
Leseratten und Büchermenschen.
Das Überleben und die tausend Tode (in) der Buch-Branche.
Unter diesem Titel ist am Wochenende vom 7. auf den 8. Mai 2011 ein ausführlicher – vielleicht sogar ausufernder – Text entstanden, in dem aus Anlass des zweiten BuchCamps des ForumsZukunft des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels über die Gegenwart und Zukunft der Branche reflektiert wird.



Ein erster Entwurf wird auf Abruf über den rechts eingestellten FEEDBACK - Link zur individuellen Lektüre, Diskussion und weiteren Ausgestaltung bereitgestellt. [1]
Um sich nicht in der Flut all des Gesagten und Erlebten allein schon des ersten Tages hinwegspülen zu lassen, oder gar in ihr zu ertrinken, wurden vorab einige Leitsätze aufgeschrieben, die in diesem Text auf ihre Gültigkeit und Wertigkeit hin geprüft werden sollen – und wollen.
Sie lauten:
I.
Über die Aufhebung der Zweisamkeit des Lesers mit sich selbst
Hier wird die Präsentation eines neuen integrierten Online-Tools zur Buchproduktion und -distribution zum Anlass genommen, um zunächst auf die verknüpfte Philosophie des enriched writings & readings eingehen zu können. Im Zentrum dieses Textes steht die Frage, ob mit dem Hinzuschalten von externen Kommentaren und Datenquellen der Dialog des Lesers mit seinem Autor eher behindert oder verbessert wird.
II.
Über die Aufhebung der Diskontinuität von Zeit und Raum
Die Bereitstellung des heute content genannten Lesestoffs geschieht seit der Einführung der Digitalisierung, Vernetzung und Personalisierung netzgebundener Dienste auf Knopfdruck, mit immer kürzeren Wartezeiten und mit bei zunehmender örtlicher Ungebundenheit. Verleger, Distributoren und der Handel stehen massiven Herausforderungen gegenüber – sie zu meistern bedeutet, sich dem jetzt anstehenden Paradigmenwechsel zu stellen.
III.
Über die Aufhebung der Zwischenräume zwischen Anfang und Ende
Hier geht es nicht um das Klagelied vieler Buchhändler, dass die Menschen keine Zeit mehr zum Lesen hätten, sondern um ihre Schwierigkeiten, sich auf Verlagsprodukte einzulassen, die alles zugleich anzubieten bestrebt und letztendlich doch nicht in der Lage sind, auf die neuen Anforderungen einer „digitalen Zeit“ adäquat zu reagieren.
IV.
Über die Aufhebung der Buchdeckel- und Buchrücken-Bindung
Warum sind Blogger so stolz, wenn ihre Texte plötzlich auch in Buchform erscheinen? Ist es wahr, dass Inhalte zwischen zwei Buchdeckeln einen höheren Wahrheitsanspruch für sich in Anspruch nehmen können als digital Publiziertes? Haben nur Bücher eine Aura, oder auch Texte auf den aktuellen Smartphones und Tablet-PCs?
V.
Über die Aufhebung der Orts- und Zeit-Bindung beim Content-Kauf
Warum werden von IKEA keine Bücherschrankwände mehr verkauft? Wann wird die erste VideoWall in einem Buchladen Einzug halten? Warum brauchen wir für das „Buch“-Geschäfte noch Geschäfte? Mögen auch die Zeichen signifikanter Veränderungen heute noch vom aktuellen Status quo verschleiert werden, morgen, wenn uns neue Zahlen aufrütteln werden, wird es für Viele schon zu spät sein.
VI.
Über die Aufhebung der Anmutung der Unvergänglichkeit
Mobilität, Sicherheit und Wahrheit: Warum signalisiert das Buch immer noch eine Qualität, die seinem wirtschaftlichen Wert nur noch qua Projektion zugemessen werden. Und warum wird jeder Experte im TV-Interview immer noch vor (s)einer Bücherwand gezeigt.
VII.
Über die Aufhebung der Reproduktion des Analogen im Digitalen Zeitalter
„Wir leben immer noch unter dem Schutzmantel des Kaisers neuer Kleider und werden erst in Zukunft durch schmerzliche Verluste begreifen lernen, dass wir einem nackten Mann nicht mehr in die Tasche werden greifen können.“



PS:
Und so lautet die Pressemitteilung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e.V. vom Dienstag, den 10. Mai 2011:
BuchCamp 2011: Branche offen für neue Ideen
BuchCamp 2011 mit über 100 Teilnehmern / Ergebnisse werden weiter diskutiert / Nächstes BuchCamp vom 5.-6. Mai 2012
Auch 2012 wird es ein BuchCamp geben: Termin ist der 5.-6. Mai 2012 auf dem mediacampus frankfurt. "Die Buchbranche hat nach nur einem Jahr die Potenziale des BarCamp-Formats für sich erkannt und angenommen", sagt Susanne Schneider, Referentin des Hauptgeschäftsführers und Projektleiterin des BuchCamps. "Das ist großartig und dokumentiert, wie offen die Kollegen aus Verlagen und Buchhandlungen für neue Ideen sind."
Nach dem BuchCamp im vergangenen Jahr war bereits eine lebhafte Community entstanden. "Wir sind begeistert, dass diese Vernetzung jetzt ganz konkret für den Aufbau und die Weiterentwicklung von Projekten genutzt wird", sagt Schneider. Damit werde der Grundgedanke umgesetzt, dass der Austausch nicht nur auf dem BuchCamp stattfinde, sondern danach weitergehe.
Über 100 Mitarbeiter von Verlagen, Buchhandlungen, Branchendienstleistern, Blogger und Freiberufliche besuchten das BuchCamp 2011 am vergangenen Wochenende. In 22 Sessions ging es um Themen wie Crowdsourcing, den effektiven Einsatz von Social Media in der Buchbranche und aktuelle Fragen rund um E-Books. Das Oberthema der Veranstaltung lautete "Visionen zulassen".
Ergebnisse und weiterführende Diskussionen zu den Themen des BuchCamps sind ab morgen nachzuverfolgen unter
www.boersenverein.de/buchcamp.