"Foxtrot" erstmals im deutschen Fernsehen

VON Dr. Wolf SiegertZUM Donnerstag Letzte Bearbeitung: 29. August 2020 um 11 Uhr 50 Minutenzum Post-Scriptum

 

Seit dem 26. August 2020 ist in der ARTE Mediatheque der Film Foxtrott [1] zu sehen. Er wird auf dem Portal des Senders wie folgt vorgestellt und in seiner Wirkung beschrieben:

Tel Aviv. Eines Morgens stehen ein Offizier und ein Arzt vor der Tür von Michael und Daphna Feldman und teilen ihnen mit, dass ihr Sohn Jonathan bei der Ausübung seines Militärdienstes ums Leben kam. - "Foxtrot" (2017, Regie: Samuel Maoz) zeichnet ein unschmeichelhaftes Bild der israelischen Armee und wie sie bis tief in den Alltag hinein die Gesellschaft prägt.

Tel Aviv: Eines Morgens stehen ein Offizier und ein Arzt vor der Tür von Michael und Dafna Feldmann und teilen ihnen mit, dass ihr Sohn Jonathan bei der Ausübung seines Militärdienstes ums Leben kam. Ein strenges Protokoll beginnt, das den Eltern Halt und die Möglichkeit geben soll, sich mit dem Tod ihres Sohnes auseinanderzusetzen. Fünf Stunden später kehren die Soldaten zurück und erklären, dass es sich um eine Verwechslung handele. In Wahrheit fiel ein Namensvetter ihres Sohnes. Michael drängt darauf, dass Jonathan nach Hause beordert wird. Doch Jonathans Einheit kontrolliert in einem abgelegenen Niemandsland an der Grenze Israels Reisende. Und bis die Armeebürokratie ihn freistellt und zurückholt, geschieht tatsächlich noch eine Tragödie. Regisseur Samuel Maoz, dessen vielfach prämierter Film „Lebanon“ bereits seine Erfahrungen in der israelischen Armee kritisch beleuchtet hatte, löste mit „Foxtrot“ in seiner Heimat Israel einen politischen Sturm aus. Die konservative Kulturministerin Miri Regev drohte, der Filmförderung und anderen öffentlichen Institutionen Gelder zu entziehen, weil sie den Film finanziell unterstützt hatten, beziehungsweise ihn zeigen wollten. „Foxtrot“ zeichnet in der Tat ein unschmeichelhaftes Bild der israelischen Armee und wie sie bis tief in den Alltag hinein die Gesellschaft prägt. Doch vielleicht war es gar nicht das, was den Furor der konservativen Kreise Israels auslöste. Sondern dass der Film fast beiläufig eine Gesellschaft zeigt und kritisiert, die die eigene nationale Geschichte nach der Schoah zu einer Abfolge heroischer Siege verklärt.

Zu sehen ist dieser Film bis zum 1. September 2020.

Am 8. Oktober 2018 zeigte uns der Regisseur und Drehbuchautor Samuel Maoz seinen Film in einer privaten Vorführung in Israel und stellte sich danach dem Gespräch.

Über diesen Tag und diesen Film-Abend wurde damals noch in der Nacht dieses Protokoll angefertigt:

Tel Aviv, Tag 2

Hier und heute, aus dem Zusammenhang dieses Tagesberichtes herausgelöst, jene Absätze, die sich mit dieser Filmvorführung beschäftigen:

20:15 Uhr bis 22:30 Uhr Filmvorführung und Filmgespräch mit dem Regisseur und Drehbuchautor Samuel Maoz* zu dem Spielfilm „Foxtrot“
Treffpunkt: Ozen Bar / The Third Ear, King George St 48, Tel Aviv

Am Ende des Tages noch ein Interview? Für die Begegnung mit Samuel Maoz wurde ein anderer Weg gewählt. Er wird gebeten, die Begrüssung des Publikums in das eigene Mikro zu sprechen, ohne dass dadurch seine Stimme im Kinoraum verstärkt werden würde. Er ist ein Profi, erklärt dieses besondere Situation seinem Publikum und sagt dann - unter anderem - dieses:

Nach dem Ende des Films gibt es Applaus und eine kurze Pause. Danach fragt er erneut nach dem Mikro, bekommt es aber nicht. Diese Entscheidung war intuitiv, denn er redet ganz offensichtlich gerne mit seinem Körper, vor allem mit seinen Händen, und ein Mikro hätte dabei nur gestört. Daher werden die nachfolgenden Aussagen aus der ersten Reihe mitgeschnitten, wohl wissend, dass die Aufnahmequalität nicht die gleiche sein kann. Dennoch sei aus dieser Konversation zumindest eine exemplarische Aussage zum Thema der zweiten Holocoust-Nachfolgegeneration herausgesucht und an dieser Stelle präsentiert:

Die Gruppensituation hat es nicht ermöglicht, mit ihm noch ein darüber hinausgehendes Gespräch zu führen, in dem auch kritische Elemente angesprochen worden wären. Dennoch an dieser Stelle zumindest eines der prägenden Elemente dieses Films, das als ein grandioses Schau-Bild vom Staat Israel verstanden werden kann.

Es geht um einen Wellblechcontainer. Im Verlauf des Films neigt sich dieser immer mehr zur Seite und droht irgendwann voll und ganz zu kippen. Die vier jungen Soldaten, die darin "wohnen", sind sich dessen durchaus bewusst. Sie lassen, über die Abende verteilt, immer wieder eine Essensdose von der einen Seite auf die andere rollen. Und stellen dann fest, dass die "Rollzeiten", die die Dose für diesen Weg braucht, immer kürzer werden.

Nachdem sie einen Wagen mit vier Unschuldigen mit ihren Maschinengewehrsalven unter Beschuss genommen und die Insassen getötet haben, kommt es schliesslich zur Befragung durch ihren Vorgesetzten, der mit dem Helikopter eingeflogen wird. Dabei setzt sich erneut eine Dose in Laufrichtung der schiefen Ebene dieses Containers in Bewegung. Und schlägt mit einem lauten Knall an dessen anderem Ende an.

Da diese Dose aber keine Handgranate ist, geschieht weiter nichts. Als den jungen Leuten aus ihrem überprüften Auto beim Öffnen des Türschlages eine Bierdose heraus gekullert war, wurde ihr Aufprall auf dem Boden als das Aufschlagen einer Handgranate "wahr"-genommen, der Wagen sofort unter Beschuss genommen und das Leben der vier Insassen vernichtet: in einer höheren symbolischen Dichte als dieser kann man die aktuelle Lage des Landes und seiner Befindlichkeiten derzeit kaum zur Darstellung bringen.

Lassen wir diesen damals noch mitten in der Nacht verfassten Text so für sich stehen, wenngleich es heute, zwei Jahre später, doch so viel mehr zu dieser Begegnung, diesem Film, aber auch den Unterschieden zu sagen gäben, die sich einstellen, als dieser Film jetzt nochmals allein in einem komfortablen Berliner Büro vor einem grossen TV-Bild-Monitor und zwei gut beschallten Lautsprecherboxen nachverfolgt werden kann...

P.S.

Auf Anfrage hier nochmals der Hinweis, dass der Film zur persönlichen Ansicht mit MediathekView auch später noch angesehen und heruntergeladen werden kann:

Anmerkungen

[1

Regie :
Samuel Maoz
Drehbuch :
Samuel Maoz
Produktion :
Spiro Films
Pola Pandora
A.S.A.P. Films
KNM
ZDF
ARTE
Produzent/-in :
Michael Weber
Viola Fügen
Eitan Mansuri
Cedomir Kolar
Marc Baschet
Michel Merkt
Kamera :
Giora Bejach
Schnitt :
Guy Nemesh
Arik Lahav Leibovich
Musik :
Amit Poznansky
Ophir Leibovitch
Mit :
Lior Ashkenazi (Michael Feldmann)
Sarah Adler (Dafna)
Yonatan Shiray (Jonathan)
Karin Ugowski (Mutter)
Shira Haas (Alma)
Yehuda Almagor (Avigdor)
Arie Tcherner (Hoher Offizier)
Szenenbild / Bauten :
Arad Sawat
Land :
Israel
Frankreich
Deutschland
Jahr :
2017
Herkunft :
ARTE F
ZDF


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