Am zweiten Tag des Treffens der Deutschen Zeitschriftenverleger in Berlin, am Freitag, den 16. November 2007, erschien auf der "Business"-Seite 17 der Ausgabe 16 / 2007 der Online-Zeitung AVASTAR ein Artikel, in der eine weitere Konferenz angekündigt wurde: das Treffen von Fachleuten und "Residents" aus der Welt von Second Life:
Da diese Ausgabe free-of-charge von einem Aufsteller auf der IT-Republic-Insel heruntergeladen werden konnte,
[1] sollte es wohl auch gestattet sein, aus dieser Ausgabe hier wie folgt zu zitieren:
NETWORKING, BIG NAMES AND ENTERTAINMENT AT CONFERENCE
By Regis BRAATHENS
METAVERSE07, the SL and virtual
world conference, will take place
in-world next week.
The bad press surrounding SL in recent
months has meant that ticket
sales for the RL event were much
lower than expected. But whilst the
RL convention has now been postponed
to spring 2008 to run parallel
to the Webinale’08, conference
organisers Software and Support
Verlag and SL experts Bokowsky
and Layman decided generously to
run the event in-world – for free.
Residents will now be able to take
part in the conference held on IT Republic
island on November 19 and
20. The line up includes big names
such as land mogul Anshe Chung,
Fiona May, project manager at Sun
Microsystems, and Jean Linden, LL’s
director of international initiative. [...]
Der Veranstalter, die Software & Support Media hatte sich letztendlich angesichts der hier zitierten ökonomischen Herausforderungen entschlossen, diese Konferenz nicht in München, sondern zunächst "nur" als eine virtuelle Begegnung im Netz stattfinden zu lassen.
Dazu gab es auf der Metaverse07-Webseite einen Link mit allen Vortragsthemen und Referenten, zu denen man sich - vorausgesetzt dass die aktuelle Version von Second Life auf dem eigenen Rechner installiert und aktiviert ist - direkt an den Ort des Geschehens "teleporten" konnte.
Wie der Screenshot vom 20. November 2007, 15 Uhr [2] zeigt, war es an diesem Ort möglich, sich die oben zitierte Ausgabe des AVASTAR kostenfrei herunterzuladen und zu lesen - ohne dabei Gefahr zu laufen, von irgend einem anderen Avatar dabei beobachtet zu werden. Só ganz für sich selbst in auf dieser Insel herumzustehen war irritierend: sollte hier nicht irgendwo eine Konferenz stattfinden?
Für 15 Uhr war ein Vortrag zur "Entwicklung von Business Cases für virtuelle Welten am Beispiel des SUN Engagements in Second Life" von
Fiona May alias Fiona Gallagher, Projekt Manager Second Life bei Sun Microsystems angekündigt. Ihr Thema war wie folgt angekündigt worden:
Momentan machen Berichte die Runde, daß sich RL [3] Unternehmen wieder aus Second Life zurückziehen. Dieser Vortrag soll aufzeigen, wie schmal der Grad ist, auf dem man wandert, und daß die Tatsache, als Markenunternehmen vertreten zu sein noch lange nicht heisst, daß auch automatisch Besucher kommen. Ausserdem wird es einige Insider Tipps geben, was es beim Aufbau einer erfolgreichen virtuellen Presenz alles zu beachten gibt.
Das mit den Besuchern bzw. deren Ausbleiben war an dieser Stelle also schon unmittelbar zu erleben. Daher wäre es jetzt wirklich interessant zu erfahren, wie man bei einem so grossen Unternehmen wie SUN darüber nachdenkt [4]
Also wurde zunächst der Versuch unternommen, sich diesen Vortrag über den auf der Metaverse07 angebotenen Live-Audio-Stream anzuhören. Das misslingt. Trotz mehrmaliger Versuche diesen zwischen 15 und 16 Uhr zu aktivieren, meldet der Rechner ein ums andere Mal: "Fehler -43: Eine Datei konnte nicht gefunden werden." - Und allmählich drängt sich die Frage auf, ob diese Konferenz denn überhaupt stattfindet - und, wenn ja, wo?
Auf der Suche nach einer Antwort findet sich auf der Metaverse07-Website eine Seite mit dem Titel: "Screenshots der Metaverse 07" und dort wiederum ein "Foto" von eben jenem gesuchten Vortrag:
Und so stellen sich Fragen über Fragen: wieso gibt es schon Bilder von diesem Vortrag, wo dieser doch gerade erst dabei ist, im Netz stattzufinden? Andererseits legt dieses Bild den Verdacht nahe, dass es irgendwo doch diesen Raum geben müsse, in dem die Veranstaltung selbst stattfindet?
