SOS! Werden wir die Digitalisierung überleben? (01)

VON Dr. Wolf SiegertZUM Freitag Letzte Bearbeitung: 17. Mai 2024 um 22 Uhr 48 Minutenzum Post-Scriptum

 

... für ein neues Buch:

SOS: Werden wir die Digitalisierung überleben?
Oder: SOS: Wir wollen die Digitalisierung überleben!

Was kommt danach? Über die Zukunft des Analogen.
Oder: Die Zukunft im Analogen zwischen Disruption und Heilsversprechen.

Ein persönlicher Prolog anstatt wissenschaftlicher Propädeutik.

Lesen Sie diesen ersten Satz jetzt auf einem Blatt Papier oder von einem Bildschirm ab? Sind die Buchstaben dieses zweiten Satzes gedruckt, oder erscheinen sie hinter einer Glasscheibe? Und sind sie beim Lesen dieses dritten Satzes immer noch davon überzeugt, auf diese Art und Weise auch weiter fortfahren zu wollen?

War die Entscheidung für ein Buch oder ein Download die ihre? Und wenn sie selbst hätten frei entscheiden können, wäre diese Art der Lektüre jetzt für Sie die "richtige" gewesen?

Was für eine Herausforderung: Sie suchen nach Antworten und werden zunächst einmal mit Fragen konfrontiert. Fragen, die Sie selbst, als Leserin, als Leser, in den Mittelpunkt des Geschehens stellen, und das in einem Moment, in dem Sie selbst ad hoc eingebunden sind.

Gewiss: mit Ihrer Entscheidung diese Seite aufzuschlagen, haben Sie sich dankenswerterweise grundsätzlich bereit erklärt, mir zum ersten Mal zu begegnen und sich auf eine auch für Sie hoffentlich spannende Reise durch die Geschichte und Zukunft der digitalen Welt, ihrer Genese und Zukunft zu machen. Dafür sei ihnen bereits an dieser Stelle gedankt, genauso, wie es im Abspann all jenen geschehen wird, die so tatkräftig an der Entstehung dieses Werkes mitbeteiligt waren.

Am liebsten wäre es mir, wenn Sie auch während der Lektüre immer wieder einhielten und nicht nur sich, sondern auch den Anderen und mir Fragen stellten, die die Qualität dieses Exposés noch weiter entwickeln würden. Dabei sei Ihnen gleich an dieser Stelle versichert, dass wir, also sowohl der Autor als auch der Verlag, dafür Sorge getragen haben, dass dieses auch möglich sein wird.

Wenngleich auch nicht wie in den vergangenen mehr als 20 Jahren, in denen ich tagtäglich auf einer ISSN-zertifizierten online Plattform daybyday.press Artikel und Beiträge eingestellt habe, die zum fortwährenden Dialog Anlass gaben – und zu Lebzeiten immer noch geben werden. Der Zweck dieser im Jahre 2004 aufgenommenen Publikation war es nachzuweisen, dass es möglich und sinnstiftend sein kann, nicht nur in gedruckter Form, sondern ebenso online zu publizieren und die besonderen Möglichkeiten und Chancen dieses Verfahrens möglichst optimal zu nutzen.

Inzwischen sind auch in diesem Verlag eine Reihe weiterer Publikationen bzw. Beiträge zu diesen erschienen, sowohl im Druck als auch in digitaler Form [1]. Und diese hybride Form der Publikation wird sich bis in dieses Werk weiter fortschreiben. Aber nach allen bislang vorliegenden Prognosen wird die Zahl der online Nutzungen jene der Leserinnen und Leser eines Buches übersteigen.

Und damit nicht genug: anstatt in der Printversion nach jedem Abschnitt einen kleinen Apparat mit Anmerkungen, weiterführenden Hinweisen und Quellen einzubinden, gäbe es in der online Version die Möglichkeit einer interaktiven Nutzung und direkten Inanspruchnahme solcher Informationen, sobald das digitale Konvolut „im Netz“ eingebunden ist. Das eröffnet für mich als Autor auf der einen Seite eine ungeheure Breite und Vielfalt an Möglichkeiten, über die reine Textvariante hinaus zusätzliche Informationen – auch in audiovisuellen Formaten – mit einzubinden. Auf der anderen Seite schränkt es die Möglichkeiten der Nutzung immer dann ein, wenn entweder eine solche Anbindung ins Netz - und sei es auch nur zeitweise - nicht möglich ist, nicht gewünscht wird, oder aus technischen Gründen oder bei sogenannten toten Links nicht mehr realisiert wird [2].

