Geburtstag vor 125 Jahren und Feiertag 2023

VON Dr. Wolf SiegertZUM Freitag Letzte Bearbeitung: 28. Februar 2023 um 00 Uhr 09 Minuten

 

Heute gibt es gleich zwei Geburtstage zu feiern.

Einer ist real, privat, wurde mit einer virtuellen Frühstücksgabe eingeleitet und am Abend mit einem Restaurantbesuch im Munch’s Hus Berlin festlich gefeiert:

© Sebastian Greuner

Der andere ist öffentlicher Natur, auch wenn die Begegnungen mit jenem Manne, um den es geht, schon weit bis in das Private hineingereicht haben: Bis hin zu einem mehrjährigen Aufenthalt in der Chausseestrasse 125 und in dessen Nachbarschaft [1]:

© Eku Wand

Das hier sind einige der aktuellen Neuerscheinungen aus Anlass dieses Geburtstags des Letzteren: [2]

 Bertolt Brecht: „Unsere Hoffnung heute ist die Krise. Interviews 1926-1956“, Hrsg. Noah Willumsen, Suhrkamp Verlag 2023
 Christian Hippe (Hrsg.): „Brecht und das Theater der Interventionen“, Verbrecher Verlag 2023
 Frank Strehlow (Hrsg.): „Brecht und Klasse und Traum“, Verbrecher Verlag 2023

Sie wurden am Vormittag dieses Tages besprochen in der Sendung "Lesart" im Deutschlandfunk unter dem Titel: Brecht wird 125. Neue Bücher zum Jubiläum. Der Rezensent war Nils Schniederjann, die Moderatorin des Sendung war Andrea Gerk.

In diesem Beitrag ist auch ein Ausschnitt aus einem Deutschlandradio-Interview von vor knapp 70 Jahren zu hören:

Brecht wird 125. Neue Bücher zum Jubiläum

Nils Schniederjann hat aus Anlass dieses Tages in seinem Dfl-Kultur-Online-Beitrag noch sehr viel weiter ausgeholt:
Das umkämpfte Erbe des kommunistischen Dramatikers.

Im Kontext seiner Rückkehr nach Europa - zunächst in die Schweiz - schreibt er

[...] verließ die USA schließlich am 31. Oktober 1947
[...] In der Schweiz testete er zunächst, wie im Nachkriegseuropa sein episches Theater ankam. [...]

An ebendiesem (Zeit-)Punkt setzen eigenen Arbeiten an - in denen es um das letzte grosse Exildrama ging, das in der Schweiz fertiggestellt wurde und dann aber zunächst nicht als Morgengabe in der DDR zur Aufführung kam - von denen hier kursorisch nur diese hier genannt werden sollen:

Die Furcht vor der Kommune.
Frankfurt a.M./Bern/Nancy/New York: Peter Lang 1983
(Europäische Hochschulschriften Reihe 1, Band 590)

Brechts "Tage der Commune".
Herausgegeben von Wolf Siegert.
Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1983
(suhrkamp taschenbuch materialien Band 2031)

"Die Tage der Commune" in Japan.
Ein Gespräch (mit Tatsuji Iwabuchi).
in: notate, 4 (1982), 9-11.

Und später schreibt er:

Wie Karl Marx in seiner „Kritik der politischen Ökonomie“ die realen Vorgänge hinter dem Schein hervortreten lassen wollte, so wollte auch Brecht die Welt nicht bloß realistisch auf der Bühne abbilden.

Die in diesem Zusammenhang vorbereitete Habilitation kann an dieser Stelle nicht zitiert [3], sondern nur erwähnt werden, da sie nie veröffentlicht werden konnte. Darin wird das Werk in Bezug gesetzt auf Brechts 1943 in Zürich uraufgeführten guten Menschen von Sezuan und gezeigt, dass dieses Theaterstück dieses Grundlagenwerk von Marx als direkte Spielvorlage nutzt und verwertet.

Und insoweit ist dann dem Autor wieder zuzustimmen, wenn er danach schreibt:

Stattdessen sollten Zusammenhänge, Strukturen und Gründe in seinen Stücken in den Vordergrund treten. Er wollte, dass sein Publikum die „Vorgänge hinter den Vorgängen“ erkennt, wie er es einmal formulierte.

Am Tag zuvor berichtet auf dem gleichen Sendeplatz Andi Hörmann über sein Bier mit Brecht im Old Rock Café in Augsburg. Im Untertitel der Veranstaltung steht: "Brecht stinkt". Und das zu Recht, wie dieser Beitrag mit Bezug auf ein Zitat von Brechts erster Frau, mit Namen Zoff, belegt: "Brecht wäscht sich nicht, der wäscht sich einfach nicht." (Stefan Leibold).

Bier mit Brecht - Vorglühen zum Brecht-Geburtstag in Augsburg

Sollte es gelingen, noch das Jahr 2026 zu erleben, so gilt, um noch einmal Schniederjann zu zitieren:

In drei Jahren, 70 Jahre nach Brechts Tod, verfallen die Rechte an seinem Werk.

Anmerkungen

[1Hier mit dem versorbenen Freund und Lehrer George Tabori

[2Es gibt weitere, wie u.a. diese hier:
 Unda Hörner: „Brecht und die Frauen“, ebersbach & simon 2023
In diesem Zusammenhang sei an den Beitrag vom 6. Mai 2022 "Die Berlau, Brecht ... und wir" erinnert.
[...]

[3Angesprochen wurde dieser Bezug erstmals - auch in chinesischer Übersetzung - in dem Aufsatz:
Brecht und Sezuan.Der "Gute Mensch" als west-östliche Herausforderung. In: Deutsche Studien, 18 Tamsui (1984), 44-55


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