MUC: Medien im Doppelpack

VON Dr. Wolf SiegertZUM Mittwoch Letzte Bearbeitung: 4. März 2013 um 11 Uhr 27 Minuten

 

Heute hat das 22. Symposium der Deutschen TV-Plattform in München in den Räumen des Bayerischen Rundfunks stattgefunden. Es stand unter dem Titel:
"Wie viel TV verträgt das Internet?" [1]

Audiovisuelle Angebote werden in immer größerer Zahl im Netz abgerufen. Live-Streams, On-Demand-Services und Zusatzinhalte werden zukünftig nicht mehr nur auf dem PC, sondern zunehmend – in teilweise besserer Qualität und damit auch mit höheren Datenraten – auf TV-Geräten dargestellt. Dabei stellen sich Fragen wie:
• Wie funktioniert die Verteilung solcher Inhalte über das Internet?
• Welche Angebote nutzen dieses Verteilmedium?
• Gibt es Grenzen der Expansion?

Und das geschah:

Zu Beginn wird ein Trailer vorgestellt, der solide gemacht ist, aber dennoch keinen Applaus verdient zu haben scheint.

Session 1: Struktur des Internets und technische Verteilung
von audiovisuellen Inhalten

10:30 Begrüßung
— Gerhard Schaas, Vorsitzender des Vorstands,
Deutsche TV-Plattform

Nach dem Video werden nochmals die Aufgaben der Plattform benannt: Neue Themen der TV-Welt sollen vorgestellt und diskutiert werden.
Es werden die Gäste begrüsst, die MitarbeiterInnen bedankt.
Weitere inhaltliche Aussage gibt es nicht.
Es wird mitgeteilt, dass alle Beiträge dieser Tagung im Nachhinein auch im Netz abgerufen werden können. [2]

10:40 Grußwort
— Siegfried Schneider, Präsident der Bayerischen
Landeszentrale für Neue Medien

Video On Demand und andere nichtlineare Angebote würden immer mehr genutzt. Ende des Jahrzehnts solle die Hälfte aller TV-Angebote auf diesem Wege verbreitet werden, so die Prognose.

Google-TV, Apple-TV, YouTube, ... mit den hohen Übertragungsgeschwindigkeiten würden diese Angebote zu einem neuen Standard. Es gäbe eine "Entgrenzung der Neuen Medien". Und aus Nutzersicht würden alle Medien schon heute immer mehr zusammenwachsen.

Es gäbe viel neue Herausforderungen technischer, wirtschaftlicher und juristischer Art. Die hier diskutierten Themen seien daher von zentraler Bedeutung.

Es folgt die Anmoderation auf der Bühne von einem Moderator, der als Leiter des Programmkommittees ab jetzt auch durch die gesamte Veranstaltung leiten werde. Sein Name ist auf der Projektionsfläche nirgendwo angezeigt. Wurde aber zuvor angesagt: Herr Prahl, Andre Prahl.

11:00 Verbreitungsweg Internet:
Auch für Massen attraktive Inhalte?
— Prof. Dr. Dr. Birgit Spanner-Ulmer, Direktorin
Produktion und Technik, Bayerischer Rundfunk

Gleich in der ersten Ansage gelingt es ihr, die anwesenden Frauen in der Begrüssung den Herren von Rang und Namen vorzuziehen.

Dieser neue Auftritt, sagt sie, sei für sie eine ganz besondere Herausforderung.

Ausgangspunkt für sie sei die Arbeit des eigenen Hauses, des BR. Mitsamt dem neuen "BR hoch Drei"-Projekt. Damit würde die Trimedialität in den Fokus gestellt. Nicht nur technisch, sondern auch redaktionell.

Danach wiederholt sie allseits bekannte Standardaussagen:
— Die Terrestrik sei nicht so dominant wie gewünscht
— Das Kabel stagniere auf hohem Niveau
— Der Satellit sei heute die knapp führende Distribution
— Im Internet gäbe es massenattraktive Inhalte schon jetzt

Die Nutzungszahlen im Internet seien nach wie vor steigend. Und für sie sei klar, dass sich dies inzwischen zum vierten Verteilmedium emanzipiert habe.

— Insgesamt gäbe es eine Mediennutzung von zehn Stunden täglich
— Die Vielsurfer (vor allem Männer und besser Gebildete) seien zugleich die Vielseher von TV-Angeboten.

