Vor 70 Jahren: In 9 Tagen um die Welt

VON Dr. Wolf SiegertZUM Sonntag Letzte Bearbeitung: 16. September 2024 um 02h16minzum Post-Scriptum

 

Eine Radio-Reportage... als "Epos": das Hörspiel von Ernst Schnabel [2] : Interview mit einem Stern. Die NWDR-Produktion aus dem Jahr 1951 wurde zuletzt an jeweils 4 Terminen im Deutschlandradio wiederholt: 2018 am 8., 15., 22., und 29. Mai und 2021 am 5., 12., 19., und 26. Januar.

Am 3. März 1951 startete Ernst Schnabel zu einem Flug um die Erde. Die Erledigungen der behördlichen Formalitäten hatten drei Monate in Anspruch genommen, er war gegen 99 Krankheiten geimpft worden, einschließlich der Pest. Und er war der erste Deutsche nach dem Krieg, dem es gelang, einen solchen Plan zu verwirklichen.

Sein Flug um die Erde war kein Wettlauf mit der Zeit, wie ihn Jules Verne beschrieben hat, sondern eher eine Zeitreise, denn die Erde hat nicht nur viele Namen, sie zerfällt auch in sehr verschiedene Regionen, die Jahrhunderte voneinander entfernt sind, obwohl man sie in wenigen Stunden mit dem Flugzeug überqueren kann.

Der Flug um die Erde führte Ernst Schnabel zunächst von Hamburg über Berlin nach München, wo der eigentliche Start am 7. März mit der Super Constellation „Golden Flies“ stattfand.
Die Stationen der Reise waren: Beirut, Kalkutta, Hongkong, Tokio, Wake Island, die US-Basis mitten im Stillen Ozean, Honolulu, San Francisco, Chicago, New York. Nach neun Tagen landete er am 16. März wieder in Hamburg.

Nicht einmal vier Wochen später waren die Originalaufnahmen geordnet und geschnitten, war das Manuskript geschrieben und das nahezu dreistündige Werk produziert. Der Rundfunk hatte einen Reporter bestellt und bekam ein Epos; eine Sendung, die an die literarische Tradition der mündlichen Überlieferung anknüpfte und die Literatur wieder zum Sprechen brachte.

Ernst Schnabel schrieb zu seiner Großreportage: „Ich bin im März um die Welt geflogen. In neuneinhalb Tagen. Die meisten Leute, denen ich davon erzähle, schütteln den Kopf und meinen, das sei ein völlig verrücktes Tempo. – Ich für meine Person hatte mir allerdings etwas dabei gedacht: Ich bin früher Seemann gewesen. Viele Jahre hindurch und auf allen Meeren. Aber gerade, weil ich so viel von der Welt kannte, drohte sie mir immer unter den Händen auseinanderzufallen, in Zonen, die sich miteinander nicht vergleichen lassen, und Kontinente, die sich gegenseitig nichts anzugehen schienen. Ich habe diese Gefahr, in der ich schwebte, immer deutlicher gespürt und mir immer gewünscht, einmal mit einem einzigen Flug um die Erde die Welt in meiner Vorstellung als heiles Ganzes wiederherstellen zu können.“

Sabine Küchler, Hörspielchefin des Deutschlandfunks, und der Regisseur Leonhard Koppelmann sprechen am 12. Januar 2021 über dieses Hörststück: „Man begreift, welche Kraft Sprache hat“

P.S.

Weitere Quellen:

 https://www.hoerspieltipps.net/hsp/20879.html

 https://radio.friendsofalan.de/hoerspiel-interview-mit-einem-stern-1-4-von-ernst-schnabel/

 https://www.lockheedmartin.com/en-us/news/features/history/constellation.html

 https://www.historynet.com/the-legendary-lockheed-constellation.htm

Nachtrag vom Sonntag, den 15. September 2024, angesichts der Aussetzung der Verleihung des Hörspielpreises der Kriegsblinden – Preis für Radiokunst in diesem Jahr.

Nachdem eine Aufzeichnung dieses Hörspiel-Features "Interview mit einem Stern" weder beim Deutschlandradio noch in der ARD-Hörspieldatenbank noch in der ARD-Audiothek nachgehört werden kann [3] nehmen wir das Risiko auf uns, diese drei Sendeteile, samt der Anmoderation von Sabine Küchler, an dieser Stelle nochmals zu Gehör zu bringen:

Anmerkungen

[1... dort findet sich von Schnabel ein Kommentar in eigener Sache vom 3.9.1953 sowie ein Interview mit ihm, das Herrmann Rockmann mit ihm kurz vor seiner Abreise am 3. März 1961 noch in Hamburg geführt hat: In acht Tagen um die Welt: Interview mit Ernst Schnabel

[2

25.01.1986. Ernst Schnabel gestorben. Der frühere Intendant des Funkhauses Hamburg des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR), der Schriftsteller Ernst Schnabel, stirbt im Alter von 72 Jahren. Schnabel kam im November 1946 als Chefdramaturg zum NWDR und übernahm später die Leitung der Abteilung Wort. Nach einer Zwischenstation bei der BBC 1949/50 wirkte Schnabel von 1951 bis 1955 als Intendant des NWDR-Funkhauses Hamburg. Ab 1962 war er mitverantwortlich für das Dritte Hörfunkprogramm von NDR und SFB, von 1965 bis 1970 für die „Literarische Illustrierte“ im Dritten Fernsehprogramm von NDR/RB/SFB. Schnabel schrieb Romane, so „Die Reise nach Savannah“ (1939), und machte sich einen Namen mit Hörspielen und Features, u.a. „Der 29. Januar“ (1947), in denen er Dokumente, Reportagen, Dialoge, epische und dramatische Szenen montierte. 1958 produzierte Schnabel das später von der UNESCO ausgezeichnete Hörspiel-Feature „Anne Frank – Spur eines Kindes“

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[3... dort findet sich von Schnabel ein Kommentar in eigener Sache vom 3.9.1953 sowie ein Interview mit ihm, das Herrmann Rockmann mit ihm kurz vor seiner Abreise am 3. März 1961 noch in Hamburg geführt hat: In acht Tagen um die Welt: Interview mit Ernst Schnabel


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