Nachfolgender Text war zunächst als persönliche Erklärung vorbereitet worden. Ist im Moment des Vortrages vor den Delegierten heute nur als Referenz in den Hintergrund gestellt worden.
Stattdessen wurde das Schwergewicht der eigenen Ausführungen auf drei historische Momente und Persönlichkeiten gelegt, die auch in diesem Text eine Rolle spielen:
– die Zeit in der DDR und die Demonstration am Alexanderplatz am 4. November 1989
– das Attentat auf Adolf Hitler vom 4. November 1939
– die Rolle und Bedeutung von Paul Loebe als Gründungsmitglied der Journalistenverbände in Berlin 1948 und in Deutschland 1949.
Meine geschätzten KollegInnen und Kollegen, liebe Freunde!
.Ein Leben lang mit dem und für den Deutschen Journalisten Verband: Mehr als ein Wimpernschlag?
Die letzten zwei Jahrzehnte darum und dafür gekämpft zu haben, dass nach der Spaltung Berlins endlich auch die Spaltung der beiden Berliner Verbände ein Ende findet: eine Petitesse?
Den Beweis dafür erbracht zu haben, dass es möglich war, auf beiden Seiten dieser einst noch geteilten Stadt zu arbeiten, ohne sich dabei von den Diensten der einen wie der anderen Seite verdingen zu lassen: nur ein Treppenwitz?
Nach den Lehrjahren bei den Öffentlich-Rechtlichen in Bremen und Köln in Ludwigshafen den privaten Rundfunk mit aus der Taufe gehoben zu haben und dennoch – damals schon – ein Mitglied des DJV sein und bleiben zu wollen: damals schon ein Systemsprenger?
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Liebe Freunde,
soweit der eigene Körper und die Charité mitspielen, werde ich Euch hoffentlich auch über diesen Tag hinaus als aktives Mitglied möglichst lange erhalten bleiben, aber ich werde mit den Wahlen zum neuen gemeinsamen Berliner Landesverband am 11. Januar 2020 mein Vorstandsmandat in – hoffentlich wesentlich - jüngere Hände übergeben.
Wer das sein wird, das werden unsere Mitglieder entscheiden, aber was dieser Mensch wird leisten müssen, das sei hier – als Verpflichtung für uns alle – nochmals festgeschrieben:
In diesen Verpflichtungen als Mensch, als JournalistIn, als Bürgerin und Bürger.
Auch wenn diese Ebenen alle miteinander verwoben sind, habe ich versucht, diese nicht aus einer der uns schon bekannten Vorlagen abzuschreiben, sondern noch einmal auf die mir selbst immer wieder erneut auferlegten Richtlinien zu schauen. Und diese heute nochmals in einem einzigen Ab-Satz wie einen hippokratischen Eid zu formulieren.
Als "... das Einfache, das schwer zu machen ist":
Als Frau wie als Mann, im Beruf und in der Gesellschaft: aufmerksam sein und neugierig, diskret aber auch mutig, wenn es darauf ankommt; bereit sein, zuzuhören, aber dann auch eloquent beim Reden und Schreiben, authentisch auch, was die Töne und Bilder betrifft; (es gilt) klar und geduldig zu sein, wenn es um das Aufdecken und Berichten von Widersprüchen geht – und entschieden, wenn es um die Vertretung jeglicher Menschen-Rechte geht, auch der eigenen.
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All das hier Gesagte antwortet nicht nur auf eine Frage der Moral, des Anstandes und der persönlichen wie gesellschaftlichen Verantwortlichkeit. Das hier Gesagte ist geronnenes Leben, ein Vademecum für uns alle hier – auch jene, die heute nicht mit dabei sind.
Vielleicht gelingt es nicht immer, Gralshüter der Wahrheit und Wahrhaftigkeit sein zu können. Aber was wir können, das ist, diesen Anspruch immer und immer wieder als Leitbild unseres Denkens und Handelns zu machen, unseres Redens und Schreibens, unserer Bilder und Töne.
Und, ich füge an dieser Stelle hinzu: Unsere Codes, unseres Codes of Conduct. Und der Compliance der Häuser, für die viele von uns arbeiten. Wohl wissend, dass diese Häuser immer weniger die der Verleger sind, sondern immer mehr die von Firmen und Plattformen, in deren Dienste wir uns haben – oder werden - verpflichten lassen.
Schon sehr früh hatte ich mich dazu verpflichtet, für kein Unternehmen zu arbeiten, das Alkohol verkauft, Waffen oder Zigaretten. In den letzten Jahren habe ich darüber hinaus entschieden, mich – bei allen persönlichen Freundschaften – dennoch von den beruflichen Angeboten aus der GAFA (Google, Apple, Facebook, Amazon) – Welt nicht vereinnahmen zu lassen.
Ob meine Arbeit in mehr als 50 Jahren wirklich ein „vorbildlicher Lebenslauf“ gewesen sei, vermag ich nicht zu sagen. Stolz bin ich dagegen, wenn mich meine Agentur heute als „Doyen der Digitalisierung“ ausweist und ich mit der Zuschreibung aus Stanford als „Changineer“ Design Thinking unterrichten darf.
Aber genau DAS sind Gründe genug, meine bisherigen Verpflichtungen in diesem Verband in andere Hände zu übergeben. Denn ist heute not-wendige denn je auch unter uns „wider den Stachel zu löken“.
Die Fragen, die uns umtreiben, sind Euch mehr als bekannt:
– Sind wir noch Willens, in der Lage und vor allem wirk-mächtig genug, der uns einst (nach 45) angetragene Rolle und Verpflichtung der „vierten Macht im Staate“ gerecht zu werden?
