Nun ist am vergangenen Samstag einmal mehr gefeiert worden: Der "Mauerfall" - vor nunmehr dreissig Jahren [2].
Ja. Und Nein: Denn die Mauer ist in dieser Nacht zum 10. November 1989 nicht "gefallen". Sondern der Druck auf diese Mauer war in den letzten Monaten so gross geworden [3], dass sie von innen her schliesslich durchbrochen werden konnte. [4].
Eingerissen. Aufgerissen. Überwunden:
Und schon alsbald abgerissen. Für viele konnte es gar nicht schnell genug gehen, dass diese Mauer und mit ihr all die Sperranlagen verschwanden. So schnell und so nachhaltig, dass sie inzwischen mehrfach für die Filmstudios als Kulisse rekonstruiert wurden, da sie im Original nicht mehr in ausreichender Länge aufzufinden waren.
Stattdessen wurden in den Strasse rund um das Brandenburger Tor kleine mit Steinen markierte Streifen eingesetzt, die den einstigen Verlauf dieser Grenze markieren. Und daran erinnern sollen.
Merksteine, die bis zu den Stelen führen, die an die Ermordung von so unendlich vielen Juden und so vielen anderen Menschen erinnern, die nicht in das Selbstverständnis vom Deutschen Staat und seinen Menschen zur Zeit der Herrschaft des Nationalsozialismus passten. Und deshalb weg mussten. "Bestenfalls" ins Exil, in den Untergrund, "schlimmstenfalls" in die Gefängnisse und in die Viehwagons, mit denen sie an die Rampen der Konzentrationslager verbracht wurden.
Bislang kaum beachtet - vielleicht auch immer noch nicht ausreichend bedacht - dass diese Auf-Merk-Steine in Beziehung stehen könnten zu all jenen Stolpersteinen: Im Boden vor jenen Häusern eingelassene Messingtafeln, die an die Namen der daraus vertriebenen Juden erinnern.
Ceterum Censeo [5]: Der Neunte November - und nicht der Dritte Oktober - ist DER Tag, an dessen Wiederkehr sich alle in Deutschland - und nicht nur die Deutschen - erinnern sollten:
1989 war die Oppostion in der DDR so mächtig geworden, dass es den Versuch gab, nach so vielen Jahren der Demütigungen durch eine nicht frei gewählte Diktatur einen anderen sozialistischen Staat aufzubauen, der der Mauer nicht mehr bedurft hätte und dennoch weiter hätte existieren können. Der "Fall" der Mauer war nicht nur das Fanal für das Ende der DDR, sondern auch der Anfang vom Endes des Strebens für eine andere DDR.
Will man diese sich doppelt beschleunigende Entwicklung auf den Punkt bringen, so ist es vielleicht für Aussenstehende am ehesten dadurch getan, dass aus dem "Wir sind das Volk" - Leitmotiv der Demonstranten sich die Parole "Wir sind ein Volk" herausmendelte.
1938: In der gleichen Nacht dieses Jahres - bis heute leider am ehesten noch als sogenannte "Reichskristallnacht" bekannt - vom 9. auf den 10. November, schlug die Zeit der vorangegangenen Diskriminierung der Juden in ihre öffentliche Verfolgung und Vernichtung um: Geschäfte wurden geplündert, Synagogen in Brand gesteckt, Friedhöfe geschändet, Menschen ermordet.
1918:
In Berlin überschlugen sich am 9. November 1918 die Ereignisse. Zunächst übertrug Prinz Max von Baden sein Reichskanzleramt dem MSPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert – ein Vorgang, der in der Verfassung so gar nicht vorgesehen war. Am selben Tag rief Eberts Parteifreund Philipp Scheidemann vom Balkon des Reichstags die „deutsche Republik“ auf parlamentarisch-demokratischer Linie aus; etwa gleichzeitig proklamierte der Sprecher des Spartakusbundes und spätere Mitgründer der KPD, im Berliner Tiergarten und etwa zwei Stunden später nochmals vom Balkon des Berliner Stadtschlosses die „freie sozialistische Republik“.