Breitbandige Angebote fangen für sie im TV-Bereich mit 6 MB/sec an.
Das sei im Festnetzangebot auch heute schon umsetzbar. Und das gelte auch für HD-Angebote, die in Zukunft den neuen Standard setzen werden. [3]
Die LTE-Angebote seien aber "bislang noch eher enttäuschend". Und wohl auch auf Dauer keine wirkliche Alternative für den mobilen Empfang.

Seit dem 2. Januar 2013 werde das voll ARD-Angebot im Internet als Streaming angeboten. Das bedeute derzeit bis zu 89.000 Abrufe pro Tag mit Live-Streaming-Angeboten. Und das sei noch lange nicht das Ende der Fahnenstange.

Die Folgen:
— Weiterentwicklung der hybriden Angebote
— DVB-T- und Mobilfunk-Angebote müssten koordiniert werden
— Für die Massenverbreitung sei nach wie vor der "klassische" Vertriebsweg der geeignetere.

11:30 Struktur und Funktionsweise des Internet
— Alexander Renner, Director Software Engineering,
Juniper CTO Office
 [4]

Wie funktioniert überhaupt das Internet? Jeder solle mit jedem verbunden werden können.

Über seine Firma: Mit knapp 10tausend Mitarbeitern werden fast alle grossen Firmen beliefert, darunter 6 der 7 weltgrössten Börsen. Und damit sei man einer der wenigen noch verbliebenen valablen Konkurrenten zu CISCO.

Wie sieht das Internet aus: Er zeigt Bilder aus einer Channel 4 - Sendung über IT-Crowd und verweist auf die Darstellungen auf WWW.OPTE.ORG/MAPS. [5]
Schon heute habe jeder Dritte auf der Welt Zugang zum Internet
Deutschland mache 1% der Weltbevölkerung aus und 3% der Internetnutzung.

Die Megatrends:
— CloudComputing
— Mobiles Internet
— Traffic Explosion

Es folgt eine Lektion à la "Internet for Dummies" und eine Einführung in das OSI-7-Schichtenmodell: "Das Internet ist ein Layer 3 Netzwerk"
Danach eine Einführung in die Möglichkeiten einer breitbandigen Vernetzung. Das eigentliche "Bottleneck" bestünde heute in der Anschlussleitung zum Haus.
Danach folgt eine Einführung in die Unicast- versus Multicast-Strategien. _ Danach ein Hinweis auf die IP-Version 6 und die Erweiterung des Adressraumes von 32 Bit auf 128 Bit. Die Umstellung könne eine Reihe von Problemen mit sich bringen, das Protokoll selber aber nicht.
Danach werden spezifische Probleme angesprochen, die mit der Übertragung von Videosignalen zu tun haben. MPEG-2 Angebote benötigen 16 Mbps, MPEG-Angeboten benötigen 8 Mbps. Schön und gut. Aber bei YouTube würden 4 Milliarden Abrufe täglich registriert. Und pro Sekunde werde 72 Stunden neues Material abgelegt.
10% dieser Abrufe kämen schon heute von mobilen Endgeräten.
Der Konsum der Zukunft sei der von Clips und über mobile Endgeräte.

Das Intenet als Verteilmedium? In den Metro-Regionen JA, in der Fläche bislang eher NEIN.

12:00 Verteilung von Audiovisuellen Inhalten im Internet
— Jürgen Metko, Leiter Digital Media, Akamai
 [6]

Wird Video das Internet zum Kollaps führen? Seine Antwort vorab: Wenn es "schön durchskaliert wird": NEIN. Sonst: JA.

Auch er macht eingangs auf die grossen, schon heute eingetretenen Veränderungen aufmerksam: Nach 200 Jahren werde die Britische Enzyklopädie nicht mehr gedruckt. Und ein Privat-Video von seiner Tochter habe in wenigen Monaten die Anzahl von 2 1/2 Millionen Abrufen verzeichnen können und damit das Interesse der Werbewirtschaft wachgerufen...

Die Trends:
— Cloud
— Media
— Mobile
— Security [7]

Die Herausforderung: die Schnittstellen zwischen den Netzen bedienen zu können. Hier muss ein Contend Delivery Network (CDN) eingreifen. Das geschähe erfolgreich, da in den Netzwerken weltweit Akamai-Add-Server installiert worden seien.

