Reise-Bilder: Shanghai (V)

VON Dr. Wolf SiegertZUM Freitag Letzte Bearbeitung: 16. Januar 2015 um 12h22min

 

0.

Die nachfolgenden Aufzeichnungen und Hinweise nehmen nochmals auf, was schon zuvor in dem Text Reise-Bilder: Shanghai (II) gesagt worden ist.

I.

Die These, dass sich nicht nur "der Westen" in China engagiert und dass dieses auch zu intensiven Wechselwirkungen führt, die aus China heraus in die EMA-Region einwirken, findet ihren Niederschlag in einem Beitrag des Managing Direktors für Asia Pacific von British Telecom, BT, Kevin Taylor.

Im Rahmen einer Sonderausgabe von TIANJIN DAILY und CHINA DAILY wird am 15. September 2010 auf Seite 4 (s)ein Text von ihm unter der folgenden Überschrift veröffentlicht:

BT: Asia ready to meet the world

In der Langfassung lautet dieser Satz am Schluss des Textes dann so:

"It is not really that the world is coming to Asia, it is that Asia is ready to meet the world."

Klar, dass das den Chinesen schmeichelt. Und die revanchieren sich auf ihre Art und Weise, indem Premier Wen Jiabao auf dem World Economic Forum Annual Meeting of New Champions (WEF) in Tianjin erklärt: "any company registered in China is a Chinese company and will enjoy the fair treatment of a Chinese company."

Und Kevin Tayler bezeichnet dies in seinem Text so wiedergegebene Zitat als eine gute Nachricht für einen Dialog, den er mit den Begriffen "open, sincere and encouraging" kennzeichnet.

Und er lässt keinen Zweifel daran, dass es sich schon heute um einen Dialog - und einen Wettbewerb - unter Gleichen handelt: Er verweist auf die Marke Haier, die schon heute weltweit die Nummer Eins in Sachen Weisse Ware sei. [1]

Er verweist auf das zusätzliche Engagement von BT in Asien, auf das R&D-Lab in Peking und deren "global IT development centre in Dalian" und spricht von weiteren Investitionen, die in dem ihm zugeordneten Bereich vorgenommen werden sollen, also auch in China.

Er lässt aber keinen Zweifel daran, dass dieser Wettbewerb inzwischen auch schon auf dem heimischen Markt volle Fahrt aufgenommen hat und schreibt:

"In the United Kingdom, my company BT plc operates in one of the world’s most open and competitive telecommunications marketplace. Chinese companies that operate there have exactly the same experience als BT and our other competitiors."

II.

In dem Beitrag auf der Seite [Shanghai (II)] war ebenfalls davon die Rede, dass es ein Zeit nach dem Erfolg der Kopierer geben werde. Und auf der Seite 3 der oben bereits erwähnten Beilage von "davos@tianjin"-Special gibt es einen Beitrag über die "first listed network video company in China": LeTV.com.

In dem Beitrag von Hao Nan werden vor allem zwei Faktoren für diesen Erfolg ausgewiesen.

Erstens: Die Gründung und Entwicklung der Firma in einem Umfeld, das sich dafür als hervorragend geeignet erwiesen habe:

Laut Aussage des COO und Vice Cairman Liu Hong sei die Ansiedlung im Zongguancun Haidan Science Park (HSP) entscheident für dem bisherigen Erfolg gewesen. "The HSP is known as China’s Silicon Valey. It offers a range of preferential policies for statup companies and its aggregate effects also create a good envirenment for innovation. [...] we were successfully granted loans in 2009 with a total value of 25 million yuan, which has highly contributed to the company’s development."

Zweitens: Die Entwicklung einer "digital copyright strategy", wonach alle online gestellten Werke - etwa 40.000 TV-Serien und 3.000 Filme - mit für diese Firma exklusiv ausgestellten Rechten auch online vertrieben werden können. Liu Hong: "All of our online videos are legally authorized so we never get caught up in trouble like piracy or infringement".

