Hier zwei Hinweise auf zwei Veranstaltungen in Berlin, in denen heute darüber gesprochen wurde, welche Folgen die Digitalisierung für die Politik und in der von ihr verantworteten Praxis hat:
I
#DigiKon15 – Die digitale Gesellschaft
Der Digital-Kongress der Friedrich-Ebert-Stiftung, 24./25. November 2015 in Berlin
Sehr geehrter Herr Dr. Siegert,
Wie wollen wir arbeiten? Wie wollen wir entscheiden? Wie wollen wir gestalten? Im Zuge der Digitalisierung unserer Gesellschaft müssen neue Antworten auf diese Fragen gefunden werden. Auf dem großen Digital-Kongress der Friedrich-Ebert-Stiftung am 24. /25. November in Berlin wollen wir diskutieren, welche Chancen und Herausforderungen die Digitalisierung für eine moderne und gerechte Gesellschaft darstellt und wie sie demokratisch für gesamtgesellschaftlichen Fortschritt gestaltet werden kann.
Die Veranstaltung konnte gestern ab 13:30 und kann heute ab 9:00 Uhr per Livestream verfolgt werden.
Hier drei Interviews von Louis Klamroth vom Vortag mit:
– TeilnehmerInnen des Kongresses
– der Parlamentarischen Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Brigitte Zypries,
– Arbeitsministerin Andrea Nahles
Und hier der Link zum Livestream vom sogenannten Impulsforum "Kultur digital ?!" mit einführenden Anmerkungen von
– Prof. Tim Renner, Staatssekretär für kulturelle Angelegenheiten des Landes Berlin,
die an dieser Stelle nachgehört werden können [1]:
Das alles war gestern: für heute wurde ausgewählt:
9:00 Uhr
Politik im "Neuland"
– Herr Matthias Machnig, Staatssekretär, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie:
Seine Position: Das Thema der Vorratsspeicherung oder das Thema der Datensicherheit holt niemanden an die Wahlurne. Wir haben heute eine zunehmende Segmentierung der Bevölkerung, und das Internet ist ein Teil davon. Und so haben wir heute einen dramatischen Verlust der Wahlbeteiligung.
Seine These: "Die Frage des Kanals ist zweitrangig". Es geht nicht nur um das Netz und den Umfang seiner Nutzung, sondern um die Frage: "Was habe ich zu sagen."
– Frau Valentina Kerst, D64:
JA: Es bedarf einer "digitalen DNA" in der Politik. Nein: Das Internet ist noch nicht wahlentscheidend. Das Vermengen der Themen macht die Sache nicht einfacher. In den sozialen Netzwerken werden - nach wie vor - die eigenen Peergroups miteinander kommunizieren: es geht um die gegenseitige Motivation der eigenen Leute.
– Herr Markus Beckedahl, Gründer und Chefredakteur von Netzpolitik.org
Was ist ein wahlentscheidendes Thema? Das Internet ist es noch nicht. Aber es ist ein Zukunftsthema. Seit dem IT-Gipfel sei plötzlich vom "Datenreichtum" die Rede. Die Zivilgesellschaft aber ist dort nach wie vor nicht vertreten. Stattdessen sei die Vorratsdatenspeicherung wieder eingeführt worden.
"Kann man Snapchat nutzen, um die Tagesschau zu erklären?" fragt er und erklärt für sich selber: ich sehe nicht den Mehrwert von 80% aller Eilmeldungen... und habe sie daher inzwischen abgeschaltet.
– Herr Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz
Als Verbraucherschützer (VZBV) - in seinem vorherigen Leben - habe er die Politiker direkt über Twitter angesprochen. _ "Mit dem Internet hat die Vertreibung aus dem Paradies stattgefunden". Das Internet ist nicht nur ein zusätzlicher Kommunikationskanal, sondern es hat uns verändert. Selbst die Idee "Nutzen statt nur besitzen" wird heute erstmals über das Netz organisiert. Aber das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist im Netz nicht gewahrt. "Privatheit", "Sicherheit" und die Frage nach dem "fairen Deal" sind heute neu zu verhandeln.
10:30 Uhr
– Philipp Otto, iRights, moderiert von Andreas Frost: Öffentlichkeit und Privatheit in Zeiten der Digitalisierung
"Privat ist hier - mit dem Livestream - nichts mehr." Zuhause ist: "privat", die Strasse ist: "öffentlich". Alleine ist: "privat", mit vielen Leuten zusammen zu sein ist: "öffentlich". Aber wie ist es im Netz? Lösen sich dort die Kategorien des "Sphärenmodells" auf?
Es geht hier um gesellschaftliche und politische Machtfragen, um sehr komplexe Fragen.
Das Projekt: "Braucht Deutschland einen digitalen Codex?" fragt nach neuen Regelungen, ohne auf den Gesetzgeber zurückgreifen zu müssen. Weil er zu langsam ist - "das darf er auch sein" - weil er in diesem Bereich keine Kompetenz hat, weil er technisch nicht hinterher kommt.
Wo und wie kann man aktuelle Fragen in einer hohen Kompetenz und ad hoc besprechen und regeln?