Alphabeth Soup Challenges
Die unterschiedlichsten Geräte haben die unterschiedlichsten Anforderungen an den Stream. Das Ganze könne voraussichtlich nur mit einem Cloud-Packaging-Dienst und Transcoding gelöst werden

Bottleneck-Challenges
Die Bandbreite ist sehr unterschiedlich und soll durch "Adaptive Bitstreaming" gelöst werden.

Standard-Challenges
Ein einmal gekaufter Film solle in Zukunft auf allen Plattformen abgespielt werden können. Das Buzzword: Ultra-Violett-Ecosystem.

 [8] Session 2: Anbieter von Video-Services im Internet

13:30 Live-TV im offenen Internet –
Chancen und Herausforderungen
— Nicolas Brambring, Chief Executive Officer, Zattoo

14:00 TV & Video Services aus der Sicht des Netzanbieters
— Benjamin Prager, Senior Expert im Bereich
Media Delivery & Distribution,
Deutsche Telekom AG / Products & Innovation

14:30 Zugangs- und Transportprobleme im Internet
— Prof. Dr. Bernd Holznagel, Direktor des Instituts für
Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht,
Westfälische Wilhelms-Universität Münster

ab circa 15:00 Uhr

Session 3: Wie viel TV verträgt das Internet?

Moderation: Dr. Jörn Krieger, Fachjournalist
— Dr. Cara Schwarz-Schilling, Referatsleiterin
Grundsatzfragen der Internetökonomie,
Bundesnetzagentur
— Martina Rutenbeck, Geschäftsführerin,
Eutelsat Services & Beteiligungen GmbH
— Guido Hartmann, Geschäftsführer,
K-net Telekommunikation GmbH
— Jochen Schmidt, Abteilung Neue Informations- und
Mediensysteme, ZDF
— Joachim Grendel, Geschäftsführer und Sprecher der
PrimaCom-Geschäftsführung

16:15 Schlussworte und Tages-Moderation:
— Andre Prahl, Leiter Programmverbreitung,
Mediengruppe RTL Deutschland

Hinzu kommt das MEDIENTAGE MÜNCHEN SPECIAL 2013 im Haus der Bayerischen Wirtschaft, zu dem Thema:
Going Global:
Die Medienbranche auf dem internationalen Parkett

Unsere Jahresauftaktveranstaltung: Bereits zum sechsten Mal veranstaltet die Medientage München GmbH, gefördert durch die KPMG, einen Informationstag zu einem brandaktuellen Medienthema.
Auch die großen, diversifizierten Medienunternehmen müssen sich heutzutage ständig an ein neues Umfeld und an die sich verändernden Nutzungsgewohnheiten anpassen. Um ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber international agierenden, teilweise auch branchenfremden, Unternehmen zu stärken, sind Innovationen gefragt – und eine zunehmend internationale Strategie. Welche Rahmenbedingungen herrschen in aufstrebenden Schwellenländern wie Indien oder Brasilien? Welche Ansprüche stellt der Medienkonsument vor Ort? Welche Strategien verfolgen internationale Medienkonzerne? Welche Rolle spielt der deutsche Markt bei ihren globalen Plänen? Welche Regeln müssen beachtet werden, wenn sich ein kleines oder mittelständisches Unternehmen international aufstellen möchte?

13.00 Uhr

Begrüßung und Moderation
— Uta Thofern, Leiterin HA Talk/Fremdsprachen Multimediadirektion Global Deutsche Welle, Berlin

Keynote
"Wachstum durch Internationalisierung - ein Blick über den Tellerrand"
— Prof. Annet Aris, Adjunct professor of strategy at INSEAD, Paris

13.45 Uhr

Statements & Podiumsdiskussion:
"Andere Länder, andere Sitten: Chancen und Fallstricke bei der Eroberung der Welt"

— Christof Baron, CEO Deutschland, Regional Leader Central Eastern Europe Mindshare, Frankfurt a.M.

"Ich bin kein Kreativer. Ich rede über Kommunikationsunternehmen. [...] Wir kaufen für Kunden in Höhe von 91 Mrd. Dollar Medienleistungen ein. Und haben damit über 25% Anteil am Weltgeschäft."

