Von A bis Z im HKW

VON Dr. Wolf SiegertZUM Donnerstag Letzte Bearbeitung: 25. Juni 2020 um 13 Uhr 08 Minutenzum Post-Scriptum

 

Nein, heute werden nicht die nächstlichen virtuellen Besuche auf der CES fortgeführt, sondern durch einen Aufenthalt im Haus der Kulturen der Welt in Berlins "schwangerer Auster" ersetzt. Denn das neue Programm-Angebot er-öffnet am Donnerstag, den 10. Januar 2019, ab 16:30 Uhr mit:

VON ZETT BIS OMEGA
„BEGEHBARES THEATER: EIN BABYLON,
DESSEN TURM NICHT ZERFÄLLT, IN BERLIN“

Mehr über diesen Tag und die nachfolgenden Veranstaltungen hier in diesem PDF, in dessen Einleitung Bernd Scherer und Olga von Schubert fordern:

Die neu entstandenen Machtasymmetrien verlangen Formen der Politisierung, zu denen der postkoloniale Diskurs einen wichtigen Beitrag leisten kann.
Es bedarf neuer Widerstandsformen und alternativer Denk- und Lebensmodelle.

DNA Das Neue Alphabet

Mehr dazu in diesen (QuickTime-) Videos:

Dirk von Lowtzow, Musiker und Autor über ein Lied über das "Z".

Julia Voss, Kunsthistorikerin, führt zusammen mit Alexander Kluge durch den Abend

Payam Sharifi spricht über seine Performance "Slavs and Tatars"

Und wem das alles zu komplex ist, hier der Versuch, dieses anspruchsvolle Unterfangen in diesem im Anhang zitierren Pressetext vom 18. Dezember 2018 [1] zusammenzufassen.

Den Besuchern der Webseite wird angeboten, sich das Programm als Livesstream anzuschauen. Das Ergebnis ist dieses Bild, das in diesem Screenshot von geradezu ikonografischer Bedeutung für sich selbst spricht:

Der in schöner Grafik ausgestaltete Titel kann n i c h t durch Anklicken als Eingangspforte zur Teilnahme an der Veranstaltung genutzt werden. Und der noch in der uns verständlichen Fremd-Sprache verfasste Schriftzug: "This video file cannot be played" wird durch eine sprachliche Metapher aus der Welt des Codes ergänzt, in dem dort zu lesen ist: "(Error Code 232404)".

Es gilt also, den Weg ins Haus der Kulturen der Welt auf sich zu nehmen, um erleben zu können, wie sich jener von Alexander Kluge kuratierte Programmteil vor Ort anhört. Nicht mehr über eine TV-Lizenz, sondern als konkretes Ereignis von und mit und für und vor Menschen.

Ausgesucht wurden dafür die Begegnungen zu diesen beiden Themen:

Evolution und Sprache: Was sind die Alphabete der Intelligenz und wo geht die Intelligenz hin?
Lorraine Daston (Wissenschaftshistorikerin), Harald Haarmann (Sprach- und Kulturwissenschaftler), Ernst Kausen (Mathematiker und Sprachwissenschaftler), Johannes Krause (Archäogenetiker), Hermann Parzinger (Archäologe und Prähistoriker), Moderation: Julia Voss

Vorträge und Diskussion

Worauf können wir vertrauen? Die Frage steht am Anfang der klassischen Philosophie (und der Theologie). Man möchte spontan antworten: auf uns selbst. Aber was ist dieses Selbst? Wer oder was in unserer Welt ist Subjekt? Man muss weit ausgreifen und die Vorgeschichte des blauen Planeten einbeziehen, d. h. lange Zeiten in Betracht ziehen, um den Boden zu gewinnen, auf dem sich eine Orientierung im 21. Jahrhundert aufbauen lässt. Eine günstige Perspektive ist es, dass jede künstliche Intelligenz auf dem gleichen Acker des Lebendigen gewachsen ist, auf dem auch wir mit unserer körpergebundenen Intelligenz leben. Die Frage bleibt: „Wer ist Hase und wer ist Igel? Die Dinge oder wir?“

Und zuvor:

