VierOhnMächte - Konferenz in Berlin

VON Dr. Wolf SiegertZUM Donnerstag Letzte Bearbeitung: 27. Februar 2006 um 17 Uhr 36 Minuten

 

Das Presse- und Informationsamt des Landes Berlin teilt mit:

Die Stadtoberhäupter der vier Metropolen London, Ken Livingstone, Paris, Bertrand Delanoë, Moskau, Juri M. Luschkow, und Berlin, Klaus Wowereit, kommen von Dienstag, 21. Februar, bis Mittwoch, 22. Februar 2006, in Berlin zu ihrer zweiten „M-4-Konferenz“ zusammen. Das vorangegangene Treffen hatte im September 2004 in Moskau stattgefunden. [1]

Die Begegnung dient einem ausführlichen Meinungs- und Erfahrungsaustausch der Bürgermeister zu den Themen Umweltschutz und Klimawandel, Verkehr und Stadtplanung, Wirtschaft und Stadtmarketing sowie Gesundheit. Die Konferenz soll mit der Unterzeichnung eines gemeinsamen Kommuniqués abgeschlossen werden.

Besonders interessant an dem Dokument dieser Begegnung [2] ist der Wunsch des Bürgermeisters
Wang Qishan als Vertreter der
Partner-Stadt Peking an der nächsten und dritten Begegnung dieser Art als Gast ebenfalls teilnehmen zu können [3]. [4].

Hier eines jener unverzichtbaren Bilder aus dem aktuellen Bestand des Berliner Landesarchivs [5] vom Abend des 21. Februar 2006 mit - von links nach rechts - dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit und seinen "Amtskollegen" Juri Luschkow aus Moskau, Ken Livingstone aus London und Bertrand Delanoë aus Paris.

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So gut diese Vier von den Bürgermeister-Dienst-Stellen hier auch ins Bild gesetzt worden sind, so bleibt es doch ihren Taten überlassen anzuzeigen, dass sie auch die Möglichkeit eines wirklichen Gestaltungswillens durchsetzen und unter Beweis stellen können.

Dieses wird exemplarisch an dem Thema des Interviews von Karsten Hintzmann mit den zwei Freunden von der Seine und der Spree in der Berliner Morgenpost vom 25. Februar 2006 deutlich, das unter der Überschrift "Wir sind Architekten der Demokratie" veröffentlicht wurde.

Auf die unten nachzulesende Frage, wie denn die zwanzigjährige Städtepartnerschaft zwischen Paris und Berlin im nächsten Jahr - 2007 - begangen werden solle, wird gesagt, dass es darüber noch Nichts zu sagen gäbe, weil man noch imitten der Vorbereitungen sei.

Sind denn bisher die Einwohner in der einen noch in der anderen Stadt bislang aufgerufen worden, eigene Vorschläge zu machen? Wir hätten sicherlich deren einige für die Herren Architekten!

Berliner Morgenpost: Was hat das Treffen der vier Bürgermeister zählbares gebracht?

Bertrand Delanoë: Wir hatten einen Erfahrungsaustausch zu hochwichtigen Themen wie Umweltschutz, Verkehr, Transport, Tourismus und Gesundheit. Natürlich haben wir auch über das aktuelle Tagesgeschäft gesprochen, über Probleme, wie man in einer Stadt von A nach B kommt, wie die Einheit der Gesellschaft im Zeitalter der Multikulturalität gewährleistet wird, und selbst über den eventuellen Fall des Ausbruchs der Vogelgrippe wurde geredet.

Klaus Wowereit: Alle vier Städte haben gute bilaterale Beziehungen. Die Idee, sich in diesem Viererkreis zu treffen, wurde vor anderthalb Jahren geboren. Unser erstes Treffen fand im September 2004 in Moskau statt. Wir haben schnell gemerkt, daß wir alle voneinander lernen können. Zwei Beispiele: Wir haben die lange Nacht der Museen entwickelt, die es jetzt auch in Paris gibt und dort "schlaflose Nacht" heißt. Paris wiederum hat die Partystrände an der Seine kreiert, die es mittlerweile auch bei uns gibt.

Delanoë: Ich lerne sehr viel von meinem Freund Klaus. Aber das mit der "schlaflosen Nacht" in Paris ist doch etwas anders als die Nacht der Museen in Berlin. Bei uns stehen da Gegenwartskünstler im Mittelpunkt, die man bei ihrem Schaffen beobachten kann. Aber ich gebe zu, Berlin hat uns zu dieser Idee inspiriert.

Gibt es denn konkrete Dinge, von denen die Bürger von Berlin und Paris nach dem Bürgermeistertreffen profitieren?

Delanoë: Ich glaube schon. Insbesondere was wir zu den Themen Umwelt und Verkehr besprochen haben, wird konkrete Maßnahmen zeitigen. Wir wollen zum Beispiel unsere Methoden und Meßgeräte zur Luftreinhaltung vergleichen und austauschen.