75% der Kunden seien international. Und gerade die globalen Kunden wollten Kontrolle haben. Und das bedeute, von einer lokalen zu einer zentralen Organisation zu migrieren. Warum? Man möchte kostengünstiger produzieren. Und man wolle von einer Stelle aus entscheiden können: Lufthansa (von Frankfurt aus), Unilever (von Schaffhausen aus), Nestle, LG (von Korea aus), SAP (von New York aus), Volvo, Ford, aber auch Facebook. YouTube. Apple. Twitter. Microsoft. Google...

Deutschland sei immer noch ein Print-Land, obwohl digital schon gut entwickelt. In anderen Ländern, wie in der Schweiz, würden aber ganz andere Voraussetzungen gelten. Und für die Auftraggeber müsse man multilokal entscheiden, da die Anforderungen vor Ort unterschiedlich seinen, der Job aber nur mit einem einheitlichen Konzept gewonnen werden könne.

Um diesen Anforderungen zu entsprechen, werde der nationale kreative und publizistische Reichtum eines Landes immer mehr in den Hintergrund gedrängt. "Es wird immer flacher". Es werden eine Reihe von Tools entwickelt, etwa CORE von Adobe, das sogar in einigen Live-Shots vorgestellt wird. Die Welt als Daten-Raum!

Das Wachstum? Findet in Europa nicht mehr statt: Asia-Pacific und USA seien die aktuell dominierenden Märkte - mit über 10% Wachstum. Die Netto-Werbeerlöse am Brutto-Sozialprodukt sinken in Deutschland; fortlaufen, sie sind im Sinkflug, "sluggisch".

Ob es (noch) einen Ausweg auf dieser Malaise gibt? Die These: "The West has to change" hätte schon vor Jahren Gehör finden müssen. Heute gehe das Ganze nur noch mit massiven Abstrichen, wenn man nicht ganz und gar unter die Räder kommen wolle.

— Günter Graeber, RA, Director, International Corporate Tax, KPMG, München

Er war für zwei Jahre in Mumbai. Compliance sei nach wie vor das wichtigste Wort für die Arbeit. Man müsse sich gut vorbereitet haben, wenn man dort Erfolg haben wolle. Das würde auch und vor allem die kulturell weichen Faktoren betreffen.
Compliance, das sei die Prüfung der Finanzen und Regelwerke, aber auch die Vorbereitung der indischen Unternehmen auf das Ausland.

Und dann kommen viele Beispiele aus der Praxis. Bei einer Radiostation dürfe man nur 26% der Anteile halten. Die Lizenz für das Verbindungsbüro müsse alljährlich neu genehmigt werden. Und dann müssten plötzlich Steuererklärungen abgegeben werden. Und, und, und....

Das Englische sei nicht die Muttersprache der Inder. Und die stellten sich unter einzelnen Worten oft etwas ganz anders vor, als wir hier im Westen.

Daher sei es so wichtig, das Geschäft im Lande mit Leuten vor Ort zu machen. Allein in Indien seien inzwischen 8000 Leute engagiert worden. Und zu denen müsse man Vertrauen haben können, und die zu einem selber auch.

— Dr. Gabriele Landwehr, Leiterin Bereich Wirtschaft & Stiftungen, Goethe-Institut, Berlin

Auch sie berichtet sehr ausführlich über ihre Arbeit in Indien mit dem Ziel, gegenseitiges Verständnis aufzubauen. "Wir sind in der Kultur und in der deutschen Sprache die Kompetentesten", könnten aber nicht die Arbeit einer Wirtschaftsberatung ersetzen.

Sie verweist auf die Arbeit des Indologen Max Müller. Er habe den Indern erstmals durch seine Übersetzerarbeit ihr eigenes heiliges Wissen zugänglich gemacht, Wissen, das bis dahin nur den Bramanen zur Verfügung stand. Aus ihren Max Mueller Bhavan, "MMB"-Häusern sind aus der Sicht der Inder Institute geworden, die sie das "Match-Making-Buero" nennen.

Und das sei eine wichtige Aufgabe. Nur so könne man das Denken in Strukturen und die Anwendung der Logik lernen, indem man auch die emotionale Seite anzusprechen in der Lage sei und verstünde, warum die Inder so viel Vertrauen in Deutschland hätten - und umgekehrt.