– Sind wir bereit, mit Leib und Leben für unsere Überzeugungen – soweit wir sie heute noch an-erkennen – einzutreten?
– Ein Freund von mir und ich, wir haben nicht weit von hier, in der Wilhelmstrasse in Berlin, eine Denkzeichen für den Hitler-Attentäter Georg Elser konzipiert. Wären wir bereit gewesen auch seine Rolle zu übernehmen?
Paul Loebe war nicht nur der letzte aufrechte Präsident des Reichstages, Verfolgter und Gefangener das Nazi-Regims und nach 45 Alterspräsident des ersten deutschen Bundestages, er war auch als Journalist – und später Verleger - seit dem 7. Juli 1948 erster Vorsitzender des Presseverbandes Berlin, später unser erstes Ehrenmitglied: Und Gründungsmitglied dieses, unseres Deutschen Journalistenverbandes.
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Der Bundespräsident, den ich am Sonntag auch gerne hier als unseren Gast begrüsst hätte, wird – heute am 4. November 2019 – zur Einweihung eines weiteren Denkmals „zur Erinnerung an den NS-Widerstandskämpfer Georg Elser zum 80. Jahrestag seines Attentats auf Adolf Hitler am 8. November“ auf dem Rathausplatz in Hermaringen sprechen und später an der Gedenkstätte in Königsbronn zu gegen sein.
Ja, wir als Journalistinnen und Journalisten soll(t)en und auch mit keiner guten Sache gemein machen. Aber wir sind verpflichtet, all jenen jenseits von Gut und Böse den Krieg zu erklären, die sich vehement, für einen neuen Krieg im Inneren oder nach Aussen mit militanten Mitteln zu engagieren Willens sind.
Warum rede ich so viel über Geschichte – und über unsere Verantwortung darin? Hier geht es um mehr als um meine Lebensgeschichte und die des Verbandes. Es geht um eine historische Verantwortung. Einer/Eines Jeden von uns. Der Name meiner Militär-Familie ist im Berliner Strassenverzeichnis dokumentiert. Und mein Blog „DaybyDay.press“ wird mit der wohl ersten in Deutschland von der Deutschen Nationalbibliothek erteilten ISSN-Nummer auch über meine Lebenszeit hinaus – zumindest in den Lesesälen in Frankfurt am Main und Leipzig – zur Einsicht Bestand haben.
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Daher dieses zum Abschluss und zur Ermutigung: Es geht nochmals um das Thema der Verantwortung:
Mit der Digitalisierung stehen wir erstmals in dem Umbruch einer historischen Epoche, die wir – oder ich zumindest – mit auf den Weg gebracht - und die wir noch zu Lebzeiten mit zu verantworten haben. Das ist nicht nur neuartig, das ist eine neue Art der Verantwortung, die uns in unserem Beruf besonders trifft – und herausfordert. Als sogenannte „user“, aber ebenso als deren Analysten – und GestalterInnen.
Inmitten dieses trans-nationalen gesellschaftlichen Umbruchs ist die Frage der Nachhaltigkeit unseres Tuns von besonderer Bedeutung. Von wegen, das Internet vergesse Nichts: Wir vergessen, dass viele gerade der frühen digitalen Dokumente der Veränderungen, die die digitalen Technologien und Netze verursacht haben, als toten URL-Links oder aber spätestens auf dem Müllhaufen der Inkompatibilität der Betriebssysteme und ihrer Programme verenden werden.
Wird einst die Geschichte der Digitalisierung von JournalistInnen geschrieben? Oder werden zumindest einige von unseren Geschichten als Leuchtfeuer dieser Entwicklungen in einem historisierenden Kontext zitiert werden? Oder wird es zu guter Letzt einen zukunftsweisenden Gedenkort für alle jene geben, die bei ihrem journalistischen Einsatz für Wahrheit und Wahrhaftigkeit die Menschenrechte nicht als Waffe mit sich führen konnten?
Es ist das Einfache, das schwer zu machen ist, hat mein Lehrer Brecht geschrieben. Und am Ende seines Stücks über den guten Menschen von Sezuan heisst es: „Es muss eine guter da sein, muss, muss, muss!“
Ich habe mich darum bemüht, auch wenn ich nach 5 Jahren Arbeit an meiner Dissertation in der DDR aufgrund eines nicht veröffentlichten Beschlusses des Staatsrates nicht ans Berliner Ensemble engagiert werden durfte. Und im Westen wegen meiner Promotion über Brechts Exilwerk „Die Tage der Commune“ auf Einspruch des DAAD meine Professur an der Universität in Kyoto nicht habe antreten können… und dennoch habe ich Glück gehabt. Keinen Krieg erlebt zu haben, Menschen, die an mich geglaubt, die meine Arbeit geschätzt und meine Arbeiten in Wort und Bild wahr-genommen – und finanziert – haben.
Und einen Verband, dem ich – trotz vieler nach wie vor intern nicht umgesetzter Forderungen (der Umzug nach Berlin ist noch der harmloseste von diesen) - die Möglichkeit zu verdanken habe, dass wir uns alle immer wieder neu miteinander „ins Benehmen“ setzen mussten.
Ich hoffe, bis dato das Meine dazu beigetragen zu haben.
Und diese Ausführungen mögen zeigen, dass ich auch nach meiner Zeit als Vorstand des Journalistenverbandes in Berlin, Willens sein werde, weiter zuzuhören, aber auch bereit zu sein, die Stimme zu erheben: so eloquent wie möglich, aber auch so nachhaltig, wie nötig.
Vielen Dank für die Geduld, mir heute zugehört zu haben. Und für die Bereitschaft, den gemeinsamen Dialog auch nach meiner Zeit als Vorstand des DJV Berlin fortsetzen zu wollen.
WS.