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VON Dr. Wolf SiegertZUM Montag Letzte Bearbeitung: 15. Oktober 2019 um 09 Uhr 38 Minuten

 

Nein, von diesem UrlaubsMontag gibt es keine Bilder. Vom Silber-spiegelnden Meer, von azurblauen Himmel, von der sonnenüberfluteten Terrasse und den wunderbaren Speisen, die der Tag bereithält.

Stattdessen eine kurzer Einblick in zumindest zwei der Lektüren, die diese Tage begleiten, zeitweise auch prägen:

 Roger Willemsen, Herausgegeben von: Insa Wilke
Wer wir waren. Zukunftsrede [1] S.FISCHER ISBN: 978-3-10-397285-6 6. Auflage 2017. [2].

Dazu diese Anmerkungen.

Sowohl in der hier zitieren Online-Seite als auch auf der Rückseite des Hardcovers ist dieses "Zitat" aus dem Buch zu lesen:

»Wir waren jene, die wussten, aber nicht verstanden, voller Informationen, aber ohne Erkenntnis, randvoll mit Wissen, aber mager an Erfahrung. So gingen wir, von uns selbst nicht aufgehalten.«

In dem Buch selber liest sich diese Passage aber wie folgt:

»Wir waren jene, die wussten, aber nicht verstanden, die begriffen, aber sich nicht vergegenwärtigen konnten, voller Informationen, aber ohne Erkenntnis, randvoll mit Wissen, aber mager an Erfahrung. So gingen wir, nicht aufgehalten von uns selbst .«

Da es mehrere Fassungen von diesem Text gibt, mag dieses ja vielleicht einer anderen entnommen und dann aus dieser zitiert worden sein. Und dennoch ist - in Anerkennung all der eigenen editorischen Fehlleistungen - dieses Vorgehen so schwer nachvollziehbar.

Dabei gehörte der Autor nicht in den Kreis jener engeren und engsten Freunde, die Roger bis in den Tod begleitet haben. Und auch der eigne Nachruf ist eher kurz und zurückhaltend ausgefallen. Und eher mit den Hinweisen auf die Zeitzeugenschaften anderer Personen ausgefallen [3]

Aber angesichts der Bilder, die die nochmalige Lektüre dieses Textes aufwirft kommen doch einige der gemeinsamen Gespräche wieder in den Sinn: Von "Roger, Du salbaderst" bis hin zu seiner Liebe zum Futurum II. Einig waren wir uns sofort und immer wieder, dass der Blick auf das / auf uns heute nicht ohne den Rückblick auf die / auf unsere Geschichte geleistet werden sollte. Und dass die Bestimmung unseres Tuns - und Nicht-Tuns - nicht ohne die Einbeziehung jenes Blickes vorgenommen werden sollte, der sich aus der Zukunft auf das Hier und Jetzt richtet. Entscheidend waren dann aber die Gespräche, in denen es darum ging, wo und wie wir uns in dieser Zukunft selber zu verorten vermögen. An einer ihrer Horizontlinien, oder jenseits davon. An Punkten, die jenseits dieses Horizontes lägen, von denen wir noch gar keine Wahrnehmung haben können - und dennoch vielleicht schon ein Bewusstsein. Oder zumindest eine Ahnung. Oder kleine Facetten, die sich schon heute als Vorboten einer noch unglaublichen Zukunft offenbaren, wenn man sie ’richtig’ zu lesen imstande sei...

 Claus Braun:

Die therapeutische Beziehung
Konzept und Praxis in der Analytischen Psychologie C.G. Jungs

Aus der Reihe: Analytische Psychologie C. G. Jungs in der Psychotherapie

ISBN 978-3-17-029322-9, Kohlhammer, Stuttgart 2016

Aus den letzten Seiten dieses Buches auf Seite 176 hier nur dieses eine Zitat, das auch auf eben jenen Roger hätte bezogen sein können:

Es ist offenbar eine Seltenheit, einem weise individualisierten Menschen zu begegnen.

Wie gut, dass Sprache so präzise und gleichzeitig so dramatischer Kraft sein kann, in dem die Entwicklung-Zeit in einem einzigen Satz widerzuspiegeln und aufzuheben weiss: denn es ganz offensichtlich und in voller Absicht nicht von einem "weisen, individualisierten" sondern von einem "weise individualiserten" Menschen die Rede. Der Weg ist das Ziel, das hier als Wunsch formuliert wird - vielleicht ja auch sich selbst gegenüber.

Anmerkungen

[1

Roger Willemsens letztes Buch sollte ›Wer wir waren‹ heißen. Es sollte die Versäumnisse der Gegenwart aus der Perspektive derjenigen erzählen, die nach uns leben werden. Dieses Buch werden wir nie lesen können. Umso stärker wirkt eine Rede, die Roger Willemsen noch im Juli 2015 gehalten hat: Sie ist nicht nur das melancholische Resümee und die scharfe Analyse eines außergewöhnlichen Zeitgenossen, sondern zugleich das leidenschaftliche Plädoyer für eine »Abspaltung aus der Rasanz der Zeit«. Sie ist ein Aufruf an die nächste Generation, sich nicht einverstanden zu erklären.
Roger Willemsen hat diese Rede am 24. Juli 2015 gehalten. Es war sein letzter öffentlicher Auftritt.

[2Der Link auf einen Textauszug, der hinter dieser Seite verborgen ist, darf leider an dieser Stelle aus urheberrechtlichen Gründen nicht übernommen werden, obgleich das PDF dazu auf der Seite der Verlages frei zugänglich ist. Verstehe das, wer will...

[3Hier zwei weitere von diesen:

Roger Willemsem: „Wer wir waren“Der große Gegenwartsbeobachter Von Felix-Emeric Tota

Essay: „Wer wir waren: Zukunftsrede“Roger Willemsens Vermächtnis Von Svenja Flaßpöhler


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