Bilder von DER Nacht des Glücks

VON Dr. Wolf SiegertZUM Sonntag Letzte Bearbeitung: 10. November 2019 um 20 Uhr 44 Minutenzum Post-Scriptum

 

Nun ist am vergangenen Samstag einmal mehr gefeiert worden: Der "Mauerfall" - vor nunmehr dreissig Jahren [2].

Ja. Und Nein: Denn die Mauer ist in dieser Nacht zum 10. November 1989 nicht "gefallen". Sondern der Druck auf diese Mauer war in den letzten Monaten so gross geworden [3], dass sie von innen her schliesslich durchbrochen werden konnte. [4].

Eingerissen. Aufgerissen. Überwunden:

Und schon alsbald abgerissen. Für viele konnte es gar nicht schnell genug gehen, dass diese Mauer und mit ihr all die Sperranlagen verschwanden. So schnell und so nachhaltig, dass sie inzwischen mehrfach für die Filmstudios als Kulisse rekonstruiert wurden, da sie im Original nicht mehr in ausreichender Länge aufzufinden waren.

Stattdessen wurden in den Strasse rund um das Brandenburger Tor kleine mit Steinen markierte Streifen eingesetzt, die den einstigen Verlauf dieser Grenze markieren. Und daran erinnern sollen.

Merksteine, die bis zu den Stelen führen, die an die Ermordung von so unendlich vielen Juden und so vielen anderen Menschen erinnern, die nicht in das Selbstverständnis vom Deutschen Staat und seinen Menschen zur Zeit der Herrschaft des Nationalsozialismus passten. Und deshalb weg mussten. "Bestenfalls" ins Exil, in den Untergrund, "schlimmstenfalls" in die Gefängnisse und in die Viehwagons, mit denen sie an die Rampen der Konzentrationslager verbracht wurden.

Bislang kaum beachtet - vielleicht auch immer noch nicht ausreichend bedacht - dass diese Auf-Merk-Steine in Beziehung stehen könnten zu all jenen Stolpersteinen: Im Boden vor jenen Häusern eingelassene Messingtafeln, die an die Namen der daraus vertriebenen Juden erinnern.

Ceterum Censeo [5]: Der Neunte November - und nicht der Dritte Oktober - ist DER Tag, an dessen Wiederkehr sich alle in Deutschland - und nicht nur die Deutschen - erinnern sollten:

1989 war die Oppostion in der DDR so mächtig geworden, dass es den Versuch gab, nach so vielen Jahren der Demütigungen durch eine nicht frei gewählte Diktatur einen anderen sozialistischen Staat aufzubauen, der der Mauer nicht mehr bedurft hätte und dennoch weiter hätte existieren können. Der "Fall" der Mauer war nicht nur das Fanal für das Ende der DDR, sondern auch der Anfang vom Endes des Strebens für eine andere DDR.
Will man diese sich doppelt beschleunigende Entwicklung auf den Punkt bringen, so ist es vielleicht für Aussenstehende am ehesten dadurch getan, dass aus dem "Wir sind das Volk" - Leitmotiv der Demonstranten sich die Parole "Wir sind ein Volk" herausmendelte.

1938: In der gleichen Nacht dieses Jahres - bis heute leider am ehesten noch als sogenannte "Reichskristallnacht" bekannt - vom 9. auf den 10. November, schlug die Zeit der vorangegangenen Diskriminierung der Juden in ihre öffentliche Verfolgung und Vernichtung um: Geschäfte wurden geplündert, Synagogen in Brand gesteckt, Friedhöfe geschändet, Menschen ermordet.

1918:

In Berlin überschlugen sich am 9. November 1918 die Ereignisse. Zunächst übertrug Prinz Max von Baden sein Reichskanzleramt dem MSPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert – ein Vorgang, der in der Verfassung so gar nicht vorgesehen war. Am selben Tag rief Eberts Parteifreund Philipp Scheidemann vom Balkon des Reichstags die „deutsche Republik“ auf parlamentarisch-demokratischer Linie aus; etwa gleichzeitig proklamierte der Sprecher des Spartakusbundes und spätere Mitgründer der KPD, im Berliner Tiergarten und etwa zwei Stunden später nochmals vom Balkon des Berliner Stadtschlosses die „freie sozialistische Republik“.

P.S.