Stunden später: nach allerlei Irrungen und Wirrungen ...
... gelingt es, den Veranstaltungsraum zu finden, zu betreten und dort einen Blick auf die Bühne zu ergattern.
Als dieses erstmals gelang, ist soeben der Vortrag von Shiryu Musashi zum Thema Mode-Design in Second Life beendet. Der Schlussapplaus nimmt sich in der Chat-Fassung so aus:
[7:49] Sessel whispers: Welcome to the Main Stage. To change view please press PgUp/PgDn [5]
[7:50] Eric Gaibov: that is a great hint
[7:51] Georgette Whitfield claps
[7:51] Eric Gaibov shouts: Thank cou very muchz
[7:51] Iota Ultsch: Grazie mille!
[7:51] Antonia Marat shouts: *claps*!! great job!
[7:51] Bar Tenk shouts: Grazie mille ;-) very cool
[7:51] Georgette Whitfield shouts: Bravo Shiryu
[7:52] Marissa Bergbahn shouts: Thank your very much Shiryu
[7:52] Board shouts: Loading set ’START’...
[7:52] Board shouts: Set START loaded. 1 Slides available.
[7:52] Gianpiero Laval shouts: by
[7:52] Marissa Bergbahn shouts: very interesting talk
[7:52] Board shouts: Pointer is off.
[7:52] Marissa Bergbahn shouts: maybe I start designing my own clothes now
[7:53] Marissa Bergbahn shouts: thanks a lot
[7:53] Shiryu Musashi: /bow
Nach dieser Verabschiedung schreitet der Avatar der Gastgeberin von der Bühne, kommt direkt auf den eigenen Avatar zu - und geht dann knapp an diesem vorbei: ins off.
Jetzt, kurz vor vor der Abschlussdebatte dieses zweiten Konferenztages ist Zeit, nochmals versuchsweise alle Hebel - sprich Knöpfe - in Bewegung zu setzen und herauszufinden, ob diese Konferenz wirklich keine grössere Informationsdichte als das bisher Erlebte aufzuweisen hat. Dann alle Informationen waren bis zu diesem Zeitpunkt ausschliesslich auf Lauf-Text basiert. Wie in einem Stummfilm. Und dazu noch mit zumeist unscharfen Projektionsbildern auf der Rückwand der Bühne: entweder waren die Ladezeiten zu lang oder die Datenmenge der Projektionen zu hoch; auf jeden Fall blieben allzu oft die Bilder dieser Folien unscharf und ihre Texte unlesbar.
Und auch alle bis dahin unternommenen Versuche, sich über einen Audio-Kanal informieren zu können, misslangen. Stattdessen heisst es lapidar auf der Website des Veranstalters auch im Verlauf der Konferenz: Falls keine Verbindung zum Stream besteht, ist aktuell kein Vortrag auf der Metaverse.
Stattdessen kommt es so, dass auch der aktive Textkanal eher mit Meldungen über den Betriebszustand des Systems ausgelastet ist als mit für das Thema inhaltlich relevanten Aussagen. Hier ein Beispiel für solche Dialogzeilen:
_ [8:08] Marty Gausman shouts: stream gone!!!!
[8:09] Marty Gausman shouts: ok, it’s back
[8:14] Marty Gausman shouts: lost stream again
[8:16] Maximilian Milosz shouts: ONe moment pleas, trying to fix. Thank yo
[8:16] Speaker shouts: ONe moment pleas, trying to fix. Thank yo
[8:17] Martin Mounier shouts: NOW IT WORKS
Soll es es das wirklich gewesen sein?
Inzwischen ist es kurz vor 18 Uhr Berliner Zeit. Der letzte "Vortrag" ist zu Ende. Die Moderatorin schlägt eine Pause vor ...
