"ELSTER" eingeMEINden!

VON Dr. Wolf SiegertZUM Mittwoch Letzte Bearbeitung: 22. April 2020 um 22 Uhr 17 Minutenzum Post-Scriptum

 

0.

Gelegentlich ist es ja gut, sich nach dem Frust erst einmal von dem Problem zu distanzieren, um sodann die Aufgabe nochmals neu anzugehen.

Daher wird die an dieser Stelle am Tag zuvor erzählte Geschichte wie folgt fortgeschrieben.

1.

Am Folgetag wird zunächst einmal die bereist installierte AusweisApp2 nochmals auf den aktuellen Stand gebracht. Dabei stellt sich heraus, dass das bereits die fünfte Aktualisierung ist. Das heisst, es sind bereits - allein in der Zweier-Vrsion - nach und nach fünf Versionen eingespielt worden: die 1.6.3, die 1.10.3, die 1.14.3, die 1.16.3 und jetzt die 1.20.0.

In diesem Fall sogleich gekoppelt mit der diskreten Aufforderung, sich mit einer neuen Oberfläche anzufreunden, da die bisher benutzte demnächst eh’ demnächst abgeschaltet werden wird. O-Ton/-Text:

"Bitte beachten Sie, dass die alte grafische Nutzeroberfläche in der nächsten Version der AusweisApp2 entfernt wird!"

Danach wird die Option "USB Kartenleser" ausgewählt. Dennoch wird der bereits angeschlossene Kartenleser der Firma REINERSCT nicht erkannt. Es sogenannter "cyberJack(R)secoder".

Aber, was soll’s: Wir habens ja: es wird ein zweiter USB Kartenleser angeschlossen, aus dem gleichen Haus mit dem Namen "cyberJack(R)RFID komfort". Da haben wir es schon wieder, das "Komfort"-Versprechen...

Hier das Ergebnis:

Das Gerät wird erkannt, aber es wird verlangt, einen neuen weiteren Treiber zu installieren.

Auf der durch diesen Link indizierten Seite kommt man aber noch lange nicht auf die richtige Stelle, sondern lediglich auf die Homepage der Firma, die zunächst einmal als Default ALLE Cokies einspielen will, die es so in der Vorderhand hält.

Dann muss man sich bis auf das hier gesuchte Gerät vorabeiten und erfäährt

Mit diesem Chipkartenleser bringen Sie jede Menge Komfort in Ihren Alltag. Denn er unterstützt nahezu alle Anwendungsmöglichkeiten von Chipkarten und überzeugt durch sein ausgezeichnetes Design. Ein besonderes Highlight ist die Nutzung von kontaktbehafteten und kontaktlosen RFID Chipkarten.

Um danach dann auch zur Abteilung "Treiber Downloads" zu gelangen: Dort wird jetzt die Version "bc_7_8_1" abgerufen, um mit dieser die zur Zeit installierte Version "bc_7_2_5" zu ersetzen.

Und dabei ist es wiederum wichtig, nach dem Download n i c h t der Aufforderung "Durchführen" zu folgen, sondern über den Explorer die Datei selber anzuklicken und diese dann mit den Administrator-Rechten zu installieren. Während der Installation wird dann auch die bisherige Version 7.5.4 erkannt und angekündigt, dass diese durch die Version 7.8.1 ersetzt werden wird.

Danach soll der Rechner neu gestartet werden, was auch hier zunächst einmal bedeutet, eine Pause einzulegen.

2.

Nach dem Neustart erneut die AusweisApp2 geöffnet, nachdem auf dem Lesegerät auch die Version "Secoder 2 V 2.2.0" angezeigt wird. Jetzt wird mit einem grünen Haken die Installation des neuen Treibers bestätigt.

Also zurück in die "mein ELSTER" - Anwendung, erneut das Login für die AusweisApp vorbereitet und diese Mal auf die folgende Seite gelangt:

Als Anbieter der Software wird der "Freistaat Bayern" benannt, als Aussteller des Berechtigungszertifikats die D-Trust GmbH - mit dieser Weg-Adresse:http:/www.d—trust.net.

Frage, soll man einer solchen Firma trauen, die noch nicht einmal eine "https"-Zertifizierung hat?

Bevor man sich aber dieser "philosophischen" Frage weiter zuwenden kann, beansprucht der Rechner wieder die voll Aufmerksamkeit mit dieser Meldung.