Vielleicht ist es Wahnsinn, aber die Konzeption dieses Buches ist methodisch so angelegt, dass seine Wertigkeit von längerer Dauer sein möge als die der nächsten Netzgeneration. Nein, hier wird es nicht darum gehen, dass ein Großvater vom Krieg mit den Lochkartensystemen berichtet und dieser Text wird auch nicht gegen Ende in der Vermessenheit kulminieren, die eine Antwort [3] auf die Frage zu geben, welches nun wirklich die größte Herausforderung nach der Digitalisierung sein wird. Aber der hier in diesem Buch umschriebene und beschriebene Zeitraum ist größer, als dass uns der eine oder andere online nicht mehr bereitstehende Zugang den großen Bogen beim Bau dieser gedanklichen Brücken würde zerstören können. Also ist die Anlage dieser Publikation eher dem Format eines Essays angedient als eines klassischen Fachbuchs oder gar Sachbuchs. Auch dann, wenn es hier im folgenden wahrlich um eine Sache gehen wird, die uns alle noch lange Zeit und mehr als je zuvor beschäftigen wird: Die Frage nämlich, wie wir aus dem Dilemma zwischen der weiter anwachsenden Digitalisierung und dem Vergessen der einst im analogen zu erwerbenden Kompetenzen herauskommen, ihm entkommen können. Ja, vielleicht ist dieses Dilemma auch gar nicht mehr bewusst, da viele von ihnen, von euch, diese Erfahrungen aus der analogen Welt in der noch Lochkarten gestanzt und Magnetbänder eingerichtet wurden, gar nicht mehr bekannt sind.

Es gab Jahre, in denen immer noch zwischen sogenannten "digital immigrants" und "digital natives" unterschieden wurde, eine Prägung und Zuschreibung, die eindeutig von jenen Persönlichkeiten herrührte, die noch in dominant analogen Zeiten aufwuchsen, aber inzwischen zumindest schon gelernt hatten, sich einiger englischer Ausdrücke - und damit der Zukunft (?!) - zu bemächtigen. Dass die Digitalisierung sich längst ihrer bemächtigt und die diesem Prozess innewohnende Herausforderung, ja Überforderung, zu allerlei Verlegenheitslösungen und Fehlschlüssen geführt hatte, sei von hier an dieser Stelle gar nicht mehr weiter herausgestellt, auch wenn wir uns in jenen Jahren zum Teil mit Spott und Häme wie virtuellen Trophäen aus vergangener Zeit bemächtigt hatten.

Hier nur soviel: Als die in der DDR promovierte Physikerin Angela Dorothea Merkel in ihrer Amtszeit als Bundeskanzlerin die Summe dieser neuen Herausforderungen als „Neuland“ zu verbalisieren versuchte, habe ich mich dazu als Antipode als Journalist und Medienmacher, aber eben auch als Historiker und Philosoph, vor und mit meinen Studierenden als "digital resident" tituliert - und dieses in meiner Praxis und Forschung immer wieder erneut umzusetzen versucht. Das führte so weit, dass am Ende eines weiteren USA-Aufenthalts in der sogenannten"D-School" sich an der Universität in Stanford, CA; einige der dort Beschäftigten versammelten, um mir einen für mich neu ins Leben gerufenen Ehrentitel, den des Changineers, vor meiner Rückkehr nach Europa zu verleihen.

Es war nicht meine erste Rückkehr nach Europa, und es hätte mehr als einen Anlass gegeben, doch noch für längere Zeit im Ausland, insbesondere in den USA, zu verweilen [4]. Aber es erschien mir notwendig, hier in Europa mit dafür Sorge zu tragen, dass wir uns nicht nur an den noch so schönen Klischees des American Way of Lifeorientieren, sondern aus eigener Kraft und aus der eigenen Tradition heraus Qualifikationen generieren und Qualitäten zur Verfügung stellen, mit denen wir im internationalen Markt konkurrenzfähig sein würden.