Das hat dazu geführt, dass die 2004 gegründete LeTV.com im Jahr 2009 auf 300tausend zahlenden Nutzer zurückgreifen kann und der Werbeumsatz 2009 auf 36millionen Yuan gestiegen sei.

Das DVD-Zeitalter habe man mit seinen hochauflösenden Online-Angeboten längst hinter sich gelassen, TV und Online-Gaming seien heute kein Gegensatz mehr und im Bereich der mobilen Telefonie gäbe es bereits Partnerschaftsverträge mit China Mobile, China Unicom und China Telecom. Und im Jahr 2011 werde es dann auch den ersten HD-Media-Player geben.

III.

Dass diese neuen Wettbewerbe(r) und Konsumergewohnheiten aber auch ganz neue Möglichkeiten der Kundengewinnung nahelegen, ja geradezu notwendig machen, ist und bleibt aber immer noch eines der ungelösten Rätsel - vor allem bei jenen Firmen, die sich mit ihren "klassischen" Angeboten und Marken auf dem Markt in China etablieren bzw. behaupten wollen.

Alle schielen heute auf die sozialen Netzwerke und glauben begriffen zu haben, dass es heute nicht mehr die Autorität des Marketing und Werbeleitung ausreicht, um damit dem Markt durch eine reine push-Strategie aufrollen zu können. Es würde halt nicht (mehr) reichen, dass die Firmenvertreter - oder die von ihnen angeworbenen Wortführer und Stars mit ihren Testimonials - das Produkt oder die Dienstleistung schönreden würden. Heute sei die persönliche Empfehlung eines (potenziellen) Nutzers an seine Freunde und Bekannten von entscheidender Bedeutung.

Bei der näheren Betrachtung des Projektes www.holaba.com.cn wird deutlich, wie schwierig - aber auch überzeugend - es ist, sich in diesem Umfeld nicht allein darauf zu verlassen, dass in dem entsprechenden Produktumfeld ein "Like it"-Button zur Nutzung freigegeben wird.

Auch Holaba wurde 2004 - ebenfalls zunächst über eine Muttergesellschaft in Hongkong - gegründet. Und man habe als Europäer zunächst einmal mehr als ein Jahr Lehrgeld für die Erkenntnis gezahlt, dass es viel wichtiger sei, für den chinesischen Markt nicht noch eine Werbe-Agentur auf den Markt zu bringen, sondern den Markt selber zum Gegenstand der eigenen Wertschöpfung zu machen: als eine Measurement-Agentur.

Denn es habe sich in dieser Zeit als deutliches Zeichen herausgestellt, dass

 die Daten nicht mehr von aussen aus dem Markt herausgezogen werden könnten, sondern von den Marktteilnehmern selber generiert werden müssten

 dass sich trotz der nach wie vor drückenden Dominanz der mehr als 3000 TV-Stationen die Nutzungsgewohnheiten in den Städten - aber nach und nach auch auf dem Lande - mehr und mehr verändern würden

 die Zukunft der (werblichen) Kommunikation im Internet liege - und bei den inzwischen mehr als 100Millionen internettauglichen mobilen Telefonen

 es aber zunächst den grossen Unternehmen überlassen bleiben werde, diese neuen Chancen auch für sich nachhaltig und konsequent zu nutzen, und dass gerade diese Unternehmen und die mit ihnen verbundenen Agenturen oftmals die Bedeutung und Dynamik und Funktionsweise dieses Marktes noch gar nicht verstanden hätten

 die meisten Marken, die auf diese Weise zu bewerben sein werden, vor allem die eigenen chinesischen Marken sein werden.

Interessant ist vor allen nachzuverfolgen, dass das Internet bei der subjektiven Bewertung durch ihre Nutzer in China schon heute deutlich die Nase vorn hat:

 würden heute auf einen Schlag alle Medien abgeschaltet bzw. eingestellt werden - was für die medianfanatischen Chinesen einer Katastrophe gleichkäme - wäre es nicht die Zeitung oder das Fernsehen, dass am meisten vermisst werden würde, sondern das Internet.

