Im Verlauf des 20. transatlantischen Dialoges - an dem der Autor zu einer früheren Gelegenheit in Düsseldorf selber als Sprecher beteiligt war - wird in diesem Jahr über das Thema "Digitale Preisgabe - Unsicherheiten im Umgang mit Datenspende und Datenklau" gesprochen.
Der Programmtext lautet:
Die jüngsten Enthüllungen der Datenschutzskandale machen deutlich, dass in bisher unbekanntem Umfang auf personenbezogene Daten im globalen Maßstab zurückgegriffen werden kann. Der weltweite Datentransfer kennt keine Grenzen. Ein länderübergreifender Datenschutz existiert nicht. Was in Deutschland unter den Datenschutz fällt, muss in den USA noch lange nicht als schützenswert erachtet werden. Deshalb treten amerikanische und deutsche Datenschutzexperten in Dialog.
In Kooperation mit der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Landesmedienanstalten und Landesanstalt für Medien (LfM) und klicksafe, Düsseldorf
Moderation:
Steffen Grimberg, taz
Arthur Pober, Medienberater, USA
10.00 - 10.20 Begrüßung
Prof. Dr. Norbert Schneider, Beauftragter für Programm & Werbung, ZAK , Düsseldorf
Mitchell Moss, Stellvertretender Pressesprecher, Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika, Berlin
10.20 - 10.35 Einführung
Zunehmender Datenfluss - Ist Kontrolle überhaupt noch möglich?
Thomas Langheinrich, Vorsitzender der ZAK, Stuttgart
Er fordert den mündigen Rezipienten, der den bewussten Umgang mit den Medien pflegt.
Er verweist auf das Volkszählungsurteil und bezieht sich auf seine Rolle als Datenschützer in diesen Tagen.
26 Jahre später sei einzugestehen: Heute gehe es eher um den sorglosen Umgang mit der Darstellung der Persönlichkeit und der These: „Das Internet vergisst nicht“.
Die Digitalisierung des Fernsehens könne in Zukunft auch zur Beobachtung des individuellen Nutzerverhaltens führen. Hier müssten Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Die globalen Auswirkungen der neuen Entwicklungen werden unterschätzt.
10.35 - 11.00 Keynote
Die Bedeutung von Daten für Geschäftsmodelle im Internet - welche Rolle spielt der Nutzer?
Per Meyerdierks, Beauftragter für den Datenschutz, Google, Hamburg
Es gäbe in Internet keinen "Standortvorteil" für einen Anbieter. Die Konkurrenz sei nur einen Klick entfernt. Daher sei die Achtung des Datenschutzes auch und vor allem im Interesse des Anbieters.
Laut einer TNS-Umfrage sähen sich 45% aller Nutzer selbst in der Verantwortung, sich um die eigenen Daten zu kümmern.
Dieser Prozentsetzt, so Meyerdierks, müsse auf 100% gesteigert werden. Und das sei - aus seiner Sicht - möglich.
"Tranparency" & "Choice" / Transparenz und Wahlmöglichkeit, das seien die wesentlichen Leitlinien für das Betreiben der Seite.
Aber nur wenige Nutzer würden diese Datenschutzerklärung lesen. Angeblich: ein Drittel. Der Vortragende glaubt aber: eher noch weniger.
Mögliche Antworten:
— "Hauman Readable Privacy Policy" soll in Form von interaktiven Icons dieses Problem lösen.
— Heute sei es möglich, seinen einmal in YouTube installierten Kommentare auch wieder zu löschen
— Heute könne man auch im "Inkognito-Modus" bei Google surfen.
— Heute kann man sich mit einem opt-out-Cookie aus dem Pool der interessenbezogenen Werbung bei Google ausklinken.
11.00 - 12.00 Diskussion
Datenverwendung und Datenweitergabe - was ist noch legal?
Dr. Sunny Handa, McGill University, Montréal, Kanada
"We are the ’other country’ in the dialogue". Zwar habe man mit den USA zu verhandeln und sich an die Verhältnisse dort anzupassen. Aber man habe sich auch mit einer von den USA unabhängigen Position einzustellen, die der der USA wesentlich näher ist.
Die Themen:
— Federal Data Protection Act ... bezieht sich auf die Institutionen, die in eigenen Land Daten austauschen. Die nationalen Regeln greifen immer dann ein, wenn es keine regionalen Regeln gibt.
In einigen Provinzen ist es nicht gestattat, dass die Daten in den USA verarbeitet werden können
— Facebook ... es gibt viele Beschwerden gegen eine Reihe von Facebook-Praktiken. Und der "Privacy Commissioner" forderte eine Stellungnahme innerhalb von 30 Tagen. Und nach diesem Dialog fordert er, dass der Nutzer seine Daten auch wieder wird löschen dürfen.
Die Company folgte all diesen Empfehlungen und Forderungen und es seht in Frage, wenn in allen Ländern dieses gefordert werden würde.
— Deep Packet Inspection: [1]
Was würden die Leute sagen, wenn man ihnen 2000 Euro anbietet, um ihre persönlichen Daten auf Dauer zu verkaufen? - Diese Frage sei er nicht bereit zu beantworten.