Diese Thesen werden von ihm zur Diskussion gestellt:
— Wir brauchen eine öffentlich-rechtliche Internet-Infrastruktur, um überhaupt geschützte private Kommunikation zu ermöglichen, die nicht komplett und kontinuierlich gespeichert wird
— Wir brauchen bei allen Anbietern eine privacy by design - Einstellung, die es auf Knopfdruck ermöglicht, anonym und und verschlüsselt kommunizieren zu können
— Im Internet gibt es keine Privatheit mehr. Alles ist öffentlich.
— Das Netz braucht öffentliche Räume in denen keine AGB’s und Regelungen von privaten Anbietern gelten.
— Wir brauchen - vergleichbar mit dem Bankengeheimnis - auch ein "Internetgeheimnis", das wir rechtlich einklagen können!
— Schadensersatz und Strafe für Anbieter bei Datenlecks!
Hier das Ganze nochmals zum Nachhören:
Die Abschluss-These: "Das Internet gehört in Deutschland zur Daseinsvorsorge."
11:30
Neue Öffentlichkeiten ... fällt aus.
stattdessen werden für diese Seite aufgezeichnet: Der Impulsvortrag von
– Vanessa Wormer, Datenjournalistin Vierte Gewalt reloaded: Wie Daten und Code Journalismus verändern
Auch die beide nachfolgenden noch herausgesuchten Beiträgen können an dieser Stelle nicht mehr weiter ausgeführt werden. So dass es nicht möglich ist, eine Gesamteinschätzung dieser Diskussionen hier abgeben zu können.
13:50
Kultur in der Digitalisierung – Zugang und Teilhabe für alle?
16:15
Was bleibt, was kommt – ein Ausblick [2].
Was aber bleibt ist ein schaler Geschmack, zumal beim Rückblick auf die "Neuland"-Diskussion. Es hat nämlich den Anschein - oder vielleicht lag es auch "nur" an den Fragen - dass eben so gerne wie letztendlich unverbindlich über die Folgen des Internets diskutiert wird wie seinerzeit über die DER Eisenbahn oder DES Telefons.
II
Wem das Alles noch nicht reichte, oder wer sich lieber eine andere Form und vielleicht auch eine andere politische Ausrichtung wünscht, kann dann (anschliessend) am Abend ins Microsoft-Atrium, Unter den Linden 17, kommen:
Die Digitalisierung hat die CDU zur Schlüsselfrage für Deutschlands Zukunft erklärt. Mit dem Schlagwort Industrie 4.0 sei es nicht getan, betonte die Bundeskanzlerin und CDU-Parteivorsitzende Angela Merkel kürzlich. Notwendig sei daneben unter anderem ein neues, positives Verständnis von Daten und deren Nutzen. Längst ist der mit der Digitalisierung verbundene gesellschaftspolitische Umbruch somit als übergreifende Herausforderung abseits einzelner Gesetzgebungsvorhaben erkannt. Doch die Asyl- und Flüchtlingsfrage und die weiter bestehende Eurokrise binden viele Ressourcen. Was ist der politische Plan? In welche Richtung geht die CDU in diesen unruhigen Zeiten insgesamt? Diesen und weiteren Fragen stellt sich Armin Laschet im Gespräch mit Dr. Wolfram Weimer. Armin Laschet, geb. 1961, ist Vorsitzender der CDU Nordrhein-Westfalen, als CDU-Landtagsfraktionsvorsitzender Oppositionsführer im Landtag Nordrhein-Westfalen und stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU.
HIER geht’s zur Anmeldung.
Wolfram Weimer (WW)... fängt mal mit dem Privaten bei Armin Laschet (AL) an - und das ganz ohne Moderationskarten. "Mich interessiert zunächst das Private an der politischen Figur Laschet", sagt er, hält diese Richtung aber selber nicht durch.
Alsbald geht es um die Rolle der CDU und ihre Veränderungen, es geht um ihre Rolle in dem politischen Entscheidungsprozess, es geht um seine Rolle und um diverse Rollenzuweisungen als "Vize", es geht um Einschätzungen zur Flüchtlingsfrage, zur Frage des Grenzschutzes und der Abschaffung der Binnengrenzen, es geht über die Rolle der AFD und die Entwicklung der anderen Parteien, um TTIPP, über die Deutsch-Amerikanischen Beziehungen, ...
AL: Die Rheinländer, so sagt er über sich selbst, sind eigentlich Maas-Länder. In der Jugend sei er eher noch mehr konservativ gewesen. Begeistert habe er für FJS Wahlkampf gemacht. Und sei heute eher weniger konservativ als damals.
"Viele Antworten liegen nicht mehr im Nationalstaat, sondern in Europa".
"Die Diskussion um die Kernenergie würde ich nicht als ein Links-Rechts-Frage betrachten"
"Ich war schon in der Politik, als die Merkel noch gar nicht da war." "Heute kann ich im persönlichen Gespräch offen mit ihr sprechen."
"Die Ungarn-Entscheidung war die richtige Entscheidung. Und jeder Bundeskanzler hätte so entschieden."
