Wie es weitergeht...
Es ist schon Mittag, bevor es heute möglich wird, sich wieder einzuklinken. Und zwar zunächst nur via Screen, via Live-Feed.
Aber es ist offensichtlich eine gute Zeit. Nachdem der Snowden-Archiv-Workshop bereits um 11 Uhr gestartet ist, geht es um 12 Uhr im Theatersaal mit diesem Thema weiter:
The Persistence of the Lab
moderated by Jussi Parikka
with:
John Beck | Ryan Bishop | Lori Emerson | Jussi Parikka
All das, was in der "Anmod" schon angesprochen worden ist [1], wird hier nun in aller Ausführlichkeit und mit einer hohen Detaildichte erklärt. Es wird dabei auch historisch abgeleitet, wie sich die aktuellen Phänomene - zum Beispiel "VR" - in ihrer Bedeutung erklären lassen. Es gibt Rekurse, die bis auf DADA und den FLUXUS zurückgreifen. Sehr interessant - und doch mit wenig Aussagekraft in Bezug auf die Frage, wie wir heute mit den aktuellen Anforderungen und Angeboten umgehen sollten.
Und - das sei ganz subjektiv hinzugefügt - es gibt eine zunehmende Verunsicherung gegenüber der Frage, warum all diese Bezüge auf die Entwicklungen in der anglosaxonen, vor allem aber der US-amerikanischen Welt hier bei uns zur Diskussion gestellt werden [2] ?
Die - bislang noch vorläufige - Antwort auf diese Beobachtung ist die Vermutung, dass Veranstaltungen wie diese gute "Fluchtburgen" darstellen, in denen die Befindlichkeiten aus jenen Ländern nochmals ausgebreitet und fair und frei diskutiert werden können - was ja auch schon ein Wert an sich ist, der nicht kleingeredet werden sollte.
After the Sharing Economy
Welche Freude, im Gegensatz dazu QUISHARE zuzuhören. Hier geht es um das Thema der Wertschöpfung. Und die Frage, ob diejenigen, die den Wert herstellen, auch davon profitieren können. Die Beispiele wie TaskRabbit oder tripper oder Backfeed oder Slack zeigen, dass sich neue Abhängigkeiten ergeben, die den angenommenen Vorteil wieder zunichte machen (können):
Oder dem Vertreter zuzuhören, der sich der CYBERPUNK-Bewegung zurechnet. Es geht um seine Lebenserfahrungen, die Kapitalismuskritik (ecocide, monopoly corruption) und die Möglichkeit, damit überzeugen zu können. Das darüber hinausgehen Problem: selbst wenn man sich den neuen Modellen zuwenden würde, bis hin zu einem Grundeinkommen für Alle, wird man damit nicht die gesellschaftlichen Verhältnisse aus den Angeln heben, auch in den Zeiten einer postindustriellen Phase.
Der Typ von d-cent berichtet von einem EU-geförderten Projekt fragt da nach, was die Qualität von Vertrauen ausmacht. Es geht um die Idee, nicht mit Blockchain zu beginnen, sondern mit einer Freecoin-Idee. Und Entropical.org.
Interessanter Weise beziehen sich alle auf das Blockchain-Konzept. Die Idee, die dahinter steht, ist die von "public trust": a plattform cooperative without a plattform. Auch das EquityCrowdFunding basiert auf dieser Idee.
Im Gegensatz zu Airbnb und zu UBER können die sharing-plattforms nicht einfach ein Konto schliessen. Mit der Blockchain-Technologie können andere Konzepte umgesetzt werden. Nach dem Konzept der DATAbasis und der NETworks werden diese jetzt mit dem BLOCKchain-Ansatz verbunden.
Ein US-Journalist fragt am Ende der Veranstaltung: "What is the plan?" und beschreibt vorab die Situation, so wie es sie in "seiner" Stadt San Francisco erlebt: Und die Antwort vom Panel ist die, dass es keinen Plan gäbe, aber eine "Postdemokratische Bewegung", weil man kein Vertrauen mehr auf den Staat und seine Organe haben könne, deren Exekutive sich jegliches Recht herausnehmen würde, auch zu töten, ohne dass zuvor über diesen Fall Recht und Gesetz entschieden hätten.
