No Show: transmediale # 34

VON Dr. Wolf SiegertZUM Samstag Letzte Bearbeitung: 24. Januar 2021 um 18 Uhr 53 Minutenzum Post-Scriptum

 

Wenn man, wie der Autor dieser Zeilen, dieses Festival seit einer Generation mit aufgebaut, immer wieder umgebaut und auf neue Füsse gestellt hat - künstlerisch, wie finanziell, wie organisatorisch - ist es zunächst nicht schwer zu akzeptieren und nachzuvollziehen, dass nun erneut versucht wird, sich mit einem neuen Angebot in der aktuellen internationalen Kultur- und Kunst-Szene zu platzieren.

Allein, zu lesen, dass diese vierunddreissigste und zugleich neue Ausgabe sich gleich vornimmt, ein "Einjahres-Festival" auf die Beine zu stellen, das löst eher Schrecken denn Freude aus: gehörte es doch bislang zu den Kern-Botschaften und -Qualitäten dieses Projektes, sich an einem Ort zu einem ganz bestimmten und bestimmenden Moment des Jahres zu treffen, zu begegnen, auseinanderzusetzen und zusammenzufinden [1].

Wie der nachfolgend zitierten Ankündigung zu entnehmen ist, soll ab diesem Tag eine Ausstellung an drei Veranstaltungsorten in Berlin eröffnet und dazu eine Webseite freigeschaltet werden.

Wie bitte, soll das denn gehen, wird jetzt, noch im November anno 2020 gefragt: Wie wäre es gewesen, wenn man sich zum Beispiel stattdessen entschlossen hätte, in nunmehr 3 Dimensionen virtuell an einem Ort zu treffen?

Die seit dem Herbst 2020 neu anlaufenden Theaterinszenierungen zeigen, dass es möglich sein kann, angesichts der aktuellen Herausforderungen noch mehr auf die Bühne der TV-/EDV-Monitore zu bringen, als eine abgefilmte Bühnen-Inszenierung [2].

Dass dieses auch für ein "Festival", wie es die transmediale bisher immer war, möglich sein kann, das wird erst noch unter Beweis zu stellen sein. Dass die Möglichkeiten heute dafür bereits zur Verfügung stehen, das haben viele Versuche und Anwendungen im Verlauf des Jahres 2020 bereits unter Beweis gestellt [3] [4]

Dass dieses aber ausgerechnet unter einem Motto wie "for refusal" ermöglicht werden soll, weckt Zweifel, ja Besorgnis, ja Ängste über das Gelingen eines so gewaltigen Unterfangens in so schwierigen Zeiten.

WS.

Die kommende Ausgabe der transmediale trägt den Titel for refusal und wurde unter der neuen künstlerischen Leitung Nora O Murchú zu einem Einjahres-Festival umgestaltet. Das Programm findet an mehreren Veranstaltungsorten Berlins statt, zu denen auch der erste eigene Projektraum des Festivals – das transmediale studio – gehört.

Thema

Das Dilemma der Verweigerung hat zunehmend an Dringlichkeit gewonnen. Leicht missverstanden als Geste der Untätigkeit und Passivität, sollte Verweigerung vielmehr als das Beharren auf Alternativen oder eine Forderung nach Reformen gesehen werden. Die 34. Ausgabe der transmediale setzt sich unter dem Titel for refusal mit Positionen der Verweigerung und daran geknüpften Visionen von Hoffnung auseinander.

„Verweigerung ist ein Akt, der sowohl ein Risiko als auch ein Versprechen in sich birgt, der aber vor allem Möglichkeiten für Welten eröffnet, wie sie zukünftig sein könnten und womöglich sollten“, erläutert O Murchú, künstlerische Leiterin der transmediale.

Von kleinen Akten der Verweigerung im Alltäglichen bis hin zu sanften Formen des Widerstandes, die es ermöglichen kollektive Infrastrukturen zu überdenken, wird die transmediale 2021–22 politische Handlungsmöglichkeiten der Verweigerung entwerfen und ihr Potenzial untersuchen neue sozio-politische Realitäten zu formen, die auf Fürsorge, Hoffnung und Begehren beruhen.