Merkel eine Strategin? "Nein weniger als die meisten vor ihr."
"... Entschuldigung: Sie können auch in Frankreich einmarschieren, äh...."
"Man kann mit denen von Pegida derzeit nicht koalieren - aber sie bewegen sich immer noch in einem demokratischen Spektrum, im Gegensatz zur Linkspartei, die immer noch vom Verfassungsschutz beobachtet wird."
"Die Amerikaner wollen TTIP um in ihrem Lande europäische Standards herbeiführen zu wollen"
"Nein, auch die NSA-Frage ist nicht wirklich ein Problem für uns"
"Wir brauchen kein Deutsches Google - unsere wirklichen Stärken liegen im industriellen Sektor".
... und nachdem all dieses gesagt und aufgezeichnet wurde, ist bereits eine gute halbe Stunde des Gesprächs vergangen, doch das Thema dieses Abends: DIGITALES DEUTSCHLAND - SCHLÜSSELFRAGE FÜR DEUTSCHLANDS ZUKUNFT ist noch in keiner Frage und noch nicht einmal in einem Neben-Satz zur Sprache gekommen.
Unglaublich - aber wahr: Während dieser Text entsteht ist eine weitere Viertelstunde vergangen.
Nun geht es um die Frage nach der Obergrenze für die Einreise von Flüchtlingen... Sorry Folks, aber dieses ist spätestens der Moment, die Gelbe Karte zu zeigen! Es ist schön, sogar über Alemannia Aachen zu reden, aber was hilft selbst das, wenn es auch so nicht gelingt, damit dem angekündigten Thema endlich näher zu kommen?
JETZT ist mehr als eine Stunde vergangen... und so ganz langsam ... bewegt sich das Thema auf die Frage zu, die in der Überschrift gestellt wurde.
Und als es endlich soweit ist, dass es etwas zum Aufschreiben gäbe, eben dann geschieht das Unglaubliche: Die Instabilität des Netze hier in der Microsoft-Vertretung führt dazu, dass all das, was nach diesem Moment noch eingetragen wurde, im Nirvana verschwindet, da es sich nicht in die Cloud hat transferieren und dort sichern lassen [3]
... gut, mag man unken: Da eh’ kaum etwas zu diesem Kern-Thema der Digitalisierung gesagt worden sein, geschweige denn, etwas von Bedeutung, sei es letztendlich eh’ egal, was sonst noch gesagt worden sei, und dass es von daher nicht wirklich ein Verlust sei, dass die gelöschten Absätze noch von Wichtigkeit gewesen wären.
Bei bei allem Unmut wäre es durchaus die Aufgabe gewesen, das ganze Bild dieses Abends mit all seinen Strichen und Farben nachzuzeichnen.
Als es aber um die Öffnung des Gesprächs zum Publikum hin ging, stellt sich heraus, dass das hier angesprochene Problem aus Sicht der Anwesenden so kaum kritisiert wird. Die Fragen, die gestellt werden, richten sich vielmehr erneut auf Themen wie die Flüchtlingskrise, oder den Folgen des Anschlages in Paris. Erst die dritte und dann auch schon letzte Frage zielt auf die Finanzierung der Start-ups, die über die Seed-Phase hinaus sind.
C’est tout: Denn dann übernimmt der Moderator wieder das Zepter und fragt nach dem Kommunikationsverhalten und wie er es denn mit der Kanzlerin halte. LA: Ja. er würde auch die SMS nutzen, offen als auch vertraulich.
Das wars. War’s das?
Eigentlich ist es gar nicht klar, ob sich jetzt AL dem eigentlich gestellten Thema verweigert oder der Moderator das Thema nicht in den Mittelpunkt gestellt hat: Wäre das Protokoll dieses Gesprächs als Klassenarbeit eingereicht worden, wäre es mit dem Satz zurückgegeben worden: "Thema verfehlt".
Was ebenso dramatischer an diesem Gespräch war, dass offensichtlich für keinen der beiden Protagonisten das Thema so unter den Nägeln gebrannt hätte, so dass sie sich von sich aus motiviert gesehen hätten, darüber intensiver, weiter- und tiefergehend zu reden.
Ein Armutszeugnis? Eine Bankrotterklärung? Auch wenn wir all dieses hier Erlebte entdramatisieren und Nichts so heiss rezensieren würden, wie es "gekocht" wurde: festzuhalten bleibt, dass das "DIGITALE DEUTSCHLAND", von dem an diesem Abend die Rede hätte sein sollen, im Bewusstsein der Anwesenden vielleicht als real existierender Pragmatismus existieren mag, nicht aber als Herausforderung eines Zeitalters, das mit einer kompletten Umwälzung der Verhältnisse enden wird.
In Abwandlung des Titels müsste es jetzt eigentlich heissen:
"DigiTal - oder die Mühen der rheinischen Tiefebene".
Dazu dann noch das Schlusswort von Armin Laschet:
"2018 komme ich in neuer Funktion wieder hierher!"
Na dann ein herzliches Willkommen Herr Ministerpräsident in spe. Man sieht sieht sich immer zweimal im Leben - auch hier, in Berlin.