Marlene Bart: "Theatrum Radix" in Text und Ton

VON Dr. Wolf SiegertZUM Dienstag Letzte Bearbeitung: 28. Mai 2023 um 15 Uhr 40 Minuten

 

Marlene Bart: Theatrum Radix

Virtuelle Naturordnung zwischen Kunst und Wissenschaft

Gibt es eine natürliche “Ordnung der Dinge?” Der Mensch hat zur Beantwortung dieser Frage verschiedenste visuelle Systeme erschaffen, die Orientierung und Sicherheit versprechen. Die Virtual Reality Installation Theatrum Radix der Künstlerin Marlene Bart ermutigt zur Prüfung dieser Sicherheit im Zusammenhang mit den Grenzen der visuellen und räumlichen Wahrnehmung.

Bart verwandelt den Hörsaal des historischen Anatomietheaters in eine begehbare Enzyklopädie, die von der Künstlerin geschaffene Objekte aus Glas und Kunststoff, naturkundliche Sammlungsgegenstände und ihre virtuellen Entsprechungen miteinander vereint.

Einen wesentlichen Bezugspunkt bilden die gezeigten historischen Objekte und deren Digitalisate, bei denen es sich um Scans aus dem CT- Labor des Museums für Naturkunde und der Mediasphere For Nature handelt. Sie werden durch die Virtual Reality-Animation narrativ erweitert und künstlerisch miteinander verknüpft. Einerseits kann durch diese Form der Intervention die Tribünenarchitektur des Tieranatomischen Theaters erkundet werden, andererseits erlaubt es den Besucher:innen, in eine neuartige und surreale Welt und Naturordnung einzutauchen.

Durch die damit verbundenen Perspektivwechsel wird die Linearität des enzyklopädischen Buches und die streng gegliederte Theaterarchitektur aufgelöst. Bart kreiert zugleich eine neue Architektur des Wissens, in der die Rangordnung und Metaphern der Welt umgedacht werden. Infolgedessen kann das hierarchische Konzept frühmoderner bis moderner biologischer Ordnungssysteme mit dem Menschen an der Spitze der „Schöpfung“ neu reflektiert werden.

Bart zielt auf das Infragestellen anthropozentrischer Denkweisen ab, um neue Wissensmodelle zu erzeugen. Darunter sind Systeme zu verstehen, die es uns ermöglichen können, Herausforderungen wie dem Rückgang der Biodiversität gesamtgesellschaftlich zu begegnen. Ferner schafft Barts alternativer Zugang zu den Objekten den Anreiz, kritische Fragen nach ihrer kolonialen Herkunft, Haltbarmachung und Präsentation zu formulieren. Die Kooperation von Tieranatomischen Theater und dem Museum für Naturkunde Berlin, das aktuell umfangreiche Digitalisierungsprojekte durchführt, um seine gesamte Sammlung digital zu erschießen, fördert den Dialog zwischen Kunst und Naturkunde.

Hier in Ergänzung zu diesem Text ein im Rahmen der Einladung: Tiere, Theater, Art & Tech geführtes Gespräch von - versprochen - nicht mehr als zehn Minuten (die sich wahrlich lohnen! WS):

© Ellen Grahl

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