Auch der nochmalige Startversuch führt zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis. Also wird der Rechner nochmals heruntergefahren, wobei dieser - für keine halbe Sekunde nur - was von einem "Stack overflow" erzählt.

Aber auch nach dem Neustart sind wir von einer "Komfort"-Lösung weit entfernt. Denn zunächst wird seit der neuen Software-Implementierung die bisher gültige PIN-Nummer nicht mehr akzeptiert. Nach zwei Fehlversuchen wird vor dem dritten Versuch nach der "CAN"-Nummer gefragt. Diese stünde vorne auf dem Ausweis. Um diese lesen zu können, muss der Ausweis aber aus dem Lesegerät entfernt werden - worauf der ganze Vorgang einmal mehr zusammenbricht.

Das Ziel der Abfrage war eine Selbstauskunft. Dazu wird auf dem Display diese Anbieterinformation eingeblendet: von einer "Governikus GmbH & Co KG" in Bremen. Nach dem Abbruch des Verfahrens wird dieser Vorgang wie folgt dokumentiert:

Daten-Abfrage-Verlaufs-Auskunft

Bevor ein dritter Versuch unternommen wird, ein Blick auf die Webseite der Firma zu der Frage: Was tun, wenn PIN nicht akzeptiert wird?

3.

So. Die zweite Pause. Mit der Dokumentation dieses Vorgangs vor gut und gerne drei Stunden angefangen. Und immer noch nicht am Ziel. Aber es gibt immerhin eine Telefonnummer für eine technische Auskunft. [1]. Die bei dem ersten Versuch dort erteilte Auskunft ist klipp und klar: Wenn die notierte PIN nicht erkannt würde, sei sie einfach falsch (... ein unschlagbares Argument, denn wer ist schon frei von Fehlern?). Auf die Frage, ob es keine Möglichkeit gäbe, den dritten noch offenstehenden Versuch so zu moderieren, dass es dann nicht zu einer Sperre komme, konnte nicht beantwortet werden.

Was tun? Sollen wird die diese Aufzeichnungen über die Mailadresse nach Bremen schicken und warten, was weiter passiert? Denn das ist vielleicht immer noch schneller, als jetzt beim Bürgeramt um eine neue PIN anzufragen. Oder?

4.

Wir machen einer weitere Denk-Pause. Und schauen nochmals nach unter: Alte Ausweis-PIN zweimal falsch eingegeben. Nach diesem Dokument kann auch bei der dritten "Falsch"-Eingabe die Sperre das Ausweises mit einer sogenannten PUK-Nummer - die vorliegt - wieder aufgehoben werden. Dieser Hinweis wurde an der Hotline so nicht übermittelt.

Also rufen wir nochmals bei der gleichen Hotline an. Und werden dieses Mal von einem anderen Mitarbeiter bei der gleichen Schilderung des gleichen Falls kompetent - und letztendlich sogar erfolgreich - bei dem weiteren Tun begleitet.

Und das sieht so aus:
— nochmals die CAN- und die PIN-Nummer eingeben
— den Hinweis auf die Sperre der Karte annehmen
— die Kartenfunktion mit der PUK-Nummer wieder freischalten
— die bisher als falsch ausgewiesene PIN-Nummer nochmals eingeben
Jetzt fragt die Anzeige nach einer neuen PIN-Nummer, also:
— die bisherige PIN-Nummer wird als neue Nummer nochmals eingegeben
— diese Nummer wird in einer zweiten Abfrage nochmals wiederholt
— diese "Änderung" wird anerkannt.

5.

Summa Summarum: Dieser Text wird jetzt doch in dieser nun abgeschlossenen Form nach Bremen geschickt. Als Anregung für weitere Verbesserungen und Dank für den letztendlich doch gelungenen Betreuungsversuch.

Für einen "Bremer Butscher [2]" eigentlich selbstredend :-)

WS.

P.S.

Der Kommentar

Am Abend dieses zweiten Tages war es (fast) vollbracht: Der Zugang auf das "mein ELSTER"-Portal konnte eingerichtet werden (wenngleich auch noch nicht in dem gewünschten Sinne in Betrieb genommen, da es nicht möglich war, die in der bisherigen Arbeit in den letzten Jahren abgelegten "*.elfo"-Dateien auf diese Plattform einzuspielen, da von dem System Dateien im "*.xml"-Format angefordert werden).