[8:52] Marissa Bergbahn: we need a 10-15 minutes break
[8:52] Marissa Bergbahn shouts: we need a 10-15 minutes break
[8:53] Marissa Bergbahn: for technical arrangements, than we’re back
[8:53] Marissa Bergbahn shouts: for technical arrangements, than we’re back
... und kündigt die TeilnehmerInnen der Schlussrunde an:
[8:52] Marissa Bergbahn shouts: next will be the round table
[8:52] Marissa Bergbahn: with Jean linden, fiona may,
[8:52] Marissa Bergbahn shouts: with Jean linden, fiona may,
[8:52] Marissa Bergbahn: leider stepanov and flaubert lamont
[8:52] Marissa Bergbahn shouts: leider stepanov and flaubert lamont
Dadurch, dass diese auf der Rückseite der virtuellen Bühne projizierte Namensliste lange genug im Bild stehen bleibt, gelingt es schliesslich auch, diese auf dem Rechner erkennen zu können:
Und dann, im Verlauf dieser Umbaupause, gibt es eine Überraschung: Es wird daran gearbeitet, dass zumindest dieser Abschlussdiskussion nun auch life zugerhört werden kann. Die ersten Mikros fangen an, die Arbeitsdialoge der Beteiligten aufzunehmen. Und plötzlich hört man eine Frauenstimme etwa mit einem Satz wie dem folgenden: "... es ist mir wurscht ob da noch jemand da ist " - und weiter: "es ist ja vor allem für’s Fernsehen." [6]
Wahrhaftiger und pragmatischer kann eine "first phrase" kaum sein - und nach mancherlei Mikrophonproben und Kämpfen gegen Übersteuerungen und Echos kommt schlussendlich doch noch zur Ankündigung des letzten Programmpunktes: das Podiumsgespräch.
Hieraus nachfolgend einige kursorischen Ausszüge und Aufzeichnungen.
Das Gespräch beginnt mit der Eingangsfrage, wie denn derzeit die Stimmung in den Linden-Labs-Headquarters in den USA sei:
Jean Linden: "Stresssfull - and always hopefull." Sie macht keinen Hehl daraus, dass die Negativmeldungen der letzten Monate dem ganzen Team schon ziemlich zugesetzt haben. Sie macht aber zugleich deutlich, dass man mit Hochdruck dabei sei, neue Features einzuführen und noch weitere zu entwickeln: ganz vorne stünde die nun schon implementierte Voice-Dialog-Technik, von der ja auch diese Konferenz schon in diesem Momat profitieren würde.
Und sie benennt eine ganze Reihe weiterer Features und Tools:
– mit Winlight [7] würden ganz neue Spielräume der Gestaltung erschlossen werden, was sich insbesondere auch in den neuen Gewerken der Kunst- und Film-Darstellung in SL positiv auswirken werde.
– weiterhin würde sehr nachhaltig und gemeinsam mit Google an dem Thema "Neue Suchmechanismen" gearbeitet.
– weiterhin würden - demnächst auch für Deutschland interessant -neue Tools für die Internationalisierung, respektive: Regionalisierung, bereitgestellt werden.
– die Stabilität des Systems werde fortlaufend weiter verbessert, und
– man würde sich auch eine ganze Menge für den Bereich der Lehre und des Lernens einfallen lassen.
Fiona May (von SUN): ist sehr zufrieden mit der bisheringen Zusammenarbeit und macht gleich mehrmals auf ein für sie entscheidendes Kriterium aufmerksam, das bislang immer erfüllt worden sei: "allways to be honest with us - and then we can work around there".
Leider (vom Springer-Verlag wird als Journalist des AVASTAR gefragt): Ja, der Ausblick auf die SL-Welt sei sonnig, auch wenn es sein Job sei, die Sachen vielleicht doch eher kritischer zu sehen als die anderen: SL habe Probleme. Aber diese gelten in vielen Fällen auch für andere virtuelle Welten. Aber nicht zuletzt deshalb werde SL auch weiterhin den Pfad weisen für die weiteren Entwicklungen in diesem Bereich insgesamt.
Jean (stimmt zu): ja, und dafür sei es jetzt noch wichtiger denn je, noch besser "conncted" zu sein als bisher.
[An dieser Stelle bricht der Voice-Stream zusammen. Und so kann auch der Dialog nicht fortgesetzt werden, denn erst ist er "aus der Leitung gefallen" und dann sie.
Und der Vierte im Bunde, Flaubert geht vollständig verloren, obwohl er von der Moderatorin wegen seines Namens sogar auf französisch angesprochen wird und angeblich - so ist im Chat nachzulesen - versucht wird, die Batterie in seinem Mikro zu wechseln. Und so bekommt letztendlich der das Wort erteilt, der auch noch technisch noch kommunizieren kann, und das ist:]
Leider: Die Zeitschrift AVASTAR wird sich in Zukunft mehr und mehr auch um die anderen virtuellen Welten kümmern und sich nicht länger nur auf SL allein beziehen. Sie mache damit die gleiche Bewegung mit, die auch die "residents" von SL begännen: sich mehr und mehr auch um andere virtuelle Welten zu kümmern.