Diese Aussage korrespondiert mit einer anderen für uns Langnasen durchaus als erstaunlich zu bewertende Tatsache:

 die Chinesen glauben vor allem an das Internet als einer Informationsquellen, der sie am meisten Vertrauen entgegenbringen

 die Chinesen gehen davon aus, dass das Internet noch viel mehr Einfluss haben wird auf die eigenen Entscheidungen als alle andere Medien.

Umso schwieriger, so Jan Van den Bergen, Chairman von Holaba, dass es für die Vorbereitung des Entscheidungsprozesse für den Einkauf eines bestimmten Produktes und einer bestimmten Marke von entscheidender Bedeutung sei, dass diese nicht über den Weg der Propaganda vermittelt werden würde, sondern über "the word of mouth".

Seine These - die all mit dem zuvor gesagten keineswegs im Widerspruch steht - "Recommenders are media: “Human media”. Auch heute noch seien über 90% der Empfehlungen sind nicht mediengebunden, sondern kämen aufgrund der persönlichen Hinweise zustande, die von Person vermittelt werden, denen man Vertrauen entgegenbringt.

So seien es auch heute noch die Nutzer selbst, die als entscheidende und entscheidungsprägende Partnern bei der Kaufentscheidung Anteil haben würden, laut aktuellen McKinsey-Zahlen heute zwischen 25% - bis zu 50%.

Aufbauend auf dem von Reicheld entwickelten Begriff des "Loyalty Managements" hat van den Bergh den grossen Bogen zu spannen versucht: von der individuellen Einschätzung eines spezifischen Produktes durch dessen spezifischen Nutzer (oder auch Fan) bis hin zur Bildung von Aiffinitätsgruppen, die sich nicht an einzelnen Produktvorschlägen festmachen - nach dem Muster, wenn das "A" magst könntest Du auch "B" und "C" mögen - sondern an der Affinität von Produktprofilen - also nach dem Stil: jemand der gerne Nivea nimmt ist auch eine an der Marke Philipps besonders interessierte potenzieller Kunde.

Heute sind auf Holaba bereits 45 000 identifizierte Produkte ovn merh als 5000 Brands verzeichnet, die von der Crew angelegt und mit Hilfe der Nutzer ständig weiter ausgebaut werden, die aber nur durch die Nutzer und deren Urteile mit positiven - aber auch negativen Empfehlungen - versehen werden können.

Das spannende an diesem Verfahren ist, dass der Betreiber der Plattform auch so eine Menge über jeden dieser Nutzer lernt, ohne mit ihm über eine soziale Plattform verbunden zu werden - oder zu sein.

Bei mehr als 300 Brands sei bereits heute die kritische Grenze der empfehlenden Beobachter und Nutzer von 1.500 Personen erreicht oder überschritten, so dass es nicht mehr möglich sei, von gewollten Manipulationen und/oder Preassuregroups abhängig zu sein.

Andereseits sei es aber möglich, dass die Nutzer im Verlauf der Zeit auch ihre Meinung zu einem Produkt ändern können, und dass gerade diese Veränderung der eigenen Meinung die Qualität des Portfolios noch erhöht

Und: Es gilt nicht nur der/die als Meinungsrelevant, der/die besonders viel eingekauft hat. Auch derjenige, der sich nach langem Sparen endlich das erste Paar addidas-Schuhe hat kaufen können, ist in diesem System genauso von Bedeutung.

Womit auch schon der erste grosse Kunde genannt ist, der sich erstmals in Asien dieses neuen Zugangs bedient und er sich - individuell, on demand und passwortgeschützt - all diese Daten über eine eigene für Dashboard-Seite abrufen kann: Nachdem zum Beispiel in über 350 Shops über 3500 Kunden individuell nach ihrem Kaufverhalten befragt worden sind - und das, auch wenn sie ohne diese neuen Nobel-Schuhe den Laden wieder verlassen wollten.