Medientage München 2018 (II)

VON Dr. Wolf SiegertZUM Donnerstag Letzte Bearbeitung: 12. Februar 2019 um 21 Uhr 03 Minutenzum Post-Scriptum

 

Hier der Link zur Programmankündigung:

https://medientage.de/programm/

ab 10:00 Uhr:
https://medientage.de/workshop_item/einfuehrung-the-china-phenomenon/#

ab 11:00 Uhr
https://medientage.de/workshop_item/new-media-reloaded/

[...]

Es wird viel über diesen Tag zu erzählen geben. Aber gemach: nicht vor Beginn der Folgewoche.

WS.

P.S.

Wer nicht die Chance wahrgenommen hat, an diesem Tag sich auch mit Frank Sieren ausführlicher besprechen zu können, hat immer noch die Möglichkeit auf sein bei Penguin erschienenes Buch "Zukunft? China!: Wie die neue Supermacht unser Leben, unsere Politik, unsere Wirtschaft verändert" zurückzugreifen. Oder bis zum 20. Januar 2020 auf diesen Video-Beitrag von Edith Lange, der seit dem 21. Januar 2019 auch iim Netz angeschaut werden kann:
China – die Weltmacht auf dem Weg nach Westen
Wie das Land unser Leben, unsere Gesellschaft und unsere Politik bestimmen wird.
. [2]

Anmerkungen

[1

Shenzhen ist die am schnellsten wachsende Stadt der Welt. Reich und riesig. Kein Moloch, eher ein Magnet. Und gerade erst 40 Jahre alt. Ein Juwel der chinesischen Kapitalismus-Variante.

Frank Sieren gilt als China-Versteher – vielleicht sollten wir China tatsächlich besser verstehen. In seinem aktuellen Buch beschreibt Sieren, wie China sich zur Innovationsweltmacht entwickelt, Technologie und vielleicht sogar Lebensmodelle für die Zukunft liefert: "Hier wird die neue Technologie der Welt mitentwickelt und wenn man wissen will, wie die Welt morgen aussieht, dann muss man hierhin kommen und sich das anschauen. Manche Sachen gefallen uns, andere nicht, aber wir müssen uns natürlich irgendwie damit beschäftigen", so Sieren.

"Es ist geradezu eine explosionsartige Entwicklung"

20 Millionen Menschen sollen in Shenzhen leben, alle Einwanderer. Vor 40 Jahren war das hier ein Fischerdorf. 100 Quadratmeter kosten 1,3 Millionen Euro. Es gibt keine Slums und keine Obdachlosen, dafür Palmen und Blumenrabatten überall. 16 000 Elektrobusse fahren in Shenzhen und Elektrotaxis, 21 000 davon.

Frank Sieren sagt, ein neues Lebens- und Selbstwertgefühl sei entstanden. China als Werkbank der Welt – das war gestern: "Wir haben geglaubt, dass es so bleiben wird, dass die Chinesen immer nur kopieren und uns mit Billigprodukten überschütten. Inzwischen sind sie in der Lage, Produkte aller Qualität herzustellen – das IPhone wird ja auch hier hergestellt – und inzwischen entwickeln sie auch eigene Produkte. Und ich muss im Nachhinein sagen, ich bin da auch ein bisschen darauf reingefallen, ich muss schon sagen, das war eigentlich naiv, zu glauben, dass 1,4 Milliarden Menschen nur kopieren können und keine Innovationen zustande bringen. Jetzt geht das eben los. Das fängt ja gerade erst an. Aber es ist geradezu eine explosionsartige Entwicklung."

Ressource: 1,4 Milliarden Menschen und ein unterstützender Staat

Am erfolgreichsten ist Huawei, das chinesische Unternehmen verkaufte im letzten Jahr mehr Smartphones als apple. Huawei baut zudem die Telekommunikationsinfrastruktur für die halbe Welt, auch in Deutschland. Deshalb werden sie massiv angegriffen im Trumpschen Handelskrieg. Die Ressource, aus der dieser Erfolg gewachsen ist, sind 1,4 Milliarden Menschen und ein unterstützender Staat.

"Die hiesige Bevölkerung in riesigen Städten ist für uns natürlich, was Innovation angeht, ein Grund, dass wir auch weltweit führend geworden sind beim Mobilfunk", berichtet Carsten Senz, Head of Corporate Communications bei Huawei. "Weil wir hier in China die größten Anforderungen haben. Das heißt, wenn man in der Lage ist, eine 10- oder 15- oder 20-Millionen-Stadt mit einem wirklich stabilen Mobilfunknetz, das auch noch enorme Datenraten liefern kann, zu beliefern, dann kann man das überall auf der Welt."

