Weimar: Vom Wesen und Wert der Demokratie

VON Dr. Wolf SiegertZUM Mittwoch Letzte Bearbeitung: 1. April 2020 um 13 Uhr 07 Minutenzum Post-Scriptum

 

Weimar: Vom Wesen und Wert der Demokratie.

Sorry Folks, von der Ausstellung kann hier zu Beginn leider (noch) nicht berichtet werden. Der Versuch, vor der Eröffnung Zugang zu den Räumen zu erhalten und an dem Rundgang teilzunehmen, schlug fehl. Die Antwort auf die Frage "... sind sie Fotograf" negativ beantwortet zu haben, führt zunächst zu der Aufforderung, das Gebäude wieder zu verlassen.

Nach einigem Hin- und Her gab es dann die Empfehlung, stattdessen den Haupteingang zu nutzen. Aber auch dort wurde zunächst kein Zutritt gewährt und die Empfehlung ausgesprochen, doch wieder dorthin zurückzugehen, wo man hergekommen sei... kurz und gut: letztendlich löste sich alles in Wohlgefallen auf, allerdings unter Absehung der Möglichkeit, die Ausstellungsräume doch noch betreten zu können.

Der Vorteil an dieser unerwarteten Misere war ein dann zumindest ein strategisch ausgesprochen sinnvoller Sitzplatz. Denn es stellte sich heraus, dass es eine Menge Menschen gab, denen das Privileg der Vorab-Besuchs der Ausstellung offensichtlich gewährt worden war. Und als sie den Besuch beendet hatten, mussten sie dann an diesem Platz vorbei. Und so kam es zu gleich mehreren unerwarteten und unerwartet erfreulichen Begegnungen und Gesprächen mit einigen von ihnen.

Was bleibt, das sind zunächst die direkt vor Ort vorgenommenen kurzen Aufzeichnungen der Begrüssungen, Reden, Ansprachen mit der Empfehlung, sich zunächst darauf selbst seinen Reim zu machen [1], bis dann weitere Dokumente eingestellt sein werden [2]. [3].

Es redet der Direktor des Hauses:

Es gehe um tiefergehende geistesgeschichtliche Hintergründe, rückblickend bis hin zur Rolle der Volksabstimmungen in der Bibel. Und der Entscheidung, Jesus zu töten und den Räuber Barrabas freizugeben. Und vorausschauend bis zu den Konsequenzen, die sich aus der Brexit-Entscheidung ergeben könnten. Und es gibt den Hinweis auf das Demokratie-Labor, das Teil der Ausstellung sei.

Es redet der Bundespräsident:

Was ist eine Republik ohne Republikaner und eine Demokratie ohne Demokraten?
Die Geschichte dieser Republik nicht nur von ihrem Ende her denken, sondern auch von ihrem Beginn her. Zum Gedenken an all jene, die diese neue Republik aufzubauen sich bemüht haben. Respekt und Dankbarkeit ist eben jenen Menschen zu schulden [Applaus]. Gerade jetzt, wo die Verächter der Freiheit wieder lauter und selbstbewusster werden. "Die Demokratie ist uns Deutschen nicht in die Wiege gelegt gewesen." Und heute ist ihr Gelingen nicht garantiert. Menschen müssen Verantwortung übernehmen. Empathie und Solidarität ist notwendig. Aus dieser Geschichte lässt sich Kraft und Zukunft schöpfen. Gedenken und Geschichte darf nicht in Ritualen erstarren. Sondern soll zu eigenem Engagement anspornen. "Der Kampf gegen das allgegenwärtige Establishment ist noch keine Politik."

Es redet die Kuratorin:

Sie beschreibt die Konzeption der Ausstellung. Von der Wahlurne, die erstmals 1919 auch für Frauen zugänglich war. Die nüchtern ist und sachlich und den Normmassen entspricht, die heute noch gelten. Welche Herausforderungen stellten sich damals? Und welche Ausstellungsarchitektur lässt sich - jetzt durch ein Stahlgerüst umgesetzt - daraus ableiten? Zur Gliederung: Es geht um die revolutionären Quellen der Bewegung im November 1918. Es geht danach um den schnell einsetzenden Vertrauensschwund. Es geht um die staatliche Arbeitslosenversicherung ab dem 1. Oktober 1927, die bereits 1930 Anlass zum Streit gab. Und zum Abtritt der Regierung Müller führte. Im dritten Teil geht es um das Thema der Meinungs- und Presse-Freiheit. Der Streit um die Fürstenabfindung, der bis 1926 währte. Es geht auch um die Sexualreform. Und im Teil 4 gehe es dann um die Projekte für neue Zukünfte. Vom öffentlichen Wohnungsbau bis zur Einführung des Radios.

