HdR: 25.März 1933

VON Dr. Wolf SiegertZUM Samstag Letzte Bearbeitung: 28. März 2023 um 00 Uhr 37 Minutenzum Post-Scriptum

 

I.

Zunächst zum Nachhören das Medienmagazin auf radioeins des rbb vom 25. März 2023: Vor 90 Jahren: “Nur nicht langweilig werden!”.

Hierfür wurden die hier als Link zitierten Sendeabschnitte der live-Sendung gemäss den im Podcast angezeigten Titel der Gliederung wie folgt zusammengestellt:

 > Die Gleichschaltung des Deutschen Rundfunks - 25.03.1933 - Dr. Kai Knörr - Nikolaus Löwe - Matthias Maetsch


 > Der Weg zur Machtübernahme - Dr. Kai Knörr - Katja Weber


 > Die geistige Mobilmachung - Dr. Kai Knörr


 > “Nur nicht langweilig werden!” - Matthias Maetsch - Dr. Kai Knörr


 > Das Radio als Massenmedium - Nikolaus Löwe


 > Die Vollstreckung - Dr. Kai Knörr - Herbert Antoine


 > Buchtipp: Nationalsozialismus: “Aufstieg – Macht – Niedergang – Nachgeschichte” - Katja Weber

II.

Der Beitrag vom 11. September 2022 Seit 90 Jahren: Das Berliner Haus des Rundfunks wurde mit diesem rbb24-tweet eröffnet:

Und wie folgt beendet:

Am 22 Januar 2021 hatten wir bereits ausführlich aus Anlass des Sendestarts berichtet - siehe: rbb: Du Altes Haus einer öffentlichen Sende-Anstalt - und dabei auch auf die fünfteilige Dokumentation von Wolfgang Bauernfeind verwiesenen. In einem Interview geht er auf einen entscheidenden Punkt ein, der - so bitter das auch ist - in den ausgewählten künstlerischen Arbeit überhaupt keinen Niederschlag gefunden hat: die Zeit des Nationalsozialismus und die gar nicht zu überschätzende Rolle, die in dieser Zeit der "Grossdeutsche Rundfunk" gespielt hat, entwickelt aus einem der Büros in diesem Hause:

Und der P.S.-Vermerk endet mit den Zeilen:

Einmal mehr ist zu beklagen, dass auch während dieses Rundgangs durch das Haus das Thema und die Zeit des Nationalsozialismus’ kein einziges Mal vorkam. Der einzige Ort, an dem die Geschichte konkret in Erscheinung trat, waren die kyrillischen Graffitis an den Innenhofwänden des Hauses, re-inszeniert von Christopher-Felix Hahn unter dem Titel: "Ich langweile mich – Мне скучно."

Der Ort, an dem Goebbels sein Büro hatte, ist und bleibt ein ’Betriebsgeheimnis’?!

Umso mehr ist es zu begrüssen, dass zumindest an diesem geschichtsträchtigen Datum das Thema nochmals aufgegriffen und dokumentiert wurde.

III.

Die eigene Beschäftigung wurde im Rahmen der Auslobung der Teilnahme im "Kunst am Bau" - Festival im März 2021 mit folgendem Konzept dokumentiert:

AUDIOTOPIA: We, the Artists in Residents; meet the rbb Residents Artists to pave the way to Future Audiences

Der Ort:
Wir „re-inaugurieren“ einen Ort des Dialoges, der sich in einem historisch relevanten Raum in diesem Haus des Rundfunks befindet. Jenen bis heute „Geheimnisvollen Ort“, an dem aus der Utopie eine Dystopie wurde und die Propaganda zum Programm. Genau dort, wo von Goebbels Rundfunkgeschichte geschrieben wurde.
Das Haus, in dem zentrale geschichtsträchtige Räume wie Archiv oder Bibliothek nicht mehr zu finden sind, bekommt damit einen neuen, realen wie virtuellen Kunstraum zurück. Ein Ort für die Nachgeborenen zur Wiederentdeckung der Geschichte, die dieses Haus bis heute prägt, ein Design-Thinking-Lab zur Erneuerung und künstlerischen Umsetzung der Werte von Qualität, Unabhängigkeit und Verlässlichkeit.

Der Text, auf den diese Konzeption Bezug nimmt, stammt aus eben dieser im Haus des Rundfunks gehaltenen Rede vom 25. März 1933 und lautet:

Erstes Gesetz: Nur nicht langweilig werden. Das stelle ich allem anderen voraus. [...] Sie müssen mithelfen, eine nationalistische Kunst und Kultur ans Licht der Welt zu bringen, die wirklich auch dem modernen Tempo und dem modernen Zeitempfinden entspricht. Gesinnung muß sein, aber Gesinnung braucht nicht Langeweile zu bedeuten. Und es ist Ihnen damit, daß Sie die Aufgabe haben, national sich zu betätigen, nicht ein Freibrief für die Langeweile mitgegeben.

IV.

Der Versuch, dieses Thema im Rahmen dieses Konzept-Entwurfs schon 2021 zur Sprache zu bringen, ist gescheitert - und dabei soll hier noch nicht einmal behauptet werden, dass bei der Zurückweisung dieses Vorschlages den EntscheiderInnen klar war, wie viel Sprengstoff in diesem Thema bis heute enthalten ist. Dennoch, und das ist ernst gemeint, es empfiehlt es sich wahrlich, diese Ansprache an die Intendanten und Direktoren der Rundfunkgesellschaften, im Haus des Rundfunks in Berlin [1] heute nochmals in voller Länge zu lesen, gerade heute.
Denn: Darin findet man dann auch Sätze wie diese:

Es darf der Technik nicht überlassen bleiben, dem Reich voranzulaufen, sondern das Reich muß mit der Technik gehen. Das Modernste ist gerade gut genug. [...] Ich halte den Rundfunk für das allermodernste und für das allerwichtigste Massenbeeinflussungsinstrument, das es überhaupt gibt. Ich bin auch der Meinung, daß — man soll das nicht laut sagen —, ich bin der Meinung, daß der Rundfunk auf die Dauer die Zeitung verdrängen wird.