde, dass eine Aberkennung des Titels die einzige verbleibende Möglichkeit ist, mit diesem Problem fertig zu werden, oder ob es reicht, die Zensur zu drücken.
3. Die öffentlich vorgetragene Idee des Verfassers, sich selbst den Titel zeitweise aberkennen zu können ist absurd, arrogant und ein viel dramatischeres Zeugnis dafür, vom Wissenschaftsbetrieb, seien Regeln und Pflichten "nichts" verstanden zu haben.
4. Wenn es dann doch zur Aberkennung kommen wird, sollte man den Mann - der dennoch voraussichtlich Minister bleiben wird - nicht verurteilen, sondern ihm eine zweite Chance geben: Zum Beispiel mit einer Arbeit bei und in den Medienwissenschaften über das Thema der öffentlichen Selbst- und Fremdinszenierungen von Identität als Führungspersönlichkeit.