Bei allem Bemühen, die Verhältnisse zu modernisieren, nach wie vor habe das Kastenwesen, auch wenn es heute so nicht mehr genannt werden dürfe, einen grossen Einfluss. Bei aller Qualifikation, die quer durch die ganze Gesellschaft verteilt sei, bliebe nach wie vor die Kultur der Bramanen DIE Referenz bei der Vergabe von Positionen und Privilegien.

— Stefan Waldeisen, Verlagsleiter verlag moderne industrie, Landsberg

15.45 Uhr

Kurzvorträge & Gesprächsrunde:
"Erfolgsstrategien und Fallbeispiele"

— Tim Fabian Besser, Managing Partner Besser International, Berlin & Sao Paulo

Beschreibt "Land und Leute" aus der Perspektive der Medien-Produkt-Verwertung. Spricht von den Küstenstädten Sao Paulo, Rio d.J. und von Brasilia, von der Fussball WM 2014, von der Olympiade 2016, aber auch davon, dass es kein Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland gäbe. Man müsse also in Brasilien eine Firma gründen, deren Dividenden dann ausgeführt werden können.

Weitere Eckdaten: Free-TV dominiert, danach Zeitungen und Zeitschriften, Internet auf Platz 4 - aus Nutzersicht. Aus Sicht der Werber: TV 65%, danach Zeitungen und Zeitschriften. Internet? Ca. 10%.

Mehr Internet-Nutzer als in Deutschland, rund 85 Millionen. Mit weitgehend lokalen Content-Portalen. "UOL" allein hat ca. 45 Mio. Nutzer. Und 75 Mio. Facebook-Nutzer. Insgesamt herrsche eine grosse Affinität zu den Social Media Angeboten und Themen.

Mobil werde immer wichtiger, denn Kabel sei auf dem weiten Land zu teuer. Ddie Importzölle machten die iPhones dieser Welt zu teuer. Aber jetzt werde mehr und mehr auch national produziert, und LTE sei im Kommen.

Entscheidend für ihn sei, dass schon heute die Werbung - trotz der Dominanz der Fernsehens - sich mehr und mehr auf die digitalen Distributionswege konzentriere.

— Thomas Luzar, Geschäftsführer spin tv, Köln & Beijing
— Lutz Drüge [9], Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), Berlin

Eine Einsicht in diese Veranstaltung bietet das Medienportal.TV auf seinem YouTube-Kanal an:

Summa summarum?

All das, wovon hier berichtet wurde, sind eigentlich nur Schlagschatten auf Veränderungsprozesse von einer Dynamik, die hier, wenn auch nur ansatzweise beschrieben, in ihren Auswirkungen bislang kaum wirklich erfasst, geschweige denn verstanden worden sind.

Dabei ist es schon als ein - dringend not-wendiger - Fortschritt anzuerkennen, dass in beiden Veranstaltungen der Zwang zu massiven Veränderungen benannt und erkannt worden ist.

Zugegeben: An der einen oder anderen Stelle ist man auch über das Lamentieren auf hohem Niveau hinausgekommen. Dennoch wurde klar, dass gerade am Standort Bayern die noch immer wohl gestaltete und gepolsterte Ausgangslage vieler Unternehmen allzu leicht vergessen lässt, wie es um ihre Zukunft bestellt sein könnte.

So wichtig es ist, sich über das Internet der Zukunft seine Gedanken zu machen und zu lernen, welche dominierende Rolle IT und IP schon heute eingenommen haben: Das eigentliche Problemkind ist in Zukunft das "Fernsehen" selbst.

So wichtig es ist, sich heute noch über die Zuwendungen für die eigene Programmarbeit seitens der Werbetreibenden zu freuen: Deren immer mehr von globalen Positionen heraus definierte Strategie wird in nicht allzu ferner Zukunft den Programmverantwortlichen noch das Heulen und Zähneklappern lehren. Denn die Werthaltigkeit ihres Programmangebots wird nur noch aus jenen Datenclustern definiert werden, die etwas über Reichweiten und Zielgruppen, über deren Individualisierungsgrad und die Nachhaltigkeit ihrer Angebote aussagen können.

