Diese Aufzeichnungen knüpfen unmittelbar an die Themen einer Begegnung mit Michael Ballhaus auf dem Talent Campus im Jahre 2004 [1] an, in deren Verlauf er unter anderem darüber sinnierte, was denn mit den Minisekundenbruchteilen von Schwarz geschähe, die bei jeglicher Filmprojektion mit eingeblendet würde, nicht aber bei einer digitalen Projektion.
Ebenso diskret wie bedeutungsvoll kam diese Thema wieder im Rahmen einer Veranstaltung an der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" zur Sprache, die - zunächst als das 7. Potsdamer Filmkolleg der FKTG angekündigt [2] - sodann als 1. Babelsberger Workshop unter dem Titel:
Digital Cinema - Herausforderungen für Ausbildung und Produktion
durchgeführt wurde. [3]
Am Nachmittag dieser unten in ihrem Verlauf dokumentierten Veranstaltung kam unter der gescheiten und beflügelnden Moderation von Prof. Hans Hattop die "Macher" zur Sprache:

– der Kameramann Klaus Scheurich: „The White Diamond“ (ein Film von Werner Herzog), der mit der HD-Kamera über den Baumwipfeln des Dschungels im südamerikanischen Guyana geflogen ist

– der Produzent Ulrich Stiehm, der über das Thema der digitalen Filmherstellung im Rahmen seiner Projekte mit "Zweit- und Drittlingsfilmen" berichtete und

– der ARRI Film Cameras & Lenses Product Manager Marc Shipman-Müller: der vor allem die ARRIFLEX D-20 als Work’n Progress-Projekt einer digitalen Unit für das erzählerische Kino vorstellte.
Wenn hier auch nicht alle Beiträge und Vorträge dieses Tages referiert werden können, so soll doch ein Moment an einem kleinen Neben-Satz von Marc Shipman-Müller festgehalten werden.
Als Kontrapunkt der Präsentation von Arbeitsergebnissen mit eben dieser Kamera von studentischer Seite

