René Obermann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom AG, ist dabei, sich mehr und mehr von den Fesseln der Festnetztelefonie befreien zu wollen.
In seine Rede zur Eröffnung des 17. Internationalen Presse Kolloquiums (IPK) zeigt er sich davon überzeugt, dass die Mobilfunknetze "zu echten Wettbewerbern mit Festnetz und Satellit werden."
So eindeutig war das Plädoyer für die Zukunft der Telekommunikation im mobilen und dazu noch breitbandigen Bereich, dass man den Eindruck haben konnte, die Zukunft der Telekommunikation würde sich immer mehr von den anderen Bereichen der leitungsgebundenen Systeme verabschieden wollen [1] .
Aber mitnichten, so die Antwort. Vor allem sollten auch hier die breitbandigen Festnetzangebote dafür gut sein, sich im Markt neu positionieren und um die eigene Klientel stabilisieren zu können. Diese Strategie würden zumindest "für Deutschland und einige zentraleuropäische Länder" weiterhin gelten. Im übrigen Ausland - in dem heute schon gut die Hälfte des gesamten Umsatzes generiert wird - läge der Schwerpunkt eindeutig auf dem Mobilfunk.
Dass man sich allerdings im Bereich der schmalbandigen Netze an die bestehenden Tendenzen der Abwanderung geradezu "gewöhnt" zu haben scheint - und davon ausgeht, dass dieser Trend auch so weitergehen soll - diese Aussage von Herrn Obermann wird auch am Folgetag von Herrn Höttges bestätigt.
Umso mehr, da immer wieder deutlich gemacht wird, wie wichtig das Thema der Kundenbindung sei. Nicht ohne Grund habe man seit dem letzten Jahr die Service-Offensive gestartet und sei der guten Hoffnung, dass die Call-Center-Dienstleistungen in den letzten Monaten sich nun endlich und nachhaltig deutlich verbessert hätten.
All dies, so Herr Obermann, „kann aber nur ein Zwischenschritt sein“, die "Serviceprozesse, IT-Systeme, Standortverteilung und Servicekultur" seien noch weiterhin zu verbessern. Und - abweichend vom Redeskipt - erklärt er wortwörtlich: „Wir wollen weiterhin das beste Serviceunternehmen unserer Branche werden, auch wenn wir dafür noch lange Zeit brauchen werden.“ [2]
Weiterhin war im Redeskript - als auch im vorgetragenen Text - von der "automatischen Personalisierung" als einer Chance und Herausforderung für die Notwendigkeit zur Kundenbindung die Rede. Offensicht ist damit aber nicht mehr der "Operator" im klassischen Sinne gemeint, sondern ein so gut ausgetüftelte Software, die in der Lage sein soll, dafür ein Garant , dass auf der Basis von zunehmend personalisierten Diensten auch die wirtschftlichen Erwägungen ausreichend mit berücksicht werden können.
Nach einem weitgehend festgezurrten Szenario, aber ohne Redeskripte, kamen danach die folgenden vier Herren [3] bei dem von Angela Elis [4] moderierten Podiumsgespräch zum Thema: "Connected life – other perspectives?" zu Wort:
– Christopher Schläffer,
Group Product and Innovation Officer,
Deutsche Telekom AG [5]
– Dr. Martin Enderle,
Sprecher der Geschäftsführung Scout 24
– Dr. Georg Schwegler,
Sprecher der Geschäftsführung T-Venture
– Jon S. von Tetzchner,
Mitgründer und Vorstandsvorsitzender Opera Software [6]
Am zweiten Tag, den 29. Januar 2008, trat als erster Reinhard Clemens vom Vorstand Geschäftskunden der DTAG auf die Bühne und verkündete eine umfassende Neuorientierung der T-Systems an. Und machte am Schluss deutlich, dass man schon jetzt dabei sei, mit einem für diese Sparte sehr geeigneten Partner zu verhandeln, der in der Lage wäre, das aktuelle Angebotsspektrum des laufenden Geschäftes komplementär zu ergänzen.