Und dazu gehört auch und immer wieder die Digitalisierung. Hier nur ein einziges Beispiel von vielen, dass der eigenen Praxis geschuldet ist: als es darum ging das erste Interface für die externe Vernetzung von Windows for Workgroups 3:11 Systeme zu entwickeln und zu programmieren, geschah dies, sobald es möglich war, diese auf der Basis der ersten Generation digitaler Telefonleitungen, sprich ISDN, einzurichten. Ich erinnere mich noch gut daran, dass nach den ersten Erfolgen der internationalen Vernetzung solcher Rechnersysteme der Microsoft-Gründer Bill Gates höchstpersönlich in seinen Vorträgen in den USA versuchte, sich als Evangelizer für die Einführung solcher Systemwelten einzusetzen [5].

In jenen Jahren entstand der Code auf dem Bildschirm und die Anwendungsszenarien lagen in Form von Handbüchern vor. Selbst in den späteren Jahren, als gefordert wurde, dass Journalisten endlich auch gelernt haben sollten, programmieren zu können und wir für Hubert Burda [6] das Projekt Zugmieze starteten [7] , waren die Texte immer noch in den meisten Fällen nur in einer Printauflage zu lesen [8]. Ja wir reden hier immer noch über solche Menschen, die sich nach und nach mit den neuen Herausforderungen der Digitalisierung auseinandergesetzt haben und die - und das sei heute ausdrücklich betont und gewürdigt - diese auch gemeistert haben.

Dieses ist die eine Zielgruppe, der dieses Buch gewidmet ist. Aber wie schon angedeutet, reicht es hinten und vorne nicht aus, mit gut platzierten englischen Schlagworten, wirkmächtigen PowerPoint Folien und genial durchzilisierten Excelsheets die Welt – oder sei es auch nur ein Unternehmen – retten zu wollen. Mag sein, dass dieses dann dennoch im Rahmen der einem oder anderen operativen Aufgabe gelungen ist – zumindest was die Unternehmen betrifft – aber auch der Blick auf die eigene durchaus erfolgreiche Praxis soll nicht die Notwendigkeit der Weitergabe jener Erfahrungen verschleiern, die sich erst im Dialog mit Jenen ergaben, für die von vornherein und bis heute das Leben in der digitalen Welt ebenso selbstverständlich war und ist, wie es einst in der analogen war. Und für die dieses Buch geschrieben wurde.

Dabei werden wir später noch einmal genauer in den Blick nehmen, was eigentlich mit diesem Begriff der digitalisierten Welt gemeint und damit gesagt wird. Wir wollen damit dieses Problem nicht zurückstellen, aber wieder engführen mit Bezug auf die ursprünglich gestellten Frage, wer diesen Text in welcher Form zu lesen dabei und bereit sei. Denn nach mehr als einem Jahrzehnt "Design Thinking" Lectures & Wokshops wurde in den vergangenen Jahren immer deutlicher, dass es eigentlich kaum noch möglich ist, den Studierenden zur Vorbereitung eines Kurses die Lektüre eines ganzen Buches anzuempfehlen. Egal, ob als Print oder in einem digitalen Format. Zwar kann auch hier und heute mit Rückblick auf diese Zeit nicht ohne Freude behauptet werden, dass es dann doch gelungen ist, diese jungen Leute aus allen Ländern (nein, nicht mehr "Herrenländer") dazu zu verführen, sich auch mittels extensiver Lektüre mit oft großartigen Examina aus ihren Kursen und Studiengängen zu verabschieden, mehr noch, von Ihnen zu erfahren, wie es ihnen im Nachgang gelungen sei, sich in ein von ihnen selbst gewähltes Arbeitsumfeld erfolgreich und gewinnbringend einzubringen,.. aber dennoch bringt uns all das nicht von der Erkenntnis ab, dass eine traditionelles Lesekompendium, wie in jenen analogen Zeiten eingeübt, heute nicht mehr angemessen realisiert, gewollt oder auch nur beabsichtigt ist. Das bedeutet wie gesagt nicht, dass es dann nicht doch zu einer sehr intensiven Studien- und Forschungstätigkeit kommt, aber es zeigt, dass es nicht gut wäre, ein Buch so zu schreiben, indem diese Annahme zur Voraussetzung gemacht worden wären.

Auch wenn auch dieser schon wieder viel zu lange Text dem widersprechen mag, so ist doch angezeigt, dass bei der Anlage dieses Kompendiums auch andere formale Schritte unternommen werden müssen, damit das Leseerlebnis aus sich selbst heraus immer wieder neue Potenzen bereitstellt, die bei der Lektüre immer wieder erneut Interesse wachrufen.