konnte er vor einem fachlich versierten und interessierten Publikum ausführlich die Vor- und Nachteile "seines" 1 Chip-Kamera-Systems in Bezug auf eine 35mm-Filmabtastung diskutieren. Und in eben diesem Zusammenhang spricht er von einer ganz besonderen Herausforderung: nämlich alle 50 (oder auch 60) Mal pro Sekunde ein "schwarzes Rauschen" zu generieren.
Während wir uns in der Zeit der Transformation vom Film auf das Video-Format zunehmend über das "Weisse Rauschen" haben verständigen müssen - das ja zuletzt sogar wieder zum Titel eines Filmes geworden ist - ist derzeit zunehmend die Frage von Bedeutung, wie ein "vernünftiges Schwarz" zu generieren sei. Auf der Leinwand ebenso wie in einer Kamera.
In einer Zeit, in der es so scheint, dass die Zukunft nur noch digital sein könne wird zunehmend deutlich, dass mit der zunehmenden Digitalisierung auch Fragen nach einem Zeit-Wahrnehmungs-Kontinuum auftauchen, auf die viele von uns noch gar nicht vorbereitet sind - und die dann zur Zeit in letzter Konsequenz noch "ex negativo" entschieden werden: Aktuell, so berichtet Marc Shipman-Müller, bei Daimler Crysler, wo die letzten Ausfahrten all ihrer Oldtimer - bevor man sie in das neue Museum in Stuttgart endgültig einstellt - auf 16mm Film dokumentieren, weil derzeit nur so eine Langzeitdokumentation dieser historischen Filmdokumente als sichergestellt zu sein scheint.
So sehr die digitalen Format als der Standard der Zukunft gelten - und viele dabei immer noch dem Aberglauben unterliegen, dass "alles digital" mit der Annahme gleichzusetzen sei, dass alles auch miteinander kompatibel wäre - so ist doch überhaupt noch nicht klar, wie denn aus einer selbst nahen Zukunft heraus zurückgeblickt werden kann auf Dokumente, deren Aufzeichnungs-Standards überholt sind, ja, die schlicht und einfach keine Maschinen mehr vorfinden, auf denen sie noch ausgelesen werden könnten.
Wim Wenders hat in einem Interview in Locarno [4] auf die Frage - welchen Rat er denn einem Filmstudenten mitgeben würde - gesagt, dass man die Film-Geschichte sehr genau studieren solle, bevor man dann alles wieder vergessen könne. Derzeit ist es dagegen so, dass viele der digitalen Erstlingsprodukte aus den frühen Jahren der Produktion heute schon nicht mehr vorgeführt werden können. Das war "damals" zu Videasten-Zeiten schon mit den verklebenden 1 Zoll Magnetbändern so und das wird sich heute in anderer Spielart genauso wiederholen.
Nur, dass wir uns heute nicht mehr nur über das "weisse Rauschen" unterhalten, sondern über das schwarze Rauschen den Kopf zerbrechen werden. Wir werden nicht mehr über das allsichtige Nichts reden, sondern über die Generation eines nicht mehr sichtbaren Nichts; über ein schliesslich fast nicht mehr wahrnehmbares "schwarzes Rauschen". Wir werden, zunächst in der Sprache der Technolgie-Ebene ein Problem ansprechen, das von zeit- und technikgeschichtlicher Dimension ist. Während wir darüber reden, wie "gutmütig" noch der alte Negativ-Film im Vergleich zum CMOS-Chip auf die Signalzugänge reagiert und dass die neuen Bilder Gefahr laufen, uns "zu viel des Guten" anzubieten, beschreiben wir die Phänomenologie eines Paradigmenwechsels, in dessem Verlauf noch viel entscheidendere Parameter neu "erfunden" werden müssen: die von Zeit und Raum.
WS.
Ein schönes Beispiel wurde den Zuhörern schon im Verlauf der Konferenz von Herr Björn Koll vorgetragen, in dem er aus der "Global Times Deutschland" aus dem Jahr 2015 vorlas. [5]
Ein weiteres Beispiele für dieses Thema "Erneuerungen" wurde während der Verleihung des Innovations- und des Drehbuchpreises am Abend des gleichen Tages im gleichen Hause deutlich: Es geht um die Ansprache von Kulturstaatsministerin Weiss

zur Verleihung des Deutschen Drehbuchpreises und des Innovationspreises 2005.

Der
Drehbuchpreis
ging an Harry Flöter für sein Drehbuch "Bunker 5".

Die
Innovationspreise
gingen zu gleichen Teilen an die Kinomatik, Wurster, Killenberger & Ratsch GbR
für das Projekt "MOVIEtube System" [6]

und die KurzFilmAgentur Hamburg e.V. für das Projekt "Online-Verleihdatenbank [7]

.
Was nach Adam Riese bedeutet, dass die gesamte Ausschüttung allein für den Innovationspreis auf insgesamt € 50.000 erhöht worden ist.
Bravo!
Während also tagsüber von den Spezialisten über die Auswirkungen der neuen digitalen Produktions- und Distributionstechniken diskutiert wurde, konnte man am Abend erleben, wie wenig das Verständnis dieser Technologien schon als allgemein gültig vorausgesezt werden kann. Andereseits macht die Auswahl der Preisträger deutlich, dass in den Fachgremien hier durchaus ein hoher Grad von Sachverstand und Interesse an neuen Themen und Vorschlägen vorgelegen haben muss.
Über "schwarzes Rauschen" zu diskutieren ist und bleibt in der Tat derzeit noch ein Thema für Spezialisten und Visionäre. Aber die Frage nach dem Verlust und/oder der Aufhebung des Linearen in der Welt des Digitalen wird von fundamentaler Bedeutung sein. Warum zum Beispiel, hat es im Tonbereich nach der Einführung der CD eine "Renaissance des Vinyl" gegeben? Warum kommt ARRI derzeit mit der Produktion von 16mm-Kameras nicht nach? Und wird das Geschichtenerzählen im digitalen Zeitalter wirklich von einer anderen Natur sein - oder werden in Zukunft die elektronischen Spiele die Licht-Spiel-Häuser in den Bankrott bringen - oder als "other digital stuff" mit neuem Leben erfüllen?
WS.