Gigantische Datenmengen sind auch der Rohstoff für die Künstliche Intelligenz, die Grundlage einer exponentiell wachsenden Digitalisierung. Dazu dieses anything goes, das viele startups vom Silicon Valley nach China zieht.

"Sie denken komplett anders"

HAX ist ein hardware-startup, sie entwickeln cloud-verbundene Hausroboter, Zuchtkästen für essbare Insekten oder vernetzte Kleidungsstücke – alles. "Ich habe 2018 für zwei Monate in Kalifornien gelebt – wegen der Arbeit. Aber es hat mir nicht wirklich gefallen", sagt Mike Reed, HAX, Mechatronics Lead.

Und Jo-An Ho, HAX, Business Development Director, ergänzt: "Ich denke, China ist sehr innovativ wegen der Geschwindigkeit des Wachstums. Sie haben einen anderen Blick auf die Welt. Sie denken komplett anders, als ich es aus Europa gewohnt bin."

"Die Strasse runter gehen, alles mitnehmen"

Sie denken in großen Dimensionen und freuen sich ungebrochen über den rasanten Fortschritt. Vielleicht war das Prinzip des Kopierens und Klauens sogar eine ideale Vorraussetzung, um gleich in die Welt der Digitalisierung mit ihren open sources zu springen – Schwarmintelligenz gab‘s hier schon immer.

"Wenn ich ein Projekt habe, dass ich schnell fertig kriegen will, dann würde das in anderswo – Australien – drei Monate dauern, 2.000 Dollar kosten. Also ein wirklich entmutigender Prozess. In Shenzhen kann ich die Strasse runter gehen, alles mitnehmen oder schnell bestellen. Das kostet mich ein Wochenende, anstelle von Monaten", so Reed.

"Hier kriegt man alle vorstellbaren und unvorstellbaren Teile sofort."

Kein Film, so werden Platinen aufgerollt. Elektronik-Supermärkte wie diesen gibt es in Shenzen ziemlich viele. Einer der Orte, an denen die Entwickler und Technikfreaks einkaufen gehen.

"Ja, das ist im Grunde sowas, wie das Herz der technologischen Entwicklung von Shenzhen und damit auch von China. Hier kriegt man alle vorstellbaren und unvorstellbaren Teile sofort, kann hier hingehen, sich die kaufen, kann die zusammenbauen, kann ausprobieren, kann ein neues Teil holen. Das gibt’s eigentlich sonst nirgends auf der Welt. Hier kann man zum Beispiel auch ein Smartphone, ein I-phone aus den Einzelteilen, aus denen es besteht, die kann man hier kaufen und zusammenbauen, man kann es sogar verändern", so Sieren.

Zahlen per Gesichtserkennung

Biegbare Pads und knickbare Handys – Dinge auf dem Weg in die Immaterialität. Für fast alle Chinesen sind das Ausweise großer Modernität, die sie ungebrochen in ihren Alltag integrieren. In Shenzhen wird fast alles mit dem Handy bezahlt, sogar das Essen am Straßenrand.

Manchmal reicht auch schon das Gesicht zum bezahlen. Kameras hängen überall. Jeder wird gefilmt. Fast immer. Chinesische Tech-Konzerne verarbeiten täglich viele Milliarden Fotos – es geht um Gesichtserkennung – eine Technologie, wie gemacht für einen autoritären Überwachungsstaat. Social Scoring wird gerade in einigen chinesischen Städten ausprobiert. Sie beobachten nicht nur, sie bewerten das Wohlverhalten der Bürger.

Ein selbstkorrigierendes System?

Was wie ein hermetischer Horror klingt, gelingt aber technisch noch nicht wirklich, ssgt Sieren. Noch gibt es keinen digitalen Totalitarismus. Und die Chinesen wollen Sicherheit, sie vertrauen ihrem Staat.

"Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die das jetzt toll finden, weil diese Kontrollfunktionen Ordnung schaffen, dafür sorgen, dass man besser aneinander vorbei kommt", so Sieren. "Es kann sehr gut auch sein, dass die Menschen irgendwann sagen, so, jetzt reicht es uns. Jetzt wollen wir ein bisschen mehr Datenschutz. In der Umweltentwicklung war das auch so. Am Anfang, ich kann mich noch gut erinnern, in den ersten Jahren des Aufschwungs, habe die Leute gar nicht verstanden, wenn man das Thema Umweltschutz angesprochen hat, die wollten einfach Geld verdienen, die wollten Wohlstand, die wollten aus ihren schlechten Verhältnissen rauskommen. Inzwischen ist es so, dass ihnen gute Luft, gutes Wasser und sauberes Essen und verlässliche Medikamente sehr, sehr wichtig sind. So wichtig, dass die Regierung gezwungen ist, in dieser Richtung sehr, sehr viel zu unternehmen."

