Dieser Abschnitt schliesst sich unmittelbar an an SOS! Werden wir die Digitalisierung überleben? (01), hat aber für das weitere Verständnis des Buches eine noch geringere Bedeutung als der zuvor genannte Abschnitt und könnte noch länger ausfallen... kann also jenen, die jetzt gerne ’zur Sache’ kommen wollen, auch überschlagen und ggf. später als ’bonus track’ nachgeschmökert werden. Andererseits sind im Vorfeld der Entstehung dieses Buches so viele Fragen auch vonseiten Dritter an mich herangetragen worden, dass die wichtigsten daraus generierten Prozesse und Antworten hier zumindest kursorisch dargestellt werden sollen.
So wie im vorangegangenen Abschnitt gleich eingangs danach gefragt wurde, in welcher Art der Leseprozess organisiert und zur Darstellung gebracht wird, stellt sich dem Autor die Frage seit Anbeginn und immer wieder, wie er eigentlich schreibt - und das immer wieder neu. Auch wenn die Zeiten vorbei sind, dass das handschriftliche verfertigen von Texten nicht nur mit großer Fingerfertigkeit verbunden, sondern auch mit einer deutlich spürbaren Freude verbunden war, so bleibt doch festzuhalten, dass keines der Bücher – und das Erste entstand in der Mitte der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts [1] noch per Hand entworfen wurde, sondern auch dieses bereits an der Schreibmaschine. Dabei hatte es sich als hilfreich erwiesen, in frühen Jahren nicht nur eine aus dem Taschengeld für eine gebrauchte Schreibmaschine zu sparen, sondern auch für ein Handbuch, mittels dessen es möglich war, das 10-Finger-Blind- Schreiben in einem autodidaktischen Verfahren zu lernen. Seitdem war – und ist es bis heute – die Tastatur DAS entscheidende und prägende Interface zwischen Mensch und Maschine.
Spätestens mit dem Einbruch der sogenannten Large Language Models und der mittels ihrer Hilfe generierten Schriften setzte sich aber endgültig die Annahme, Haltung, ja, Forderung durch, dass die zukünftige Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine nicht mehr mechanisch, sondern auto-akustisch auszugestalten sein wird. Geprägt war diese Haltung sicherlich durch jahrzehntelange Erfahrungen im Broadcast- und Film-Sektor, von den vielen Stunden vor einem Studio Mikrofon, aber auch aus der Einsicht heraus, dass es aus gesundheitlichen Gründen notwendig werden könnte, auf ein solches System zurückgreifen zu müssen. Deshalb wurden bereits seit den Zehnerjahren dieses Jahrhunderts eine Reihe von Verfahren und Möglichkeiten erprobt, die über das zuvor schon übliche Diktieren von Geschäftsbriefen etc. weit hinausgingen. Dabei wurden auch Systeme eingesetzt, die heute unter dem Markenzeichen „Dragon“ bekannt geworden sind, aber bereits zuvor ein langes eigenständiges Leben in der Forschung und Entwicklung geführt hatten. Als diese Software im letzten Schritt dieser Verwertungskette von Microsoft aufgekauft wurde, war diese Company aber nicht bereit, die bishee übliche Upgrade-Praxis fortzusetzen. Also wurde zunächst so lange auf den teureren Neuerwerb der aktuellsten Version verzichtet, bis es gelang, die seit Langem nicht mehr aktualisierte Version Nummer 14 auf einem brandaktuellen Windows 11 pro Rechner zu installieren und entgegen aller Einschränkungen einwandfrei zum Laufen zu bringen.
Warum diese Vorgeschichte? Weil für die Entwicklung und schriftliche Ausgestaltung dieses Buches infolge dieses Vorgangs von einer jahrzehntelangen Praxis abgewichen wurde. Die Frage war nicht länger, ob die entstehenden Texte auf ein Blatt Papier getippt oder am Rechner elektronisch über eine Tastatur zur Geltung gebracht werden. Beim Verfassen dieser aktuellen Texte wird nunmehr erstmals konsequent die Möglichkeit des Diktierens genutzt. Damit wird der Schreibprozess zwar nicht wesentlich schneller, aber der Duktus dessen, was im Verlauf dieser Formulierungen gesagt wird, ändert sich. Der Vorteil ist, dass auf diese Art und Weise auch größere gedankliche Zusammenhänge erfasst und konsekutiv in Sprache umgesetzt werden können. Der gelegentlich auch in diesen Text bis jetzt immer noch nicht ausgelöschte Nachteil ist eine zu hohe Dichte der Aussagen - oder auch schlicht und einfach die übertriebene Textlänge eines Satzes.
Die Veränderungen, die sich dafür für den Autor ergeben, sind wesentlich prägender und nachhaltiger als für die Leserin / den Leser. Denn sie erleben ja nur diejenige Version des Textes, zu dem sich Autor und Verlag letztendlich entschieden haben. Aber diese Arbeitsweise hat dazu geführt, auch darüber nachzudenken, ob es nicht möglich sei, den hier in Schriftform vorgelegten Text in einem Audioformat getrennt, oder gekoppelt an diese Veröffentlichung, zu Gehör zu bringen. Dieses schließt an die immer wieder neu in Erinnerung gebracht Regel an, dass eine noch so gute Vermittlung von Fachwissen sich vor allem durch das Erzählen geeigneter Geschichten nochmals auf eine andere Qualitätsstufe heben lassen könne.
Dem Autor wiederum ermöglicht dieses Vorgehen, in noch viel weitschweifend Assoziationsketten gedanklich neue Möglichkeiten und Alternativen zu ergründen, aufzuschließen und zur Diskussion zu stellen. Wer auf die Klausureinträge vom Ende des Jahres 2023 zurückschauen will, wird nachvollziehen können, wie umfangreich, ja manchmal auch ausufernd dieser Prozess werden kann [2]. Neben diesem veröffentlichten Teil des Denkprozesses gibt es einen weiteren, der ganz bewusst im sogenannten ’stillen Kämmerchen’ im Rahmen des hier verwendeten Softwarepaketes verbleibt: Und das sind die unterschiedlichen Versionen, die sich während des Schreibprozesses nacheinander ergänzt oder auch wieder voneinander abgelöst haben. Dieses noch in der analogen Welt während des jahrelangen Verbleibs in der Chausseestraße 125 im Brecht Archiv nachverfolgen zu können, ist eine für das ganze Leben bis heute prägende Erfahrung geblieben. Dass auch heute in der digitalen Welt solche Möglichkeiten der Versionsspeicherung angeboten werden, ist kaum bekannt und wird noch weniger genutzt. Als ob wird gar nicht mehr die Erwartung hätten, dass die Geschichte der Textgenese noch von Belang sein könne.
Wobei wir wider erwarten bereits mitten im Thema sind, auch wenn es doch hier zunächst nur um die wenigen technischen Voraussetzungen gehen sollte, die bei der Entstehung dieses Textes von Bedeutung waren oder hätten sein können. Wie sich ein solcher Quellentext von den ersten Entwürfen bis hin zur Druckfassung entwickelt, verändert und verdichtet – dieses mit- oder zumindest nachzuerleben ist eine großes Abenteuer, das heute beim digitalen Schreiben vielen bei der Analyse aktuell generierter Texte verweigert bleiben wird. [3]