Wowereit: Gleiches gilt für das Thema Gesundheit. Wir haben über das Projekt Gesundheitsstadt gesprochen. Angefangen von der Ernährung, über Fitneß und Pflege, bis hin zur Forschung. Gesundheit wird das Zukunftsthema in Europa sein. Daher sollen auch unsere medizinischen Universitäten enger kooperieren.

Weshalb bilden eigentlich nur die vier Städte Paris, Berlin, Moskau und London solch ein Netzwerk? Gehören zu den europäischen Metropolen nicht mindestens noch Rom und Madrid?

Wowereit: Der Zusammenschluß dieser vier Städte ist kein Ausschluß anderer Metropolen. Wir haben eine Organisationsform speziell für unsere vier Städte gesucht, die alle auch über exzellente bilaterale Beziehungen untereinander verfügen. Wir vier Bürgermeister sind zudem alle fast gleich lange im Amt. Für das nächste Treffen, das im ersten Quartal 2007 in London stattfindet, haben wir übrigens den Oberbürgermeister von Peking eingeladen.

Herr Delanoë, verraten Sie uns doch mal, wie es hinter den Kulissen zwischen Ihnen und dem Bürgermeister von London zugegangen ist. Schließlich waren sie beide noch vor wenigen Monaten heftige Konkurrenten bei der Vergabe der Olympischen Sommerspiele im Jahr 2012, die letztlich London zugesprochen bekam...

Delanoë: Vergessen Sie nicht, daß unter den Bewerbern auch Moskau, New York und Madrid waren. Vielleicht hat es damals ein wenig Spannung zwischen diesen Städten gegeben, aber nicht zwischen den Bürgermeistern. Als wir uns dann alle beim Internationalen Olympischen Komitee trafen, haben wir uns erst mal herzlich begrüßt und dann ganz normal weiter gearbeitet. Somit kann ich sagen, daß sich unsere Beziehungen heute genau so freundlich gestalten, wie vor dem Tag der Entscheidung am 6. Juli 2005 in Singapur.

Sie hatten in den vergangenen Tagen viel Zeit für bilaterale Gespräche. Gibt es da Sachen, die sich Wowereit von Delanoë und umgekehrt für seine weitere Tätigkeit abgeguckt haben?

Delanoë: Ich selbst bin sehr bescheiden gegenüber meinen Kollegen, insbesondere gegenüber Freunden, denen ich vertraue. Dazu gehört Klaus. Ich glaube, er hat sich sehr dafür interessiert, was wir in Paris gerade in Sachen Stadtplanung machen. Ich bin gegenwärtig dabei, zehn Prozent der Fläche von Paris umzugestalten. Dabei handelt es sich speziell um Flächen in armen Regionen der Stadt. An diesem Prozeß beteiligen wir die betroffenen Bürger sehr stark.

Wowereit: Bertrand ist Spezialist dafür, wie man eine Stadt positiv nach außen darstellt und wie man einer Stadt ein Gesicht gibt.

Sie beide wirken vom Typ her völlig unterschiedlich und haben augenscheinlich dennoch einen ausgesprochen guten Draht zueinander. Wie ist dieses gute Verhältnis zwischen Ihnen entstanden?

Delanoë: Vielleicht, weil wir ähnliche Überzeugungen haben, die Liebe zu unserer Stadt und ich glaube auch, daß wir ähnlich motiviert sind. Wir wollen nicht wichtiger erscheinen als wir sind und nicht luxuriöse Büros beziehen. Wir wollen Architekten der Demokratie in unseren Städten sein. Dazu kommt, daß wir im selben Jahr in unsere Ämter gewählt wurden. Ich schätze an Klaus besonders seine unkomplizierte Art, zu leben. Aber es bleibt Ihnen natürlich überlassen, weitere Gemeinsamkeiten zwischen uns zu finden.

Wowereit: Seit unserer ersten Begegnung ist sehr viel Sympathie vorhanden. Daraus ist eine Freundschaft geworden.

Herr Wowereit, sind Sie nicht neidisch, wenn Sie auf die Pariser Wirtschaftszahlen blicken. Dort ist die Arbeitslosenquote nur halb so groß wie in Berlin und die Menschen haben im Durchschnitt doppelt so hohe Einkommen...

Wowereit: Neid ist ein Begriff, der bei mir nicht vorkommt. Aber es ist richtig, daß die Grundvoraussetzungen in beiden Städten völlig unterschiedlich sind. Ich mache mir manchmal so meine Gedanken, wie Berlin heute dastehen würde, wenn es den Zweiten Weltkrieg und die Teilung der Stadt nicht gegeben hätte. An den Folgen der Teilung leidet die Stadt immer noch. Anders als in Paris, Moskau oder London gibt es hier nur wenige große Unternehmen oder gar internationale Konzerne, die ihren Stammsitz in der Stadt haben. Aber trotz aller Probleme ist Berlin eine Stadt, in der sich die Menschen entfalten können. Paris ist natürlich auch eine tolle Stadt, in der ich immer wieder gern bin.