Bei aller in diesen Zeilen geäusserten Skepsis und Zurückhaltung gegenüber dem bisher während dieser Tage Erlebten und dem hier Gehörten, macht diese hier wiedergegebene Schlussdiskussion das Dilemma - und seine inter-nationale Dimension - deutlich:
Inner Security [3]
moderated by Theresa Züger
with: Martin Hartmann, Sophie Hoyle, Stefan Schumacher, Theresa Züger [4]
Es geht - erneut - um die gleichen Fragen: Was ist Sicherheit - as a social construct - was ist Vertrauen? Es geht um die Frage des Überlebens, um die Frage nach der Gültigkeit des social contracts, um die Frage nach der technologischen Zuverlässigkeit. Kann Transparency die Idee von Trust ersetzen? Wie steht es mit der Idee von privacy und von distrust? Die Antwort: "You should never grant total power to anybody."
Im Nachgang zu all diesen Gesprächen wird es immer deutlicher, wie wenig deutlich die Strukturen der aktuellen erlebten Um-Welt noch erkannt, geschweige denn gedeutet werden können.
Ganz im Gegensatz zu der zuvor vorgetragenen Skepsis über all diese hochqualifizierten [5] und doch zum Teil geradezu hilfesuchenden Dialoge muss an dieser Stelle auch gesagt werden, dass diese offene Diskussion über das eigentlich Unsagbare schon ihren eigenen - morbiden? - Reiz auszulösen vermag.
Am Schluss des zuletzt benannten Gesprächs zum Thema der sogenannten "inneren" Sicherheit wird sogar gesagt, dass es vielleicht sogar ganz gut sei, wenn der Arbeitgeber nicht zu viel Vertrauen in seine Angestellten habe, dass sie schon all die ihnen übertragenen Aufgaben lösen würden, und dass es die Sache vereinfachen würde, wenn die Angestellten ihm vertrauen könn(t)en, dass er die Probleme letztendlich selber lösen werde...
Allein, dass "so was" laut gedacht wird, zeigt, wie desolat die Situation offensichtlich ist: Ein hochqualifiziertes, hochmotiviertes Publikum redet sich selber in eine Art von "mental wallet garden" hinein, aus dem heraus es kein Entkommen mehr zu geben scheint.
Dieser Zustand erinnert - um ein wenig auf die Geschichte dieses Festivals zurückzublicken - an jene Zeit(en), als es klar wurde, dass auch mit der Videokamera und einem Portapak allein noch nicht die Regelwerke von Kommunikationshierarchien auf Dauer zerstört werden können.
Heute ist die neue Freiheit, die wir uns mit dem und durch das Internet versprochen haben, mehr als nur in Frage gestellt. Und das, indem und während wir uns dieser Freiheiten bedienen (sic!).
Das ist das geradezu Perverse an der Situation, die offensichtlich für viele der Anwesenden immer weniger durchschaubar zu sein scheint: Der Umstand, dass wir uns dieser neuen Freiheiten bedienen - weltweit zu kommunizieren, Informationen und Dienste free-of-charge nutzen zu können, u.v.a.m. - ver-führt uns zugleich in einen neuen Kontext von Abhängigkeiten, deren Aus-Wirkungen wir allenfalls gelegentlich spüren, aber in die wir noch nicht wirklich ein Ein-Sehen haben. [6]
Auf der Seite mit den - guten - Press Images, ist nochmals zur Darstellung gebracht, wie dieses Festival sich neu erfinden will, in dem gesagt wird:
transmediale reboots itself with a new performative and participatory format for its 29th edition. With the name Conversation Piece, the event creates an intensive space of exchanges, murmurs, and transitions, with dialogues initiated before the event and continued afterwards.
Dieses "sich neu Erfinden wollen" bezieht aber sogleich auch die Assoziation des "sich neu finden müssens" auf sich.
Es ist daher vielleicht ganz gut, dass im nächsten Jahr nochmals auf die dann mehr als 30jährige Geschichte dieses Festes Rückschau gehalten werden kann. [7] Ohne Nostalgie, aber mit einer ambitionieren wissenschaftlichen wie künstlerischen Akrebie, wie sie uns am letzten Abend des letzten Tages von der ganze Crew rund um Siegfried Zielinski exemplarisch vor Augen geführt werden wird.