Daher wird im nächsten Abschnitt zunächst etwas über den Aufbau dieses Buches gesagt werden, auch über den Einsatz der dabei bereitgestellten Mittel und die Möglichkeiten, aber auch über die Herausforderungen, die sich im Verlauf der Lektüre stellen werden. Und dann, dann wird es daran anschließend – endlich – auch um die Inhalte gehen, an deren Vermittlung nunmehr mehr als ein Jahrzehnt der Vorarbeiten investiert wurde. Und die hier dennoch in möglichst knapper und unterhaltender Form vorgetragen werden.

WS.

P.S.

Die "Großvater-erzählt-vom-Krieg"-Metapher wurde hier nicht ohne Selbstironie eingeführt. da es mit diesem Buch eine weitere Hürde eines ’alten weissen Mannes’ zu überwinden gab, über den in der Nacht zum Anbruch dieses neuen Tages der persönlich hochgeschätzte jetzt bei Hanser engagierte Verleger Jo Lendle in der Sendung Fazit vom Deutschlandfunk Kultur im Gespräch mit Andrea Gerk sagte:

[...] Wenn ich es positiv formuliere, gibt es ’ne große, große Neugier auf andere Stimmen. Das erlebe ich in der Verlagswelt. Agenturen haben Schwierigkeiten, sozusagen den normalen, ja, grob gesprochen alternden weißen Autor an Verlage zu bringen [...]

Anmerkungen

[1- "Prologue" Lectures for Digital Residents. Preface to the Handbook of Media and Communication Economics
ed. by: Jan Krone, Tassilo Pellegrini: Handbook on Media Economics , Springer VS Berlin, Heidelberg 2022
Print: ISBN 978-3-658-09559-8, eBook: ISBN 978-3-658-09560-4
 Leibniz, Labs & Leapfrogging. Prolegomena einer Pädagogik in postdigitalen Zeiten
In: M. Friedrichsen, W. Wersig (Hrsg.): Digitale Kompetenz
Herausforderungen für Wissenschaft, Wirtschaft, Gesellschaft und Politik
Springer Gabler, Wiesbaden 2020 S. 249-256
Print: ISBN 978-3-658-22108-9, eBook: ISBN 978-3-658-22109-6
 Lectures for Digital Residents. Zum Geleit des Handbuchs Medienökonomie
In: Krone, Jan; Pellegrini, Tassilo (Hrsg.): Handbuch Medienökonomie
Springer VS, Wiesbaden 2018, S. 1-6,
Print: ISBN 978-3-658-09632-8, Online ISBN 978-3-658-09632-8
 Digitale Souveränität?
In: Friedrichsen, Mike; Bisa, Peter-J. (Hrsg.): Digitale Souveränität. Vertrauen in der Netzwerkgesellschaft , Springer VS, Wiesbaden 2016 S. 359-369
Print: 978-3-658-07348-0 e-Book: ISBN 978-3-658-07349-7

[2Bei allem Komfort, die die eigene Onlinepublikation ermöglicht, gilt es eben festzustellen, dass nach mehr als 20 Jahren die unerbittliche Statistik die Meldung ausweist "Ihr Website enthält ungültige Links (Tot : 4451 / Defekt : 176 / Verschoben : 8031)"

[342

[4Vollkommen ausgeklammert und der englischsprachigen Ausgabe vorbehalten bleiben die Bezüge zu Indonesien, Laos, Kambodia, Malysia, Thailand, Vietnam, vor allem aber die Aufenthalte in Japan, Taiwan, HongKong und in der VR China - inklusive der dort oder über diese Länder entstandenen Publikationen

[5

...und dabei im Umfeld der US-amerikanischen POT (Plain Old Telephonie) - Welt scheitern musste.

[6

[8ich unterbreche an dieser Stelle die Genese dieses Textes, das es an der Bürotür am späten Abend klingelt, weil ein Essensbote seine in diesem Haus offensichtlich verweilen Zielperson nicht findet und nunmehr andere um einen logistischen Ratschlag bittet... mir ist dieses kleine Beispiel ein signifikantes Exempel für die Dichotomie von digitaler und analoger Welt: alles wird digital eingefädelt um letztlich dann doch mit einem warmen Essen hinter der Haustür wieder in ein konkretes Erlebnis von Zeit und Raum, von Appetit und dessen Finanzierung wieder im Analogen zu landen.


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