Timotheus Höttges, Vorstand T-Home, Sales&Services DTAG, hat für seine Präsentation den gesamten Lichthof des Hauses reservieren und im "Entertain-Look" umbauen lassen. [7]
Das einzige, so T-Home-Vorstand Höttges, was interessiert "sind Fakten und keine Glaubensbekenntnisse". Im letzten Jahr habe er sich auf insgesamt sechs Aufgaben konzentriert und würde die Ergebnisse aus diesen Bemühungen auch heute "nicht ohne Stolz" präsentierten können.
– Der DSL-Sektor sei von 17% auf 44% gewachsen. Der rückläufige Trend aus dem Jahr 2002 sei gestoppt werden. Der Marktanteile seien von von unter 10% auf 17% gesteigert worden. Und auch die Kundenzufriedenheit habe sich signifikant erhöht: Die Wechselbereitschaft der Kunden habe sich drastisch reduziert und sei innerhalb eines Jahres von 26% auf 15% gesunken. Man sei mit dem DSL-Kunden-Zuwachs sehr zufrieden. "Die Zukunft ist DSL. Und wir brauchen die neue IP-Struktur. Und wir brauchen diesen Marktanteil."
Dabei ist im Umfeld dieser Äusserungen klar, dass man allen Beteiligten klar ist, dass man trotz all dieser und weiterer Anstrengungen bei weitem nicht mehr an die 81% Maktanteil wird herankommen können, die heute noch im Sprachgeschäft gehalten werden. Und man wisse auch, dass man selbst diesen Wert aufgrund weiterer Anschlussverluste nicht werde halten können. "Und dagegen können wir gar nichts machen."
– Bemerkenswert sei auch der erfolgreiche Start in den "Entertain"-Bereich. Ein neues Geschäftsfeld der DTAG für das es zunächst eine ganze Reihe von Voraussetzung herzustellen galt, um überhaupt die Chance zu haben, auch hier erfolgreich sein zu können. Aber auch dieses Etappen-Ziel sei erreicht worden. Das erste Produkt für den Massenmarkt taugliche IPTV-Geschäft habe inzwischen ein Auftragsvolumen von 150.000 Anträgen generieren können. Und in 2008 sollen weitere 500 Tsd Anschlüsse realisiert werden.
Besonders bemerkenswert sei, dass bereits jetzt 17. Millionen Haushalte mit dem Angebot des IPTV-Produktes erreicht werden könnten. Und dass es sich hier um jene Produktsparte handeln würde, die die bislang höchte Kundenzufriedenheit erzielt habe: 93% der Aufträge hätten bislang auch tatsächlich erfüllt werden können.
– Auch der Vertrieb habe einen kräftigen Sprung nach vorne gemacht, mit nunmehr 804 Telekom-Shops und 1011-Telekom-Partnern, was eine Steigerung des indirekten Vertriebes von 9% auf 19% bedeuten würde.
Besonders wichtig sei, dabei, dass die Phílosophie vom "Service aus einer Hand" zu greifen begänne. Es gibt hier keine „zwei Säulen“ mehr. "Wir sind eine Company. Wir haben ein intergriertes Angebot für Mobilfunk und Festnetz."
Rückblickend wird klar, in welch schwierige Position man sich vor einem Jahr begeben hatte und welchen Augias-Stall man vordem vorgefunden hatte: Vor einem Jahr mussten viele Kunde noch bis zu einer Woche und länger auf die Auftragsbestätigungen warten. Heute dagen würden diese in 1 bis 2 Arbeitstagen abgewickelt werden.
Vor einem Jahr hätten nur knapp die Hälfte aller Anrufer überhaupt jemanden im Callcenter erreichen können und von diesen hätte nur 20% das heute gesetzt Ziel erlebt, einen Agenten in 20 Sekunden erreicht zu haben. Dieser Wert habe sich mit Ende letzten Jahres auf 69% steigern lassen. Und das Ziel würde lauten: 80% aller Anrufe in weniger als 20 Sekunden annehmen zu können.