Sieren denkt, dass es sich beim chinesischen Staat um ein selbstkorrigierendes System handelt. Hoffentlich hat er Recht. Und es passiert nicht das, was am allerwahrscheinlichsten ist. Das Zusammenwachsen von autoritärem Staat und künstlicher Intelligenz.

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Shenzhen ist die am schnellsten wachsende Stadt der Welt. Reich und riesig. Kein Moloch, eher ein Magnet. Und gerade erst 40 Jahre alt. Ein Juwel der chinesischen Kapitalismus-Variante.

Frank Sieren gilt als China-Versteher – vielleicht sollten wir China tatsächlich besser verstehen. In seinem aktuellen Buch beschreibt Sieren, wie China sich zur Innovationsweltmacht entwickelt, Technologie und vielleicht sogar Lebensmodelle für die Zukunft liefert: "Hier wird die neue Technologie der Welt mitentwickelt und wenn man wissen will, wie die Welt morgen aussieht, dann muss man hierhin kommen und sich das anschauen. Manche Sachen gefallen uns, andere nicht, aber wir müssen uns natürlich irgendwie damit beschäftigen", so Sieren.

"Es ist geradezu eine explosionsartige Entwicklung"

20 Millionen Menschen sollen in Shenzhen leben, alle Einwanderer. Vor 40 Jahren war das hier ein Fischerdorf. 100 Quadratmeter kosten 1,3 Millionen Euro. Es gibt keine Slums und keine Obdachlosen, dafür Palmen und Blumenrabatten überall. 16 000 Elektrobusse fahren in Shenzhen und Elektrotaxis, 21 000 davon.

Frank Sieren sagt, ein neues Lebens- und Selbstwertgefühl sei entstanden. China als Werkbank der Welt – das war gestern: "Wir haben geglaubt, dass es so bleiben wird, dass die Chinesen immer nur kopieren und uns mit Billigprodukten überschütten. Inzwischen sind sie in der Lage, Produkte aller Qualität herzustellen – das IPhone wird ja auch hier hergestellt – und inzwischen entwickeln sie auch eigene Produkte. Und ich muss im Nachhinein sagen, ich bin da auch ein bisschen darauf reingefallen, ich muss schon sagen, das war eigentlich naiv, zu glauben, dass 1,4 Milliarden Menschen nur kopieren können und keine Innovationen zustande bringen. Jetzt geht das eben los. Das fängt ja gerade erst an. Aber es ist geradezu eine explosionsartige Entwicklung."

Ressource: 1,4 Milliarden Menschen und ein unterstützender Staat

Am erfolgreichsten ist Huawei, das chinesische Unternehmen verkaufte im letzten Jahr mehr Smartphones als apple. Huawei baut zudem die Telekommunikationsinfrastruktur für die halbe Welt, auch in Deutschland. Deshalb werden sie massiv angegriffen im Trumpschen Handelskrieg. Die Ressource, aus der dieser Erfolg gewachsen ist, sind 1,4 Milliarden Menschen und ein unterstützender Staat.

"Die hiesige Bevölkerung in riesigen Städten ist für uns natürlich, was Innovation angeht, ein Grund, dass wir auch weltweit führend geworden sind beim Mobilfunk", berichtet Carsten Senz, Head of Corporate Communications bei Huawei. "Weil wir hier in China die größten Anforderungen haben. Das heißt, wenn man in der Lage ist, eine 10- oder 15- oder 20-Millionen-Stadt mit einem wirklich stabilen Mobilfunknetz, das auch noch enorme Datenraten liefern kann, zu beliefern, dann kann man das überall auf der Welt."

Gigantische Datenmengen sind auch der Rohstoff für die Künstliche Intelligenz, die Grundlage einer exponentiell wachsenden Digitalisierung. Dazu dieses anything goes, das viele startups vom Silicon Valley nach China zieht.

"Sie denken komplett anders"

HAX ist ein hardware-startup, sie entwickeln cloud-verbundene Hausroboter, Zuchtkästen für essbare Insekten oder vernetzte Kleidungsstücke – alles. "Ich habe 2018 für zwei Monate in Kalifornien gelebt – wegen der Arbeit. Aber es hat mir nicht wirklich gefallen", sagt Mike Reed, HAX, Mechatronics Lead.