John L. Hines, Reed Smith, Chicago, USA
Es gäbe keine mit dem deutschen Recht vergleichbare Rechtssprechung zum Thema Datenschutz. Aber man würde sich in den USA mehr und mehr in diese Richtung bewegen. Heute würden solche Mengen von Daten gespeichert, dass es dazu gar keine Alternative geben würde. Hinzu kommt, dass der Kontakt mit der EU immer dichter werden würde und sich die USA hier mehr und mehr anzupassen habe.
Der neue Mann der "consumer division" der FTC würde in diesen Tagen zum ersten Mal über die "dignitiy of the individual" in einem FT-Interview gesprochen haben.
Und die Staaten würden beginnen, ihre eigenen Regeln aufzustellen, was wiederum Druck auf die Bundesbehörden aufzubauen beginnt.
"Ich schreibe selber eine Reihe von diesen Regularien in denen den Nutzern die Rechte-Reglen erklärt und festgelegt werden. Und dann, als Nutzer, klicke ich diese oft dennoch einfach durch, ohne sie gelesen zu haben."
Andreas Jaspers, Geschäftsführer, Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherung e.V. (GDD), Bonn
Im Asiatisch Pazifischen Bereich, in den USA, in Afrika... gäbe es ein solches Recht auf Datenschutz nicht.
Laut der EU gibt es nur ganz wenige - insgesamt fünf - Länder, die ein angemessenes Datenschutzniveau haben.
In den USA kann man sich den "Save-Harbor-Principals" anschliessen oder in individuellen Verträgen verpflichten, oder aber durch "Corporat Binding Rules" - aber dennoch, es gäbe viele "Verständnisschwierigkeiten" beim Thema der gesamtschulnderischen Haftung.
In vielen Fällen werden die deutschen Unternehmen aufgefordert, all ihre Datensätze dem führenden US-Unternehmen zur Verfügung zu stellen.
"In den Datenschutzerklärungen holen sich auch Unternehmen Berechtigungen ein, die ihnen eigentlich gar nicht angemessen sind. Es sollte versucht werden, sich gegen solch einem Schindluder zu wehren."
12.00 - 12.20 Keynote
Soziale Netzwerke - Das Ende der Privatsphäre?
Andreas Poller, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Fraunhofer Institut für Sichere Informationstechnologie, Darmstadt
In seinen umfangreichen Ausführungen kommt heraus, dass die Plattformbetreiber sich Mühe gegeben haben, ihre Angebote zu verbessern, dass aber immer noch viele Mängel bleiben, die es noch zu bearbeiten gilt.
Er sieht in erste Linie den Betreiber in der Pflicht, wohlwissend, dass diese am Ende des Jahres schwarze Zahlen schreiben müssen. Ihr aktueller Verhaltenskodex, oder was sie immer dafür halten.
Ein Thema von vielen ist das der "Freunde", die keine Freunde sind, sondern Kontakte. Und das des Vertrauens, das kein Vertrauen verdient.
12.20 - 13.00 Diskussion
Was ist heute noch privat? - Freiwillige Datenspende im Web 2.0
Markus Berger-de León, Geschäftsführer, studiVZ Ltd., Berlin
Berichtet über das Konzept von MeinVZ in Beziehung zu Studivz.
3 Millionen Klicks auf SchuelerVZ und 100 Leute die sich um "customer-care" kümmern. Wenn es Dinge gibt, die dem Code-of-Conduct widersprechen, werden die Daten der Nutzer auch an die Polizei weitergleitet.
Sagt es - und wird danach nicht weiter gefragt, wann und unter welchen Umständen dieses geschieht. Schade, hier hätte der Moderator eingreifen und nachfragen sollen, anstatt es bei solchen allgemeinen Erklärungen zu belassen.
Christina Rhode, Referentin EU-Initiative „klicksafe" (LfM), Düsseldorf
Mit der Aufforderung: gebt keine Daten von Euch preis, komme man heute nicht mehr weiter. Mit einer solchen Aufforderung würde man sich heute lächerlich machen.
Christina Tribble, US-Diplomatin und Dozentin für Neue Medien, Diplomatenschule, Arlington, USA
Man solle unterscheiden zwischen "privacy" and "security". Heute wird behauptet, dass die "Diplomatie" tot sei, da geheime Verhandlungen nicht mehr länger geheim geführt werden können.
13.00 Folgerungen
Prof. Dr. Norbert Schneider, Beauftragter für Programm & Werbung, ZAK , Düsseldorf
Der Verkauf der Seele zum Preis von 2.000 Euro für den virtuellen Organhandel sei ja schon fast ein Thema von faustischer Natur. Elementar-onthologische Fragen würden gestellt, wie wenn man einen neuen Erdteil entdecken würde.
Kein Scherbengericht sei verkündet worden, sondern hier sei eher eine Annäherung festzustellen. Im Sichtbaren wissen wir, wie die Ampeln funktionieren, aber im Unsichtbaren haben wir sie noch nicht.
Das Digitale ist so ungewöhnliche unsichtbar. Aber wie sieht die "Transparenz" im Unsichtbaren aus?
Der Perspektivenwechsel im Medialen insgesamt verändere das Täter-Opfer-Paradigma.