Pre-IFA 2024

VON Dr. Wolf SiegertZUM Dienstag Letzte Bearbeitung: 16. September 2022 um 01 Uhr 59 Minuten

 

Dieser Text entstand im Vorfeld der 43. Funkausstellung

24.08.2001: Das Leid der Leitmesse
© Rainer Bücken

Das ist jetzt gute zwanzig Jahre her, und doch mehr als nur einen nostalgischen Rückblick wert.

Wenn man das Klagelied von damals über den Rückgang der Besucherzahlen oder das Fernbleiben grosser Marken ’hört’’ wird klar, warum nach diesem - nein, nicht Stinkefinger, wohl aber - Fingerzeig, der in die Wunden gelegt wurde, vieles geändert wurde: von der Umstellung auf einen einjährigen Rhythmus bis zur Einführung der sogenannten "weissen Ware".

Aber jetzt ist die IFA schon fast ganz am Ende - und sei es ’nur’ der Vertrag der gfu mit der Messe Berlin, der im Jahr 2023 ausläuft. Und was dann?

Verehrtes Publikum, jetzt kein Verdruß:
Wir wissen wohl, das ist kein rechter Schluß.
Vorschwebte uns: die goldene Legende.
Unter der Hand nahm sie ein bitteres Ende.
Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen
Den Vorhang zu und alle Fragen offen.

Einige der LeserInnen kennen diese Schlussverse von Bertolt Brecht aus: "Der gute Mensch von Sezuan". Aber auch die nachfolgenden?

Dabei sind wir doch auf Sie angewiesen
Daß Sie bei uns zu Haus sind und genießen.
Wir können es uns leider nicht verhehlen:
Wir sind bankrott, wenn Sie uns nicht empfehlen!
Vielleicht fiel uns aus lauter Furcht nichts ein.
Das kam schon vor. Was könnte die Lösung sein?

Brecht ruft in diesen letzten Zeilen eine Lösung auf, die wir heute mit Crowdsourcing oder gar Design Thinking assoziieren könnten - und die uns selbst mit in die Verantwortung ruft:

Sie selber dächten auf der Stelle nach
Auf welche Weis dem guten Menschen man
Zu einem guten Ende helfen kann.
Verehrtes Publikum, los, such dir selbst den Schluß!
Es muss ein guter da sein, muss, muss, muss!

Um es klipp und klar zu sagen: ein "gutes Ende", das wäre ein Neuanfang: vorbereitet in dem Abschied von der IFA im Jahre 2023. Embedded in der Hundertjahrfeier der IFA 2024. Neu erfunden während dieser zwei Jahre und dann neu gestartet in 2025 - oder gar nicht mehr.

Der besondere Charakter dieser Messe war immer, dass sie Publikums- und Geschäftskunden-Veranstaltung war. Der aktuelle Eiertanz um die Frage, welchem dieser beiden Pole in Zukunft das grössere Gewicht einzuräumen sei, erinnert fatal an die letzten CeBit-Jahre, in deren Verlauf.... aber lassen wir das.

Und dennoch, während in der Öffentlichkeit darüber spekuliert wird, wie es mit der IFA weitergeht, scheint völlig ausser Frage zu stehen, ob es überhaupt noch mit der IFA weitergehen wird.

Daher abschliessend - und zugleich zur Diskussion anregend - diese Thesen:

> Bei aller Sympathie mit den dort handelnden und verhandelnden Personen ist die gfu eine lame duck im Verglich zur cta.

> Der "Ich-hab’-die-grösser-Messe"-Kampf zwischen Berlin und Las Vegas verkennt völlig, dass die Aufmerksamkeit an Produkt und vom Publikum immer mehr dabei ist, sich nach Asien zu verlagern

> Die mit dem Covid-19-Argement belegten Reisebeschränktungen sind ein gerade noch öffentlichkeitswirksamer Schutzschirm vor dem Ausbleiben der Beteiligungen nternationalen Gäste.

> Nicht nur das "I" verblasst, das "F" ist es schon und so ist das "A" ider letzten Knochen, um den sich die Messeverantalter noch - und sei es aus Gründen der eigenen Existenzsicherung - balgen werden

> Kinos, Konzerte, Kunstausstellungen... überall bleiben auch in den Post-Covid-Perionden die Zuschauer aus. Selbst die Kneipen kommen nicht mehr an die alten Zahlen heram. Und die Messen, die sich nach den Massen sehnen...?

> Auch die Entscheidung, in diesem Jahr erstmals einen Philosophen auf die Bühne zu holen ist ohe Bedeutung, solange man nicht verstehen kann (oder will), was er zu sagen hat

> Als pars pro toto sei die "Digital X" genannt, mit der die Telekom von Berlin nach Köln umgezogen ist (und dort seit Jahren auch einen Philosophen eingeladen hat - sic!)

Wer also löst die Quadratur des Kreises auf? Die gfu wird sich neu orientieren, formieren und entscheiden müssen - und doch 2024 (immer noch) auf Berlin nicht verzichten können.

WS


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