Fiona: Das was SL so besonders macht, das sei die Tatsache, dass die "residents" selber immer wieder neue eigene Inhalte erschaffen können - und wollen. Und das sei auch für die Firma SUN von grossem Interesse. Vor allem die Möglichkeiten der Interoperabilität sollen dabei weiter entwickelt werden.
Jean [zurück im Netz]: Wir haben uns die anderen virtuellen Welten natürlich genau angesehen, auch in China. Und auch dort gibt es gute Modelle. Entscheidend sei es aber in der Tat, dass man sich in diesen virtuellen Welten imme wieder der Aufgabe stellen müsse, neu Inhalte herzustellen und diese bekannt zu machen. Für sie ist die wichtigste Basis dieser ebenso wundersamen wie wunderbaren Entwicklung - sie verwendet das Wort: "magic": "The creativity of the user.
The fundamental believe: it is all about user created content, management and development."
Jean: Auch wenn zuletzt ein Reihe von Plattformen und Inseln nicht so aktiv genutzt worden seien, wie dieses von ihren Erbauern zunächst erwartet worden war: Das Schliessen solcher Welten und das Verwaisen mancher Inseln bedeute nicht, dass diese Plattformen in Zukunft keine Bedeutung mehr haben würden. Es werden vielmehr Tools entwickelt, um auch diesen ursprünglichen Erwartungen noch besser entsprechen zu können. So könne es durchaus sein, dass man sich in Zukunft zwischen der Welt der Communities und der der Grids [8] werde entscheiden müssen.
[An diesem Punkt kommt es zu einem Anruf auf der Büronummer und so verweilt der eigene Avatar zwar im Zuschauerraum, sein Handlungsbevollmächtigter aber musste sich der Teinahme an dem weiteren Dialog zunächst entziehen und stellt daher hiernach nur noch einige gegen Schluss der Dabatte aufgefangene Stichworte vor.]
Fiona: Bei SUN werden mit All Star und Wonderland sowie mit MPK 2.0 auch eigene Inhouse-Versuche unternommen und ins Werk gesetzt.
Jean: auch im mobilen Bereich wird es in nicht allzu ferner Zeit Anwendungsbeispiele geben, in denen SL mit eingebunden sein wird.
Auch für Filmemacher werden sich - wie schon oben angedeutet - ganz neue Möglichkeiten eröffnen.
Insgesamt gehe es letztendlich um die zunehmende Ubiquität des Produktes und seiner Anwendungen.
Leider: auch in SL steigt das Interesse von Bürgern, verstärkt auch an politischen Fragen beteiligt zu werden - auch was die Unternehmenspolitik von LindenLabs selber betrifft. So gäbe es zunehmend die Erwartung, dass es schliesslich eine Art von Regierung in SL gäbe, die von den "residents" selber gewählt werden wird.
Jean: Wenn sich die Nutzer zusammentun um einen Präsidenten zu wählen, dann wäre es nur zu hoffen, dass sich diese Entwicklungen auch als demokarische entwickeln.
In einer Schlussrunde werden dann die "famous last words" abgefragt.
Sie lauten:
– We learn every day.
– How to get engaged with the communities.
– 3-D-Welten und deren gesamtes Umfeld werden die Zukunft sein.
– es bedarf all dieser hier entwickelten Qualitäten, von der Kreativität bis hin zum Unternehmergeist, mehr denn je.
– Flaubert we miss you!
– A 2.Life4You.
– Have a great second live everybody.
– Bye Bye!
Wer sich über diesen Bericht hinaus für eine etwas "objektivere" oder vielleicht auch "distanzierter" zu nennende Berichterstattung zu diesem Thema interessiert, dem sei die Lektüre der folgenden zwei Artikel aus der Ausgabe 24 der c’t vom 12. November 2007 empfohlen. Auf den Seiten 84 respektive 88 heisst es:
– Zwischen Schein und Sein. Das Virtuelle lebt, auch außerhalb von Second Life. Von Bernd Behr
– Virtuelle Währungen. Von Andreas Lober [9]
Oder wie wäre es mit einem Blick auf die Website des Münchner Kreises, der "am Tag danach" zu einer Veranstaltung unter dem Titel:
Virtuelle Welten im Internet
eingeladen hatte.
Dort kann man sich dankenswerter Weise sowohl die "Hardcopy"-Versionen der Beiträge als PDF als auch die Präsentation bzw. Diskussion als Quicktime-Stream (mit einem H264-Codec) ansehen [10].