Auch das Sprachportal sei im letzten Jahr immer wieder neu überarbeitet worden. Bereits jetzt könnten 90% aller anliegenden Themen über die bereitgestellten Stichworte erreicht werden.
Und selbst das Thema Termintreue beim Kunden habe sich positiv entwickelt: Bei Störfällen und bei Neuanschlüssen. Und das trotzt der Probleme, die sich insbesondere durch den Streik ergeben haben. Heute könnten schon 80% der Termine eingehalten werden. Ein Wert, der immer noch steigerungsfähig wäre, aber sicherlich nicht auf 100%. Denn auch kundenseitig würden gut 10% der Termine - aus welchen Gründen auch imemr - nicht eingehalten werden.
Das Wichtigste an dieser Entwicklung: Qualität und Effizienz seien damit kein Widerspruch, sondern würden sich auf diese Weise gegenseitig positiv beeinflussen. Und sie würden durch ihre positive Entwicklung auch die angestreben Spareffekte unterstützten. 1,2 Milliarden Kosten habe man vor einem Jahr reduzieren wollen, ohne dass der Service-Level dadurch eingeschränkt werden würde.
Last- but not least: Die nachfolgend genannten beiden Punkte können auf Grund einer Übertragungspanne an dieser Stelle nur noch kursorisch erwähnt werden:
– Es geht darum eine "Next Generation"-Strategie aufzubauen. Wobei klar sein, dass die "All-IP-Entwicklung" nicht nur auf der Transportebene von grosser Relevanz sein wird. Auch der Orderprozess werde in Zukunft ganz anders gestaltet werden können - und damit auch für die Kunden von Relevanz sein. Ab Mitte des Jahres 2008 sollen zum Beispiel alle dann neu verlegten Anschlüsse nur noch im Gigabit-Ethernet-Standard errichtet werden.
– Es geht darum, das Thema der Unternehmenskultur nicht nur nicht zu vernachlässigen, sondern auch pro-aktiv zu er-leben zu können und hoch-leben zu lassen. "Wie kann man von Jahr zu Jahr immer Menschen von Boad lassen und dennoch glaubwürdig bleiben?" T-Home-Vorstand Höttges deutet eine Reihe von Maassnahmen für die noch verbliebene Besatzung an: die "T-Tour", bei der die Manager nach draussen "ins Feld" müssen, die "Reality-Check-Teams" in denen immer wieder Rückmeldungen aus der Praxis eingespielt werden, neue Management-Konzepte, die vor allem durch die Einbringung von vielen T-Mobile- Mitarbeitern beflügelt werden und die Einführung eines allwöchentlichen Schulnotensystems, das darüber Aussagen macht, wie gut die interne IT wirklich funktioniere.
In der Tat: all diese klingt nach einer Erfolgsgeschichte - und doch ist es immer noch nicht mehr als ein valides Anzeichen dafür, dass sich das Haus auf den nächsten Paradigmenwechsel vorzubereiten beginnt: vom IT-Anbieter zu einem Software- und Dienste-Provider, dem selbst Inhouse immer noch nicht klar ist, was eine solche nicht mehr aufzuhaltende "All-IP"-Strategie für weitere dramatische Veränderungen zur Folge haben wird.
Wer geglaubt hat, dass mit ISDN und DSL die wichtigsten Herausforderungen in der digitalisierung des ITK-Geschäft gemeistert wurden, wird samt der damit geernteten Lorbeeren alsbald auf dem Scheiterhaufen derjenigen landen, die den Geist, den sie gerufen hatten bei weitem noch nicht haben begreifen können. Dass sich heute Alle allzu gerne in die Welt der mobilen Applikationen flüchten, ist angesichts der hohen Wachstumszahlen mehr als verständlich - aber ein "Persilschein" dafür, damit wirklich schon die Zukunft der IT-Welt im digitalen Zeitalter verstanden zu haben, ist es dies noch lange nicht.
Und hier noch ein Nachtrag vom Ostermontag 2008 mit einem Lost in Telekom genannten Beitrag des SPIEGEL-Online Autors Reinhard Mohr.