Die Evolution in unserer Hand: Künstliche Intelligenz, die menschlichen Potenziale und die Zukunft
Steffi Czerny (Kuratorin DLD Media) [2], Katja Gentinetta ( politische Philosophin), Andrej Heinke (Zukunftsforscher), Sybille Krämer (Philosophin), Jürgen Groß (Bereichsvorstand Konzernforschung Bosch), Max Senges (Technikphilosoph bei Google), Joseph Vogl (Philosoph und Literaturwissenschaftler), Moderation: Julia Voss (Kunsthistorikerin) und Alexander Kluge (Filmemacher und Autor)

Einführung und Gespräch

In unserer Gegenwart setzen sich die vernetzte Industrie und das digitale Zeitalter neben die Schriftlichkeit. Diese neue Epoche setzt evolutionäre und auch disruptive („revolutionäre“) Schübe in Gang, von denen einige schon nicht mehr zur Natur der Erde gehören, sondern eine zweite Natur entstehen lassen. Tradierte Wirklichkeit wird durch neue Wirklichkeit ersetzt oder überlagert. Ob wir die neue Zeichensetzung der Algorithmen, Datennetze und der künstlichen Intelligenz in ihrer ganzen Dimension verstehen, wissen wir nicht.

Der Mitschnitt dieser Gesprächsrunden war technisch über weite Strecken nicht einwandfrei und kann daher hier keine ausführlichere Verwendung finden. So werden wir die weitere Kommentierung Berufeneren überlassen. Allerdings, ohne nicht doch zumindest diese wenigen Sätze zu dokumentieren,
 die, die der "Technikphilosoph" von Google über sein Haus als "Spaghettimonster" preiszugeben bereit war:


 und ein Eins-Dreissiger-Dialog des Autors mit der Phlosophin:

Nicht mehr mitverfolgt wurden u.a. Projekte wie die von Philip Banse und Ulf Buermeyer mit ihrem Live Podcast-Projekt von dem "Radio der Zukunft" - aber vielleicht gibt es die ja dann doch demnächst noch als Videocasts...

Trotz des Riesenauftriebs an Geistesgrössen und Bezügen hier zwei Arbeiten, die auch gut und gene einen Platz an dieser Stelle hätten finden können: die soeben im Jüdischen Museum in Berlin eröffnete Ausstellung mit dem Titel: A wie Jüdisch. In 22 Buchstaben durch die Gegenwart [3] [4] und die Arbeit von John Baldessari aus dem Jahr 1972: Teaching a Plant the Alphabet [5].

P.S.

Hier zwei von diesen Beiträgen aus berufenem Munde:

 Ein Berliner Abend mit Alexander Kluge. Zwischen den Nullen und Einsen Von Cornelius Wüllenkemper am 11. Januar 2019 in DLF Kultur heute ab 17:37 Uhr:

Im Haus der Kulturen der Welt in Berlin geht es derzeit um digitale Technologien und das binäre Alphabet. „Auch Google kocht nur mit Wasser“, ist eine der Erkenntnisse vom Eröffnungsabend mit Filmemacher und Autor Alexander Kluge. Mit dabei: Helge Schneider.

 Das HKW über die Kulturgeschichte der Digitalisierung. Von Carsten Probst in der Sendung Fazit auf Deutschlandfunk Kultur am 10. Januar 2019 ab 23:28 Uhr:

Anmerkungen

[1

Sind Binärcodes, Algorithmen und die DNA die Alphabete von heute? Die gegenwärtige Wissensexplosion geht einher mit der Zerlegung der Welt in allerkleinste Einheiten. Der binäre Code – mit nur zwei Elementen die höchste Abstraktion des alphabetischen Prinzips –reduziert die Vielgestaltigkeit des Analogen und macht sie berechenbar. Das Neue Alphabet buchstabiert von 2019–2021 Utopien und Dystopien zugleich. Die Opening Days vom 10.–13. Januar 2019 ergründen in Performances, Konzerten, Gesprächen, Filmen und Installationen Alphabetisierungsmomente vom Barock bis in die Gegenwart.