In aller Deutlichkeit gesagt: Das Deutschland der Dichter und Denker hat nicht den Terror aufhalten können, der einst aus dem eigenen Schoss gekrochen ist. Und das Deutschland der bis ins Unendliche fortgeschriebenen Rundfunkänderungsstaatsverträge wird nicht jene 1Pv6 gebundenen internationalen Vermittlungs- und Verwertungsstrategien aufzuhalten in der Lage sein, in deren Vollzug längst die goldenen Sargnägel für eine Staatsbegräbnis erster Klasse bereitgelegt worden sind.

Es wird Zeit, dass die Verantwortlichen endlich erkennen, mit welchen Instrumenten ihnen da der Garaus gemacht werden wird. Dass sie dieses so noch nicht sehen, hat damit zu tun, dass sie der Gewalt dieser Waffen immer noch nicht gewahr wurden.

Deutschland Digital 2015, so wie es in den Planungen des BMWI angelegt ist, ist mehr als die Öffnung des Landes für multinationale Medienkonzerne mittels Breitbandanbindung. Und die Bereitstellung hybrider Zugänge zu den an Marktinteressen gebundenen Kommunikationsstrategien der Privatwirtschaft ist mehr als die Einrichtung neuer Gewerke im DVB- und HbbTV-Umfeld. [10]

Wir, die Verleger alten Schlages und die Gutmenschen aus der Generation der Digital Natives, mögen mit allen Mitteln der Redlichkeit und Transparenz bestrebt sein, den neuen Herausforderungen mit neuen Denk- und Lebensformen zu begegnen.

Umso enttäuschender war es, vor allem am Nachmittag, in München erleben zu müssen, dass gerade jene, die dafür bezahlt werden, diese Haltung ernst zu nehmen und institutionell zu verteidigen, es offensichtlich als nicht notwendig erachtet haben, auf solchen von ihnen selbst initiierten Veranstaltungen zu erscheinen.

Da wurde am 28. Jänner 2013 in München eine neue Strategie für das Land Bayern ausgerufen [11]. Doch als es um die erste Bewährungsprobe ging, wurde das Thema ohne die Treuhänder ausgemacht.

So wichtig es war, sich heute am Nachmittag im Rahmen einer Veranstaltung der Medienwoche den internationalen Themen zuzuwenden, so bedauerlich ist es festzustellen, dass aus der eigenen Crew aber nicht eine(r) von denen anwesend war, die das Thema wirklich betroffen hätte.

So wichtig es war, seitens der bayerischen Medienpolitik auf das Thema Internationales und Internationalisierung aufmerksam zu machen, so ist durch die komplette Abwesenheit derjenigen, die dieses Thema sonst so gerne öffentlich hochhalten, klar geworden, welchen nach wie vor geringen Stellenwert das Ganze hat. [12]

Also: Die Reise nach München hat sich wahrlich gelohnt. Aber die Hoffnung, dass am Nachmittag ein Grundstein gelegt werde, um das Thema der Internationalisierung in Bezug auf die Medientag 2013 voranzutreiben, konnte in diesem Zusammenhang nicht genährt werden.

Bleibt zu hoffen, dass sich auch in Bayern herumspricht, was uns da heute als not-wendige Hausaufgaben aufgegeben wurde: Die Vermessung der Welt ist längst erfolgt. Die in den Babel-Towers eingelagerten Daten sind längst die Währung einer neuen Zeit geworden, deren Wert, deren Vorzüge und Gefahren aber immer noch nicht erkannt worden sind.

Die Welt wird sich nicht nur weiter ändern, sie hat sich längst dramatisch gewandelt. Allein allzu viele von uns haben es trotz aller guten Worte und so machem Bemühen immer noch nicht begriffen, was das in Zukunft bedeuten wird.

Wir wissen heute zu viel über das Fernsehen, und haben zu viel durch die Vermittlung der vernetzten Computer gelernt - aber auch verlernt - als dass viele von uns noch den Mut, die Kraft und die Kompetenz hätten, über den Rand dieser Bildschirme hinauszusehen.

Sei’s drum - wir beenden damit diesen Text.
Und damit den Blick auf diesen Bildschirm: Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. An die Arbeit!

Anmerkungen

[1Aus Sicht des Autors steht im Hintergrund dieser Frage eine ganz andere, die ebenso nachhaltige Veränderungsprozesse schon jetzt ausgelöst hat und die lautet: "Wie viel Internet verträgt das Fernsehen?"

