0.
Über das Thema "Digital Divide" ist schon mehrfach in "DaybyDay" geschrieben und reflektiert worden, zuletzt in dem Beitrag: Je oller desto doller.
In den vergangenen Tagen konnte nun diese Probe aufs Exempel gemacht werden. Gleich mehrfach gab es Begegnungen mit Persönlichkeiten, die sich in den letzten Jahrzehnten einen grossen Namen in der Welt der Medien gemacht haben. Der Eine in der Welt des Rundfunks, der Andere in der Welt der Bücher.
1.
Letzterer war zugegen, als heute auf Einladung von Dr. Frank-Walter Steinmeier einmal mehr im Auswärtigen Amt die VerterterInnen der Literatur Israels zu Wort kamen. [1] Dieses Mal war es Amos Oz, der von seinem Jugend-Traum berichtete, später einmal nicht als Literat, sondern als ein grosses Buch in dieser Welt verweilen zu können.

Am Ende des sich daran anschliessenden Empfangs im "Weltsaal" kommt es nebenan zur Begegnung mit einem jener deutschsprachigen Autoren, dessen Namen so gut wie der kennt, und der sich doch selber als ein von dieser Nation verfehmter begreift.
Das eigentliche Thema des Gesprächs war aber - einmal mehr - die Frage, wie die heutige schriftstellerische Praxis organisiert werde. Und die Antwort ist klar: "ich lebe immer noch mit meinem ’Hacker’ - und das ist auch gut so, da ich nicht schneller denken kann als was ich an Zeit brauche um auf diesen mechanischen Maschine zu schreiben."
Nein, er habe schon den Schritt zur elektrischen Schreibmaschine nicht mehr mitgemacht, geschweige denn, den zu einem Computer. Sicher, auch er habe ein solches Ding bei sich in der Wohnung stehen. Aber da würde am Nachmittag eine hübsche junge Frau kommen, sich seiner neuen Texte annehmen und diese dann in jenen elektronischen Apparat übertragen.
2.
Wenige Tage zuvor ein Empfang des DJV-Berlin [2], zu dessem 60-jährigen Bestehen es sich einige Mitglieder der ersten Stunden nicht haben nehmen lassen, persönlich zu erscheinen und eigens zu diesem Termin anzureisen.
Auch hier eine ähnliche Situation: Das Interesse an der Person und ihrem Wirken wird offensichtlich und zumal dann als zunehmend positiv empfunden, wenn die Fragen über das allgemein Übliche hinausgehen und auf konkrete Punkte des einstigen wie auch heutigen Schaffens abzielen.
Aber: Auch in diesem Fall wurde alsbald klar, dass die Welt des Internets in der aktuellen Lebenspraxis dieser Person keine hohe Bedeutung mehr zu haben scheint. Es gibt keine Mail-Adresse an die man schreiben könnte und so sind auch die eigenen zunächst nur im Internet veröffentlichten Arbeiten damit noch nicht automatisch dem geneigten Leser zugänglich.
Dafür passiert etwas anderes: der Gesprächspartner hält Wort. Und schickt ein Manuskript seines Textes. In einem dicken Umschlag. Und ein Buch, einen Sammelband, in den seine Einlassungen in einem Aufsatz festgehalten worden sind.
3.
Und plötzlich steht man wieder da, wo man vor vielen Jahren aufgehört hatte. Es wird eine Postkarte verfasst, auf der ein erster Dank für die Zusendung festgehalten wird [3]
Und dann werden eigene Texte ausgedruckt, kopiert und in einen Briefumschlag eingetütet. [4]
Und plötzlich wird einem klar, um wieviel leichter es geworden ist, heute eine Text schnell und ohne allzu grosse Formzwänge verfassen und zustellen zu können. Und - wie auf einer der besuchten Tagungen gerade wieder zu hören war - dass "Dank des Internets" noch nie so viel gelesen worden sei wie seit langem nicht mehr.
4
In diesem Zusammenhang ist von Interesse - im Internet - nachzulesen, dass die sogenannten "Digitalen Meinungführer" ihre Informationen vor allem aus den "klassischen" Medien beziehen:
"Those all-important "digital influencers" actually get their information from magazines, newspapers, TV and radio.
That’s according to an MS&L survey whose results will be released tomorrow. The study, developed by MS&L’s influencer-marketing unit IM, reveals that some 84% of digital influencers go online to find out more about something only after first reading about it in magazines and newspapers or hearing about it on TV or the radio. "
Soweit Michael Bush in AdAge.com aus New York. Und er zitiert Renee Wilson - deputy managing director of MS&L New York and director of the IM MS&L practice" - wie folgt:
"Everybody wants to talk about how it’s all about digital and we certainly believe that it is the future," Ms. Wilson said. "But traditional media still has the capability to spark word-of-mouth." And for marketers, it highlights the fact that influencer-marketing campaigns can’t only be digital-based efforts. "[These] campaigns [have] to leverage both traditional and online tools to connect with consumers," she said.
5.
Es zeichnet sich ab, wie schnell all diese prophetischen Versprechungen, die auf den Tagungen der letzten Tage gemacht wurden, zur Makulatur werden können. [5]
Was nützen all die grossen Sprüche und Konzepte von den digitalen internetgebundenen Wahlkampfstrategien, wenn mit diesen weder die Älteren erreicht werden noch all jene, die auf dem flachen Lande von jeglicher Online-Anbindung abgeschnitten sind - und es wohl auch noch eine ganze Zeit bleiben werden. [6]
Es sei denn, es würde endlich der - auf einer weiteren Konferenz angekündigte - "Ruck" durch das Land gehen und der ländliche Raum sei nicht länger eine zu vernachlässigende Grösse in der Kalkulation der Versorgung mit ITK-Leistungen. [7]
Wann werden wirklich alle Bibliotheken auf dem Lande mit einer ausreichenden Anzahl an Internet-Terminals ausgestattet sein?
Oder: wie wäre es, wenn sich zumindest die Ortsvereine aller Parteien dafür stark machen würden, dass bei ihnen öffentliche Terminals eingerichtet werden: mit der Homepage ihrer Partei als Startbildschirm und der für jeden Nutzer uneingeschränkten Möglichkeit, auch auf die Seiten aller anderen Parteien zugreifen zu können?