Wir haben in diesem Artikel ganz bewusst eine Reihe von Links auf Artikel der Wikipedia gesetzt. Und laden die Berliner dazu ein, sich am Aktionstag ab 12 Uhr im Norden und ab 13 Uhr im Süden darüber zu informieren, wie diese Texte entstehen, und wie eine eigene Teilnahme möglich sein könnte (um beispielsweise einen Beitrag über Wilhelm Siegert zu verfassen?! [6]).

Planungen Wikipedia vor Ort 2019

In:
 Berlin-Nord, Buttmannstraße 16, 13357 Berlin
 Berlin-Süd , Köpenicker Straße 45, 10179 Berlin

Am Samstag - neben den so vielen anderen Aktionen - verpasst: Die U-Bahn 2 von Pankow nach Ruhleben und von dort aus zurück. Ab 11:03 Uhr u.a. mit den - ehemaligen - KollegInnen Regine Sylvester und Arno Widmann.
Stattdessen Radio gehört. Am Morgen "Das Wochenendjournal" im Deutschlandfunk von Ute Meyer: Deutsche Einheit – gespaltenes Land? vielen O-Tönen und dem Ü-Wagen-Gast Markus Meckel, Bürgerrechtler der letzte Aussenminister der DDR:

Anmerkungen

[1Dazu als Fingerübungen in dieser Publikation u.a. diese Beiträge vom 2. April 2011: "History, Memories & Serendipity", vom 12. August 2014: "Ihr Glücklichen an und vor der Front!" und vom 6. Juni 2016: "Da Capo: WW I".

[2Der Tag, an dem der VfB Stuttgart Bayern München im Achtelfinale des DFB-Pokals mit 3:0 besiegt hatte (sic!)

[3Hier der Link zu einem RTL-Beitrag aus dem Jahr 1994 mit Einspielungen von:

Ronald Reagan, ehem. Staatspräsident USA
Michail Gorbatschow, ehem. Staatschef, UdSSR
Guyla Horn, ehem. Außenminister Ungarn
Eduard Ackermann, ehem. Kanzlerberater
Wladimir Krjutschkow, ehem. KGB-Chef
Erich Honecker, ehem. DDR-Staatsratsvorsitzender
Egon Krenz, ehem. DDR-Staatsratsvorsitzender
Hans Modrow, ehem. SED-Bezirkschef, Dresden
Dietrich Genscher, ehem. Außenminister Deutschland
Rudolf Seiters, ehem. Kanzleramtsminister
Boris Laptev, ehem. KGB, Ost-Berlin
Iwan Kusmin, ehem. KGB, Ost-Berlin
A. Schalck-Golodkowski, ehem. SED-Zentralkomitee
Eberhard Aurich, FDJ-Chef
Markus Wolf, ehem. DDR-Spionagechef
Gerhard Lauter, ehem. DDR-Innenministerium
Günter Schabowski, ehem. SED-Politbüro
Peter Ludwanowski, ehem. Offizier der DDR-Grenztruppen
Harald Jäger, ehem. Chef Grenzübergang
Horst Teltschik, ehem. außenpolit. Berater im Kanzleramt

Michael Fleischmann, floh über Prag
Aram Radomski, DDR-Oppositioneller
Jutta Braband, ehem. DDR-Oppositionelle
André Langer, ehem. DDR-Bürger
Sabine & Norbert Schimmöller, ehem. DDR-Bürger
Steffi Spira, Schauspielerin
Bärbel Reinke, ehem. DDR-Bürgerin
Tetsuo Kamata, japanischer Geschäftsmann

[4Dazu das Interview von Eckart Aretz mit Georg Mascolo, der mit seinem Team nicht nur vor Ort war, sondern dessen Verbringung in das Grenzerhäuschen nach der Abnahme der Pässe zur Folge hatte, dass die Bilder und Töne seines Teams jene waren, die diesen historischen Moment in unmittelbarer Nähe einfangen konnten:

[5Bei der Durchsicht dieser Publikation nach der Fertigstellung dieses Textes fiel der Blick auf diesen Beitrag vom 9. November 2004: "Remember, Remember, ..."

[6Dazu als Fingerübungen in dieser Publikation u.a. diese Beiträge vom 2. April 2011: "History, Memories & Serendipity", vom 12. August 2014: "Ihr Glücklichen an und vor der Front!" und vom 6. Juni 2016: "Da Capo: WW I".


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