Soweit einige kurze Skizzen zu den Reden, die gehalten wurden - und die, wie gesagt, später noch ausführlicher dokumentiert werden. Jetzt aber, nach dem Abtritt des Präsidentenpaares - vorab begleitet von dem üblichen Gerangel von allerlei Prominenz um eine glimps of attention durch die beiden, an der sich der Autor, obwohl in unmittelbarer Nähe, nicht beteiligt hat.

Das Interesse gilt tatsächlich der Ausstellung, selbst der auf der anderen Seite des Hauses gereichte Wein wird dafür den anderen Gästen überlassen.

Zunächst wir das Demokratielabor besucht. Aber dort wird man von niemandem empfangen, der/die etwas über Konzeption, Sinn und Zweck und Funktionsweise der Exponate hätte erzählen können.

Also in den ersten Stock, wo sich eine Menge Menschen drängeln. Allein, trotz allerlei Umsichtigkeit wird die von der Kuratorin so eindrücklich angekündigte Wahlurne als Startzeichen des Beginns der Ausstellung nicht entdeckt. Was, wie gesagt, vielleicht an der Vielzahl der Menschen gelegen haben mag.

Also die Entscheidung, die Ausstellung von ihrem Ende her zu beginnen. Und hier finden sich eine Reihe von Exponaten, die dem Reporter das Herz höher schlagen lassen.

Es geht um die letzte "Visionen" genannte Abteilung und darin in die am Schluss zum Thema gemachten "Neue[n] Medien":

Die neue drahtlose Funktechnik wurde im Ersten Weltkrieg erstmals systematisch als Kommunikationsmittel eingesetzt. Mit Einführung des Unterhaltungsrundfunks 1923 begann das Radio seinen Aufstieg zum modernen Massenmedium.

Aus Sorge vor politischem Missbrauch zu Propagandazwecken stand der Rundfunk von Beginn an unter staatlicher Kontrolle. Die Sender wurden zu parteipolitischer Neutralität verpflichtet, Reichsinnenministerium und Länder überwachten das Programm. Auch der Empfang war reguliert: Radiohörer mussten ihr Gerät bei der Post anmelden und eine monatliche Gebühr zahlen.

Fortschrittliche Intellektuelle und Politiker sahen das Medium dagegen als Gestaltungsmittel einer künftigen Gesellschaft. Sie wollten es nutzen, um neue Formen demokratischer Öffentlichkeit herzustellen und breiten Schichten einen gleichberechtigten Zugang zu Bildung und Kultur zu verschaffen. Das Spannungsverhältnis zwischen demokratischer Teilhabe und staatlicher Kontrolle prägte die Debatte um das Radio.

Vorab schon mal dieser Einspieler mit einer Radio-Rede von Paul Loebe vom 12. Juni 1930, in der er sich darüber beklagt, dass die Reden aus dem Reichstag nicht im Radio übertragen werden können [4]:

Hier das in der Zeichnung abgebildete Mikrophon im Original in der Ausstellung:

Und hier der von Sigmund Loewe und Manfred von Ardenne in der Mitte der 20er Jahre entwickelte "Ortsempfänger OE333" samt einem elektrischen Lautsprecher:

P.S.

Am Abend dieses Tages sendet das "heutejournal" diesen 3-Minuten-Beitrag von Florian Neuhann: Neuer Blick auf Weimar:

Anmerkungen

[1Für die Presse gab es vorab eine elektronische "Mappe2 mit Dokumenten und Erklärungen

aber zu dieser Eröffnungs-Veranstaltung keinen Katalog (auch nicht gegen Gebühr), keinen Ablaufplan, keinen Sprechzettell, rein gar nichts...

[2Und einem musikalischen Entrée, einem Intermezzo nach der Rede des Bundespräsidenten und einem Schlusschorus, der - einmal mehr - das Mecki-Messer-Thema mit Klarinette, Gitarre und Geige inklusive dreier kleiner Impros zum Klingen bringt.

[3All das wird aber erst am Folgetag eingestellt werden können, da im weiteren Verlauf des Abends zunächst der Chip mit den Aufzeichnungen verloren ging. Und zu guter Letzt auf der Rückfahrt auch noch das Motorrad wegen eines Montagefehlers auf der Rückfahrt ins Büro hat abgestellt werden müssen...

[4Und dafür warten wir jetzt auch nicht mehr auf irgendwelche Hilfestellung Dritter, sondern zeichnen auf und fotografieren das, wie es einem jeden anderen Besucher auch zu Ohren oder vor Augen kommt (... und das ist dann letztendlich, trotz aller Störgeräusche und geringerer Auflösung, auch ganz gut so, wie die ersten Reaktionen zeigen).


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