Und Jo-An Ho, HAX, Business Development Director, ergänzt: "Ich denke, China ist sehr innovativ wegen der Geschwindigkeit des Wachstums. Sie haben einen anderen Blick auf die Welt. Sie denken komplett anders, als ich es aus Europa gewohnt bin."

"Die Strasse runter gehen, alles mitnehmen"

Sie denken in großen Dimensionen und freuen sich ungebrochen über den rasanten Fortschritt. Vielleicht war das Prinzip des Kopierens und Klauens sogar eine ideale Vorraussetzung, um gleich in die Welt der Digitalisierung mit ihren open sources zu springen – Schwarmintelligenz gab‘s hier schon immer.

"Wenn ich ein Projekt habe, dass ich schnell fertig kriegen will, dann würde das in anderswo – Australien – drei Monate dauern, 2.000 Dollar kosten. Also ein wirklich entmutigender Prozess. In Shenzhen kann ich die Strasse runter gehen, alles mitnehmen oder schnell bestellen. Das kostet mich ein Wochenende, anstelle von Monaten", so Reed.

"Hier kriegt man alle vorstellbaren und unvorstellbaren Teile sofort."

Kein Film, so werden Platinen aufgerollt. Elektronik-Supermärkte wie diesen gibt es in Shenzen ziemlich viele. Einer der Orte, an denen die Entwickler und Technikfreaks einkaufen gehen.

"Ja, das ist im Grunde sowas, wie das Herz der technologischen Entwicklung von Shenzhen und damit auch von China. Hier kriegt man alle vorstellbaren und unvorstellbaren Teile sofort, kann hier hingehen, sich die kaufen, kann die zusammenbauen, kann ausprobieren, kann ein neues Teil holen. Das gibt’s eigentlich sonst nirgends auf der Welt. Hier kann man zum Beispiel auch ein Smartphone, ein I-phone aus den Einzelteilen, aus denen es besteht, die kann man hier kaufen und zusammenbauen, man kann es sogar verändern", so Sieren.

Zahlen per Gesichtserkennung

Biegbare Pads und knickbare Handys – Dinge auf dem Weg in die Immaterialität. Für fast alle Chinesen sind das Ausweise großer Modernität, die sie ungebrochen in ihren Alltag integrieren. In Shenzhen wird fast alles mit dem Handy bezahlt, sogar das Essen am Straßenrand.

Manchmal reicht auch schon das Gesicht zum bezahlen. Kameras hängen überall. Jeder wird gefilmt. Fast immer. Chinesische Tech-Konzerne verarbeiten täglich viele Milliarden Fotos – es geht um Gesichtserkennung – eine Technologie, wie gemacht für einen autoritären Überwachungsstaat. Social Scoring wird gerade in einigen chinesischen Städten ausprobiert. Sie beobachten nicht nur, sie bewerten das Wohlverhalten der Bürger.

Ein selbstkorrigierendes System?

Was wie ein hermetischer Horror klingt, gelingt aber technisch noch nicht wirklich, ssgt Sieren. Noch gibt es keinen digitalen Totalitarismus. Und die Chinesen wollen Sicherheit, sie vertrauen ihrem Staat.

"Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die das jetzt toll finden, weil diese Kontrollfunktionen Ordnung schaffen, dafür sorgen, dass man besser aneinander vorbei kommt", so Sieren. "Es kann sehr gut auch sein, dass die Menschen irgendwann sagen, so, jetzt reicht es uns. Jetzt wollen wir ein bisschen mehr Datenschutz. In der Umweltentwicklung war das auch so. Am Anfang, ich kann mich noch gut erinnern, in den ersten Jahren des Aufschwungs, habe die Leute gar nicht verstanden, wenn man das Thema Umweltschutz angesprochen hat, die wollten einfach Geld verdienen, die wollten Wohlstand, die wollten aus ihren schlechten Verhältnissen rauskommen. Inzwischen ist es so, dass ihnen gute Luft, gutes Wasser und sauberes Essen und verlässliche Medikamente sehr, sehr wichtig sind. So wichtig, dass die Regierung gezwungen ist, in dieser Richtung sehr, sehr viel zu unternehmen."

Sieren denkt, dass es sich beim chinesischen Staat um ein selbstkorrigierendes System handelt. Hoffentlich hat er Recht. Und es passiert nicht das, was am allerwahrscheinlichsten ist. Das Zusammenwachsen von autoritärem Staat und künstlicher Intelligenz.