Berlinale: Fukuoka | Buoyancy

VON Dr. Wolf SiegertZUM Mittwoch Letzte Bearbeitung: 16. Februar 2019 um 22 Uhr 57 Minutenzum Post-Scriptum

 

Noch gibt es Karten für die Vorführung um 22:00 Uhr im Cubix 9 für diesen Film:

Fukuoka
Republik Korea 2019, Koreanisch/Japanisch/Mandarin, 86 Min, Weltpremiere, von Zhang Lu, mit Kwon Hae-hyo, Yoon Jea-moon, Park So-dam, Yamamoto Yuki

Gabriele Leidloff vergibt an diese Produktion 3 von 5 Sternen:

Früher, im College, waren Jae-moon und Hae-hyo enge Weggefährten. Doch ihre Freundschaft zerbrach, als sie sich beide in dieselbe Frau verlieben. 28 Jahre später reist Jae-moon, der inzwischen einen Secondhand-Buchladen in Seoul besitzt, auf Initiative und in Begleitung seiner bezaubernden jungen Nachbarin So-dam zu seinem einstigen Freund ins japanische Fukuoka, wo dieser eine Bar betreibt.

Eine Versuchsanordnung, Realität und Fiktion derart zu verschieben, so dass es für jedwede in Szene gesetzte Situation diverse Chancen gibt, sie mit beliebigen dramaturgischen Schnipseln zu konterkarieren. Das zunehmend langatmige Roadmovie für Fußgänger lebt von seinen charmanten Darstellern, ihren unerwarteten Reaktionen und spannenden Dialogen – von der ruppigen Redundanz zwischen den Männern abgesehen. Regisseur Zhang Lu stellt mit seinen Charakteren ein assoziatives Vexierspiel über Sprache, Literatur und menschliche Beziehungen aus.

Als eine weitere persönliche Empfehlung hier der Hinweis auf die Möglichkeit, Online unter der Referenznummer 130932 bei Eventim noch Karten für diesen Film erwerben zu können:

Buoyancy , Australien 2019, Khmer, Thai, Burmesisch, Untertitel: Englisch. 93 Min., von Rodd Rathjen (Regie, Buch), Michael Latham (Kamera), Graeme Pereira ( Montage), und den SchauspielerInnen: Sarm Heng (Chakra), Thanawut Kasro (Rom Ran) und Mony Ros (Kea)

Chakra ist 14 und führt ein anstrengendes Leben. Gemeinsam mit seinen Eltern und vielen Geschwistern arbeitet er auf den Reisfeldern Kambodschas. Zum Abendessen drängen sie sich in ihrer kleinen Hütte um den Holztisch, mit dem Vater gibt es immer wieder Meinungsverschiedenheiten. Als ein Freund Chakra von der Möglichkeit erzählt, in einer Fabrik Geld zu verdienen, zieht der Junge auf eigene Faust los. Doch unterwegs gerät er in die Fänge von Menschenhändlern und wird als Arbeitssklave verkauft. Auf dem thailändischen Fischkutter, auf dem er nun arbeiten muss, herrscht der Kapitän mit Grausamkeit und Willkür. Gewalt, Folter und sogar Mord sind an der Tagesordnung. Chakra erkennt, dass seine einzige Chance darin besteht, sich seiner Peiniger zu entledigen.

In seinem ersten Langfilm stellt Rodd Rathjen die Situation kambodschanischer Zwangsarbeiter ebenso brutal wie realistisch dar. Der australische Regisseur ästhetisiert nichts und schont niemanden. Sein fesselnder Film ist ein flammendes Statement gegen gesellschaftliche Ungerechtigkeit und gleichzeitig eine anrührende und schockierende Coming-of-Age-Story über einen Jungen, dessen Menschlichkeit auf die Probe gestellt wird.

Das nachfolgende Bühnen-Gespräch mit Rodd Rathjen wird hier in zwei Teilen wiedergegeben.

Der erste Teil umfasst den - in der ersten Minute akustisch noch etwas schwer verständlichen - Bühnen-Dialog, der an einigen Stellen leicht "ausgesputz", aber an keiner Stelle gekürzt wurde:

Der zweite Teil dokumentiert das Gespräch mit dem Publikum und wird hier im Original ohne jegliche weiteren Eingriffe wiedergegeben:

P.S.

Es ist schon tiefe Nacht, als dann noch dieser Text geschrieben wird:

Eigentlich ist der Film, auch im Kopf, schon abgedreht. Viel ist geschehen nach dieser Aufführung und dem Gespräch mit dem Regisseur. Der Abend endet mit einem guten Weissbier und einem Paket von Dinkel-Keksen nach einem Rezept von Hildegard von Bingen. Und damit hätte Schluss sein sollen, und dann, dann drängen sich doch noch diese Filmbilder wieder auf. Und verlangen nochmals zur Sprache gebracht zu werden.

Und das klingt dann aus der Sicht des Betrachters so:

 Dass dieser Film kein Dokumentarbericht über Leben und Tod vieler der in der Fischerei in Thailand eingesetzten Zwangsarbeiter ist, macht ihn deshalb nicht weniger glaubwürdig in dem, was er erzählt. Jede Spiel-Film-Szene erzählt einen Ausschnitt aus der Sammlung von Dokumenten und Interviews mit Jenen, die als Fischer auf solchen Schiffen gearbeitet haben. Bis zu 50 Leute auf einem Boot.

 Hier, auf diesem Trawler, waren es gerade mal eine Handvoll Leute, allesamt gespielt von Menschen, die aus dem eigenen Erleben wussten, was und wen sie da zu spielen hatten. Fischer, die oft schon als Kinder auf diese Booten haben mitfahren und mitarbeiten müssen.

 Die Verhältnisse, die hier gezeigt werden, sind nicht nur "menschenunwürdig", sie sind menschenverachtend. Wer nicht spurt, der fliegt vom Boot, wird für immer ins Wasser geworfen. Das Schiff ist der Vorhof zu Hölle. Und wer es schafft, ihr zu entkommen, muss in ihrem Angesicht Höllenqualen erleiden.

 Nicht die Mannschaft begehrt auf, sondern einer aus dieser Mannschaft, ein 14-jähriger Junge, der erst im Kampf mit diesen Verhältnissen und zugleich um das eigene Leben zum Manne reift.

 Wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt, Aber wer sich im verkehrten Moment wehrt, so zeigen es die Bilder, dem wird das Weiterleben verweht. Widerstand allein nützt nicht, wenn die Mittel, Widerstand leisten zu können, nicht im richtigen Moment zum Einsatz gebracht werden können.

 Auf diesem Schiff gibt es Messer und Waffen, beide werden zum Drohen, aber niemals zum Töten eingesetzt. Es sind stattdessen aus den Fangbeständen entnommene Menschenknochen, mit denen letztendlich die Gewalt zur erfolgreichen Befreiung von der Ungerechtigkeit, von dem Kapitän und seiner Crew ausgeübt wird.

 Wir, die wir diesen Film sehen, sehen uns immer darin zugleich mit, als diejenigen, die mit alledem in diesem unseren Leben nie etwas zu tun gehabt haben. Und die darüber so unendlich glücklich sein können - wenn wir es auch wirklich könnten.


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