Es ist der erste Blick in eine Zeitung nach gut drei Wochen. Und vielleicht ist es nur der Abstinenz des Urlaubs geschuldet, vielleicht gibt es auch tiefer gehende Gründe: aber der Blick in die Bild-Zeitung dieses Tages lässt erschrecken.
Und nicht etwa, weil „Bild lügt“, sondern weil die Auswahl wie auch die Anordnung und die Kommentierung der Themen den Leser auf eine beeindruckende Weise beschäftigt – und die Empfehlung nahe liegen lässt, nicht einmal mehr eine „gegen-den-Strich-lesende“ – Kenntnisnahme dieser Zeitung opportun sein zu lassen.
Denn dort steht alles – und nichts. Und das in einer Super Aufmachung. Mit kurzen Texten, auch Stellungnahmen der Redaktionsmitglieder, mit vielerlei Themen und einer hohen Vielfalt von ansprechenden Attitüden. Man versucht, alles immer auch durchaus mit einem persönlichen Bezug darzustellen, um so die Illusion einer exklusiven Privatheit herzustellen.
Wer’s mag, mag’s mögen. Auf der Hin- und Rückreise dieses Wochenendes machen wir noch einmal die Probe aufs Exempel:
Und hier die Splitter die am Sonnabend hängen geblieben sind:
– Aussenminister Steinmeier unterbricht seinen Urlaub, um an der Beerdigung der seit langem an Krebs erkrankten Frau Ankepetra Müntefehring teilzunehmen (S.2) während auf Seite 1 getitelt wird: „KRIEG! +++ Russische Luftwaffe bombardiert Georgien […] Außenminister Steinmeier unterbricht seinen Urlaub +++“ [1].
– Dass die Olympischen Spiele erst um 20.08 angefangen habe, hätte daran gelegen, dass die Zahl „8“ im chinesischen ähnlich aussehen wie „reich werden“ und diese Zahl daher als Glückszahl gelte. [2]
– Dass mit dem Förderprogramm des literarischen Kolloquiums Berlin und der Robert-Bosch-Stiftung im Rahmen des „Grenzgänger“-Programms Berliner Autoren bei ihren Recherchen in China unterstützt werden (S.3) [3]
– Dass der – aus eigener Zusammenarbeit persönlich bekannte – Johannes Kresnik sein künstlerisches Archiv der Akademie der Künste übergeben habe (S.6)
Das ganze Geschehen über den Ausbruch des Krieges im Schatten der Olympiade in Peking kann dann nochmals viel ausführlicher und detaillierter in der Süddeutschen nachgelesen werden. Und immer wieder ist zwischen den Zeilen zu lesen, dass die ungeheuere Leistung und Präzision eines nicht militärischen sondern ästhetisch wirkungsvollen Drills den Betrachtern nicht nur Respekt eingeflösst, sondern fast Angst gemacht hat.
Doch dann bleiben die „Bild-„Meldungen aus Berlin länger hängen: es wird Zeit, auch die Skizzen und Ergebnisse der eigenen Arbeit auf den „Prüfstand der Geschichte“ zu legen – und vielleicht kann ja eine zeitlang auch das „DaybyDay“ aus China geschrieben werden: Mit einem Vergleich der Reiseaufzeichnungen aus dem Jahr 1978 und jenen, die über dreissig Jahre danach geschrieben werden könnten.
Und dann, ausgerechnet in der Bild am Sonntag – „Gunter Sachs auf der Jacht ‚Lady Dracula’. Er liest BILD am SONNTAG, wie über elf Millionen andere Deutsche auch“ (S.80) – erscheint auf den Seiten 14 – 16 ein „EXKLUSIV-REPORT“, in dem das KZ-Foto des US-amerikanischen Soldaten Harry Miller nochmals erscheint und einige Köpfe aus diesem mit den Portraits der gleichen Personen aus jüngster Zeit gegenübergestellt werden.
Es ist also ausgerechnet die „BamS“, die mit diesem Coup ein weiteres Highlight setzt bei der Suche nach Beispielen, in denen Eigenportraits aus verschiedenen Lebensepochen sinn-bildlich miteinander in Beziehung gesetzt werden. [4]. Siehe dazu den Eigen-Bericht vom 28. Juni 2008:
Klasse(n) Treffen.