Delanoë: Ich bin sicher, Berlin wird sich weiter so dynamisch entwickeln, daß Sie diese Frage in zehn Jahren nicht mehr stellen werden.

Herr Delanoë, können Sie unseren Lesern trotzdem erklären, warum es Paris und den Parisern vergleichsweise so gut geht?

Delanoë: Sie sind ja ein deutscher Journalist. Wären die Rollen vertauscht, würden Sie aus französischer Sicht jetzt Klaus fragen, warum es Berlin so gut geht. Die Pariser haben Schwierigkeiten wie die Berliner auch. Die jüngere Vergangenheit beider Städte ist nicht die gleiche. Egal wie auch der Ausgangspunkt aussieht, man muß dynamisch eingreifen, um die Wirtschaft voranzubringen. Und das tun wir beide.

Vor wenigen Monaten gingen Bilder von Straßenschlachten und brennenden Autos aus Paris um die Welt. Gibt es inzwischen Lösungen, die ein Wiederaufflammen der Gewalt ausschließen?

Delanoë: Diese Unruhen ereigneten sich außerhalb des eigentlichen Stadtkerns von Paris. Ich sage das nicht, um das Problem abzuwälzen. Es gibt auch in Paris Quartiere, die sehr kompliziert sind. Dort gab es aber kaum Gewalt. Denn wir hatten in diese Viertel seit Jahren investiert, haben dort öffentliche Dienstleistungen eingeführt und für lebenswerte Bedingungen gesorgt. Allein die Tatsache, daß es dort heute viele Baustellen gibt, zeigt den Bewohnern, daß es voran geht und daß wir Vertrauen in sie haben. Und im Gegensatz dazu hat die französische Regierung genau das in den Vororten etwas weiter draußen nicht gemacht. Dort wurden die staatlichen Zuschüsse sogar noch gekürzt.

Im kommenden Jahr feiern Paris und Berlin den 20. Jahrestag ihrer Städtepartnerschaft. Welche Höhepunkte, an denen auch die Bevölkerung beider Städte teilhaben kann, sind geplant?

Wowereit: Es wird etliche Aktivitäten geben, die derzeit noch in der Planung und deshalb nicht spruchreif sind. Ich würde mich freuen, wenn es uns gelänge, eine Ausstellung "Berlin-Paris-Paris-Berlin" auf die Beine zu stellen, mit dem Schwerpunkt auf zeitgenössische Kunst und junge Kreative.

Delanoë: Wir wollen das 20jährige Jubiläum den 20 Jahren widmen, die jetzt folgen werden. Die Veranstaltungen sollen auf die Jugend ausgerichtet sein. Darüber hinaus möchte ich den jungen Bürgermeister Wowereit in Paris begrüßen, weil ich glaube, daß dieser Besuch Leuchtkraft hätte.

Wowereit: Ich möchte natürlich auch den jungen Pariser Bürgermeister in Berlin begrüßen.

Delanoë: Klaus, ich glaube, wir sind doch keine Freunde. Denn du nimmst mich jetzt auf den Arm, ich bin schließlich drei Jahre älter als du.

Anmerkungen

[1Hier ein © dpa-Bildfunk-Bild als Zitat von der Webseite der berliner Senatskanzlei, in der die in Berlin jetzt wiederholte Geste erstmals - wenn auch nicht vor den Toren des Kremels - eingeübt wurde.

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[2das HIER als PDF-Datei eingesehen werden kann

[3So wie aus der G7 eine G8 geworden ist, könne aus der M-4 eine M-5 werden?!

[4Bis dahin bleibt auch noch genügend Zeit, das so segensreiche Wirken des einzigen inzwischen verstorbenen berliner Ehrenbürgers der Stadt Peking, von Manfred Durniok, auf chinesischer Seite zu aktualisieren und zu qualifizieren. Derzeit - also am 27.Februar 2006 - wird er auf der Liste der Webseite der Stadt Peking noch als eine der lebenden Persönlichkeiten aufgeführt.
Und das ist insofern "auch gut so", da auf diese Weise noch etwas über die Person und die Gründe genannt wird, warum sie in den Stand eines Ehrenbürgers erhoben wurde. Einmal als Verstorbene(r) mit dem Wort "Died" gekennzeichnet, werden sogleich auch alle Erwähnungen und Hinweise auf die Gründe der Ernennung mit ausgelöscht [sic!]

[5der Name der Fotografen fehlt auf der Seite der Senatskanzlei


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