Ein Einjahres-Festival

Während der letzten Monate hat die COVID-19-Pandemie durch ihre Auswirkungen auf Kunst und Gesellschaft Ungleichheiten verschärft und die Notwendigkeit eines nachhaltigeren Ansatzes in der Kulturarbeit verdeutlicht. Als Reaktion auf diese Umstände wurde das Programm des Festivals zu einem einjährigen Format erweitert, dessen Veranstaltungen in Berlin und online stattfinden werden. Als Festival, das sich stets mit der Kritik am Status Quo sowie innovativen Kulturformaten auseinandersetzt, will die transmediale eine Plattform bieten, die nicht nur auf die Umstände der Pandemie reagiert, sondern Künstler*innen durch entschleunigte Prozesse und eine nachhaltige Auseinandersetzung mit ihren Arbeiten unterstützt.

Das Einjahres-Festival beginnt am 23. Januar 2021 mit einer Ausstellung an drei Veranstaltungsorten in Berlin. Zeitgleich wird auf der transmediale Webseite ein Online-Programm gelauncht, das sich im Laufe des Festivaljahres entwickeln wird.

transmediale studio

Die transmediale ist umgezogen: Die Büroräume und das neue transmediale studio befinden sich seit September 2020 im Silent Green Kulturquartier im Wedding. Erstmals in der Geschichte des Festivals verfügt die transmediale über einen öffentlichen Projektraum, der Veranstaltungsort für Teile des Festivalprogramms sein wird.

Die transmediale operiert unter der künstlerischen Leitung von O Murchú und Filippo Gianetta in der Position des geschäftsführenden Leiters. Gestaltet wird das Programm der transmediale 2021–22 in Zusammenarbeit mit den Kurator*innen Ben Evans James und Lorena Juan sowie der kuratorischen Beratung durch Edna Bonhomme, Luiza Prado de O. Martins und Terence Sharpe.
Die Kulturstiftung des Bundes fördert die transmediale bereits seit 2004 als kulturelle Spitzeneinrichtung. Eine vollständige Liste der Partner und Supporter findet sich auf der transmediale Webseite (https://transmediale.de/partners) .

Lynn Kühl
press@transmediale.de
tel: +49 (0)30 959 994 236
https://transmediale.de (https://transmediale.de/de

P.S.

 Diese erste Programmankündigung und der dieser vorangestellte Text wurde schon im November des Jahres 2020 verfasst und veröffentlicht: Es hätte eigentlich allen Anlass gegeben, damit Mut machen zu wollen, und aufzumuntern, sich von den aktuellen Gefährnissen und Perspektiven nicht ins mentale, kulturelle, aber auch ökonomischen und soziale Abseits drängen zu lassen. Würde man das Motto vom "refusal" in diese Richtung lenken und zur Geltung bringen, würde das sogar noch in gewisser Weise Sinn machen...

 Das ist der O-Ton der zweiten Pressemitteilung (PM) vom Beginn Dezember 2020: Eine konkrete oder gar persönliche Ansprache fehlt nach wie vor:

PM 2020-12-04

Warten wir also ab, was uns die Webseite https://transmediale.de/ erzählen, wozu sie einladen wird.

 Das ist der O-Ton der dritten Pressemitteilung (PM) vom 18. Jänner 2021:

PM 2021-01-18

Um dann darin zu erfahren:

Ab dem 15. Januar präsentieren transmediale & CTM Festival die 10. Jubiläumsausgabe des Pre-Festival Programmes Vorspiel.

Wie gut, dass am gleichen Tage auch der dritte CTM-Newsletter erschien, mit einem Angebot an Performances, Diskusions-Reihen und einer virtuellen Club-Nacht, das mehr als nur neugierig werden lässt, einem zum ’Überläufer’ werden lassen könnte.

Anmerkungen

[1Wer oben in dem blau umrandeten Kasten "transmediale" als Suchbegriff eingibt, kommt zusammen mit diesem Beitrag auf nunmehr "89" Einträge (sic!).

[2Als Beispiele dafür:

 "Der Zauberberg" am Deutschen Theater. Online-Premiere am 20. November 2020, hier noch am gleichen Abend besprochen für die Sendung FAZIT im Deutschlandfunk Kultur von André Mumot: "Sebastian Hartmann inszeniert den ’Zauberberg’ fürs DT und streamt die Premiere"


 "Europa oder die Träume des dritten Reichs". Online-Premiere des Theaters an der Ruhr vom 22. November 2020, hier besprochen von Stefan Keim in der Sendung FAZIT von Deutschlandfunk Kultur am selben Abend:

[3Siehe den Bericht von Matthias Punz im Tagesspiegel vom 24. November 2020: Viel mehr als Spielzeug. Museumsbesuche und Homeschooling über Virtual Reality.

[4Und hier empfiehlt sich auch das DLD Sync Gespräch vom 23. November 2020 von Ben Vickers und Herman Narula zum Thema: Future of Virtual Worlds.


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