Kurator und HKW-Intendant Bernd Scherer: „Vor dem Hintergrund eines extraktiven, digitalen Kapitalismus‘, der permanent Ausdrucksformen des Lebens in Waren transformiert und dabei die Wissensgesellschaft zur Verwertungsgesellschaft hin verändert, muss es um die Rückgewinnung der Perspektivenvielfalt auf gesellschaftlicher, aber auch auf individueller Ebene gehen.“

Projekte der synthetischen Biologie und künstlichen Intelligenz gründen sich auf einer Lesart von Leben als Code, der entschlüsselt werden kann und dadurch manipulierbar ist. Wie objektiv sind Daten? Welche gesellschaftlichen Machtstrukturen und Besitzlogiken reproduzieren sie? Welche sprachlichen Entwicklungen gehen mit der Datenförmigkeit von Wissen einher? Was wird verdrängt? Wer dominiert die neuen Wissensordnungen? Und welche ethischen Fragestellungen werfen diese „Alphabetisierungen“ auf? Was passiert zwischen 1 und 0?

Mit diesen Fragen beschäftigen sich Künstler_innen, Forscher_innen und Musiker_innen vom 10.–13. Januar im HKW. Die Opening Days beginnen mit einem Abend über den Eigensinn menschlichen Ausdrucks und die poetische Kraft der Theorie. In einem begehbaren Theater mit fünf Podien präsentiert Alexander Kluge Gespräche zur Erfindung der Schrift, zur DNA und zu molekularen Codierungen. Ist sprachliche Vielfalt im Zeitalter der Digitalisierung möglich? Wie divers ist die heutige Technologieentwicklung? Emily Apter, Kate Crawford, Yuk Hui, Luc Steels, Hito Steyerl u.v.a. fragen nach dem, was unübersetzbar ist und was verdrängt oder wegrationalisiert wird. Was heißt es, in einer digitalisierten Welt mehrsprachig zu agieren? Gibt es eine Sprache der Kunst, der Poesie, der Musik oder des Rechts? Und welche Schriftformen außerhalb diskreter Zeichen gilt es zu entdecken? Formen subversiver, widerständiger Zeichenproduktion in antikolonialen Kontexten – vom widerständigen Weben bis zum Einspruch gegen virtuelle Enteignung – werden von Sandeep Bhagwati in einer zweitägigen musikalischen Komposition sowie von Ivonne González und dem Black Guiris Collective, Diana McCarty, Olivier Marboeuf, Yucef Merhi, Éric Sadin, Odete Semedo und anderen erprobt.

Video-Installationen von Kader Attia, Giulia Bruno & Armin Linke und Filipa César, Filme von Alexander Kluge in Szenenbildern von Thilo Albers und Kokons von knowbotiq laden im gesamten HKW während der Opening Days zum Navigieren durch die Infrastrukturen neuer Alphabete.

Parallel entwickeln beim (Un-)Learning Place (9.–13. Januar) acht Berliner Kollektive gemeinsam mit 80 internationalen Stipendiat_innen in einer Szenographie von Raumlabor Berlin transdisziplinäre, dekoloniale und antihegemoniale Strategien in Bezug auf datenbasierte Wissenssysteme, Übersetzungen, Archive, Institutionen und Körperformationen.

Nach den Langzeit-Projekten Das Anthropozän-Projekt (2013–2015) und 100 Jahre Gegenwart (2015–2019) schließt sich im HKW mit dem Projekt Das Neue Alphabet (2019–2021) der erste Kreis einer Trilogie von Gegenwartsanalysen.

Mit Emily Apter, Kader Attia, Joana Barrios, Sandeep Bhagwati, Filipa César, Ann Cotten, Kate Crawford, Lorraine Daston, Simon Denny, Karin Harrasser, Yuk Hui, Alexander Kluge, Sybille Krämer, Armin Linke & Giulia Bruno, Yucef Merhi, Trevor Paglen, Odete Semedo, Helge Schneider, Slavs and Tatars, Felix Stalder, Hito Steyerl, Yoko Tawada, Joseph Vogl u. v. a.

Kuratiert von Bernd Scherer in Zusammenarbeit mit Olga von Schubert.

[2war nicht anwesend

[3

Anhand der Buchstaben des hebräischen Alphabets untersucht die Ausstellung Schlagworte und Begriffe und fragt, woran sich »das Jüdische« in Deutschland heute festmacht

.

[4Der Beitrag von David Dambitsch aus der Sendung "Schalom. Jüdisches Leben heute" vom Freitag, den 11. Januar 2019 - in dem am Schluss auch ganz offen der Weggang der Kuratorin Léontine Meijer-van Mensch bedauert wird - darf offensichtlich aus urheberreichtlichen Gründen hier nicht wiedergegeben werden.

[5HIER in einem kleinen Ausschnitt als Open Real Video Arbeit zu sehen.


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