[2Gut so: Das bedeutet, dass im Nachgang der Kommentar, nicht der Bericht im Vordergrund dieser Darstellung stehen wird.

[3Während inzwischen in der Szene schon überall zum Thema UltraHD geforscht und geredet und sogar schon gesendet wird.

[4Heute im Internet zu finden unter "LX Renner"

[5Diese Adresse ist zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Textes nicht zugänglich.

[6jmetko@akamai.de

[7der Attack-Traffic habe sich verzehntausendfacht. Auch die London-Olympics-Seite habe jede Stunde einen grossen Angriff auszuhalten gehabt.

[8Da der Veranstaltungsteil am Nachmittag aufgrund einer Parallel-Veranstaltung nicht besucht werden konnte, hier der zusammenfassende Text aus der Presse-Erklärung zur Kenntnis:

Am konkreten Beispiel von Zattoo stellte Dr. Nikolas Brambring, CEO des Dienstes, klar, dass Over the Top-TV gut ausgebaute Infrastruktur benötigt. Auch die Telekom braucht für ihr IPTV-Angebot Entertain gut ausgebaute Netze, die sie aber selbst schafft, sagte Benjamin Prager. Aus Sicht des Senior Experts im Bereich Media Delivery & Distribution der Deutschen Telekom AG kann IPTV mit der klassischen DVB-Verbreitung über Rundfunkwege mithalten.

Die rechtliche und medienpolitische Dimension der Konvergenz von Internet und TV sowie Fragen der Zugangs zu Endgeräten und Netzen standen im Mittelpunkt des Vortrags von Prof. Dr. Bernd Holznagel, Direktor des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Er wies auf die derzeit ungeklärten Fragen in Bezug auf die Netzneutralität und die Notwendigkeit einer kohärenten Regelung von Telekommunikations- und Medienrecht durch Bund und Länder hin.

Die anschließende Podiumsdiskussion unter Moderation von Dr. Jörn Krieger, Fachjournalist, kam zu dem Schluss, dass sich Fernsehen und Internet eigentlich ganz gut „vertragen“, in jedem Fall aber ergänzen. Beispiele dafür aus ihren Netzen lieferten Guido Hartmann, Geschäftsführer des City-Carrier K-net Telekommunikation GmbH und Joachim Grendel, Geschäftsführer und Sprecher der PrimaCom-Geschäftsführung. Auf innovative Dienste wie KabelKiosk Choice verwies Martina Rutenbeck, Geschäftsführerin, Eutelsat Services & Beteiligungen GmbH. Wie das ZDF als Programmveranstalter den Trend zu IP-basierter TV-Verbreitung meistert, schilderte Jochen Schmidt von der Mainzer Abteilung Neue Informations- und Mediensysteme. Dr. Cara Schwarz-Schilling, Referatsleiterin Grundsatzfragen der Internetökonomie von der Bundesnetzagentur, verdeutlichte dass die Netze heute technisch weit mehr Bandbreite bieten als viele Kunden zu zahlen bereit sind. Zugleich warb sie für die Initiative Netzqualität der Bundesnetzagentur, bei der Endkunden die vom Betreiber tatsächlich zur Verfügung gestellten Datenrate überprüfen können.

Tagesmoderator Andre Prahl, Leiter Programmverbreitung bei der Mediengruppe RTL und stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen TV-Plattform, plädierte in seinem Schlusswort dafür, dass alle an der IP-Verbreitung audiovisueller Dienste Beteiligten im Interesse der Zuschauer konstruktiv zusammen arbeiten

[9statt: Alexander von Reibnitz, Geschäftsführer Anzeigen und Digitale Medien

[10Und selbst mit der Aufgabe eines Kulturkanals beim ZDF und der Einrichtung eines Jugendkanals bei der ARD wird noch kein Paradigmenwechsel vollzogen sein.

[12Sätze wie, "ich werde mir darüber berichten lassen" machen exemplarisch deutlich, dass die wohlbetuchten Zampanos dieser Szene immer noch den Schlaf der Wohlanständigen pflegen, die sich mit Lippenbekenntnissen über all das hinwegreden, was ihnen längst Alpträumen bescheren müsste: Der Zusammenbruch ihrer Existenzgrundlagen.


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