Selbst, wenn man die Zeit für die hier vorgelegte Dokumentation dieses Vorgangs und die darüber im Umfeld dieser zwei Tage geführten Gespräch nicht mit einbezieht, so ist die reine Arbeitszeit dennoch gut und gerne mit mindestens einem MannTag anzusetzen.

Das ist eindeutig zu viel Zeit-Aufwand. Und der gilt auch nur dann, wenn ein Mindestmass an Kenntnissen und Fähigkeiten vorausgesetzt werden kann, das nach der persönlichen Einschätzung - zumindest heute noch - nicht als allgemein geltend angenommen werden kann.

Daher wurde hier dieser Selbstversuch unternommen und auch so ausführlich dokumentiert, mit allem Bemühen um Fairness. Und kommentiert, auch mit aller zu Gebote stehenden Schärfe.

Denn dieser "Einzelfall" steht als pars pro toto für eine Entwicklung, die schon über viele Jahre, ja, Jahrzehnte beobachtet und immer wieder neu auch an der eigenen Person gespiegelt werden konnte.

Beobachtet, spätestens seit aus Anlass des 40. Jahrestages der DATEV in Nürnberg im Auftrag des Hauses deren Geschichte in einem viel beachteten Beitrag aufgearbeitet worden war. Gespiegelt, da schon über viele Jahre der elektronische Umgang mit diesen Steuer-Erklärungs-Systemen auf der Tagesordnung der eigenen Berufspraxis stand - und bis heute steht.

Der Antrieb, der Darstellungen wie diesen zugrunde liegt, ist in der Hoffnung gegründet, dass sich an so einem Einzelfall auch etwas ableiten, erkennen und in seiner Bedeutung ermessen lässt, was von sehr viel höherer allgemeinerer Bedeutung sein könnte. Nach der Elektrifizierung die Digitalisierung. Und was kommt danach?

Die Erfahrung und nachfolgend die Erkenntnis, dass sich die immer komplexer und komplizierter werdenden Regelwerke sich nicht dadurch haben vereinfachen lassen, dass ihre Dokumentation aus den Regalmetern auf die Festplattenspeicher ausgelagert wurden. Und ob sich das mit einer noch weitergehenden Verlagerung und Verankerung in einer Blockchain "verbessern" wird?

Das Geld lebt von dem Vertrauen, das ihm entgegengebracht wird. Aber wir leben in einer Zeit, in der das Anlegen von Geld von den Banken nicht mit Zinsen belohnt, sondern mit Strafgebühren geahndet wird. Wo die Öl-Barrel-Orders mit Zuschüssen belohnt werden, in denen Cum-Ex-Geshäfte immer noch als eine einst besonders clevere Idee gelten. Und die Entscheidungen über den Ankauf und Verkauf von jenen wirtschaftlich am erfolgreichsten im Markt umgesetzt werden, die dafür die schnellsten aller schneller Rechner zum Einsatz gebracht haben...

... das wär’s doch: nur noch bargeldloser Zahlungsverkehr und eine KI, die dann pro Quartal schon selber zu erklären weiss, wie die jeweilige Umsatzsteuervorauszahlung auszusehen hat.

Angesichts der Erfahrungen der letzten beiden Tage kommen - auch von Seiten der LeserInnen in Deutschland - Reaktionen zu Wort, in denen so eine Entwicklung wie in der VR-China nicht länger nur als Dystopie abgekanzelt, sondern zum Ausgangspunkt des Nachdenkens über eine runderneuerte Utopie gemacht wird.

Und was, was wollen wir? 150 Jahre nach der Geburt von Wladimir Iljitsch Uljanow eine neue, virtuelle NEP oder zumindest eine stabile homologisierte digitale Infrastruktur, die uns vor dem GAFA-Nepp zu schützen in der Lage wäre?

WS.

Anmerkungen

[1T

Telefon: +49 421 204 95 995 (Ortstarif, Mobilfunk ggf. abweichend)
Fax: +49 421 204 95-11
E-Mail: support@ausweisapp.de

[2soweit bekannt, kommt dieser Begriff aus dem mecklenburgischen Platt und beschreibt einen "Herumstrolchenden", einen, eher positiv ausgedrückt, "jungen neugierigen Kerl, der sich so schnell nicht geschlagen gibt"


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