Die A- B- und C-Positionen

VON Dr. Wolf SiegertZUM Montag Letzte Bearbeitung: 28. April 2020 um 01 Uhr 02 Minuten

 

Nachdem in vorangegangenen Beiträgen sowohl
A: Dr. Merkel als auch
B: Dr. Steinmeier zu Wort gekommen sind, hier nun auch
C: Dr. Wolfgang Schäuble,
und zwar in einem Interview, das er der Berliner Zeitung Tagesspiegel gegeben hat: Veröffentlicht in der Ausgabe vom 26. April 2020 unter der Überschrift:
Bundestagspräsident zur Corona-Krise
Schäuble will dem Schutz des Lebens nicht alles unterordnen

Darin besonders erwähnenswert ist nicht nur dieses Statement:

sondern auch der Verweis auf den Philosophen Alexis de Tocqueville und dessen Schrift Über die Demokratie in Amerika [1], aus der er die Erkenntnis zitiert:

Die kritische Phase kommt immer dann, wenn man den Druck ein bisschen lockert.
Der Weg hinaus wird viel schwieriger als der schnelle Weg am Anfang der Krise, als noch alle dafür waren, kräftig durchzugreifen.

Und hier der oben verkürzt wiedergegebenen Satz nochmals in voller Länge:

Aber wenn ich höre, alles andere habe vor dem Schutz von Leben zurückzutreten, dann muss ich sagen: Das ist in dieser Absolutheit nicht richtig. Grundrechte beschränken sich gegenseitig. Wenn es überhaupt einen absoluten Wert in unserem Grundgesetz gibt, dann ist das die Würde des Menschen. Die ist unantastbar. Aber sie schließt nicht aus, dass wir sterben müssen.

Aus persönlich nachvollziehbarer Sicht ist aber dieses nachfolgende Zitat von mindestens ebenso grosser Bedeutung, wo es heisst:

Sehen Sie: Mit allen Vorbelastungen und bei meinem Alter bin ich Hochrisikogruppe. Meine Angst ist aber begrenzt. Wir sterben alle. Und ich finde, Jüngere haben eigentlich ein viel größeres Risiko als ich. Mein natürliches Lebensende ist nämlich ein bisschen näher.

Solch eine Position macht Mut.
Und solch perspektivisches Denken auch:

Man spürt jedoch im Moment ein verbreitetes Gefühl, wir könnten jedes Problem mit unbegrenzten staatlichen Mitteln lösen, und die Wirtschaft kriegen wir hinterher wieder mit einem Konjunkturprogramm in Gang.
Der Staat kann aber nicht auf Dauer den Umsatz ersetzen. Wir werden mit den klassischen Mitteln umso weniger anfangen können, je länger die Krise dauert. Wir werden strukturelle Veränderungen von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik erleben. Ich hoffe, dass wir das als Chance nutzen, um manche Übertreibungen besser zu bekämpfen. [...]
Noch immer ist nicht nur die Pandemie das größte Problem, sondern der Klimawandel, der Verlust an Artenvielfalt, all die Schäden, die wir Menschen und vor allem wir Europäer durch Übermaß der Natur antun. [...]
Über die letzten Jahrzehnte ist der Abstand zwischen den gut Verdienenden und den Menschen mit kleinen Löhnen größer geworden. Warum sollte das bei steigendem Wohlstand eigentlich unvermeidlich sein? Warum kann man das nicht anders machen?

Und dann das:

Nicht mehr mit anderen Menschen zusammenzukommen - das ist schwer. Sogar die Bundestagsabgeordneten haben plötzlich fast Sehnsucht nach Plenarsitzungen. Im Saal sind sie so präsent wie selten, natürlich mit dem gebotenen Abstand.

"... eins ist sicher", um damit Frau Dr. Merkels geschätzten nun verstorbenen CDU-Kollegen zu zitieren: Mit dieser "Sehnsucht" nach einem persönlichen Austausch spricht er auch vielen Menschen aus der Seele, die keine ParlamentarierInnen sind.

WS.

Anmerkungen

[1Abstract:

Wegen der durch die Gleichheit hervorgerufenen Isolation der Menschen kommt ihnen niemand zu Hilfe, wenn sie unterdrückt werden. Es bleibt ihnen dann nur der Appell an die Öffentlichkeit, nämlich mithilfe der Presse. Daher ist die Pressefreiheit in der Demokratie ein kostbares Gut.


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