Glanz und Elend der Kommuni-kation

VON Dr. Wolf SiegertZUM Montag Letzte Bearbeitung: 21. Juli 2004 um 12 Uhr 02 Minuten

 

"Eine Nachricht kann zur Zeit nicht gespeichert werden. Die Info-Box ist voll".
Diese Nachricht erhält der Anrufer des "Vereins zur Förderung der Wirtschaftskommunikation e.V."
 [1][sic!]
Heute, am Montag bekommen wir vom Server eben dieses Vereins gleich mehrfach unaufgefordert elektronische Post von "mediendialog@dpwk.de", u.a. mit den folgenden Headern:
 "[mediendialog] Virus Alert - ScanMail for Lotus Notes —> Re:does it?" [2]

Wir werden diese Mails nicht öffnen, sondern löschen und den Verein zumindest mit einer Kopie dieses Eintrags als FAX-Zusendung informieren.

NOTA BENE: all das hier Beschriebene ist immer noch vergleichsweise "harmlos" gegenüber den Beobachtungen, die heute am gleichen Tag im Online-Dienst des Spiegels publiziert wurden.
Dort heißt es in einem Text von Holger Dambeck unter der Überschrift

"Unterwandert von Elke Mustermann":

In mehreren Kreisverbänden der CDU hat eine Frau mit dem Namen Elke Mustermann das Ruder übernommen - so steht es zumindest auf den Webseiten der Partei. Ihr zur Seite stehen zwei Mitstreiter - alle drei wohnen verdächtigerweise in 12345 Musterstadt. Soll die Parteibasis so mustergültig auf Linie gebracht werden?

"Elke Mustermann freut sich auf Ihren Besuch in der neuen Geschäftsstelle" - so heißt es auf der Internetseite der CDU aus dem sächsischen Coswig. Beim Kreisverband Helsen zeichnet dieselbe Elke Mustermann verantwortlich gemäß Paragraf 6 Mediendienstestaatsvertrag. Auch in Hauenstein, Itzehoe und Stuttgart Nord steht Frau Mustermann dem Vorstand vor - stets assistiert von Ludwig Breuer (1. Stellvertreter, wohnhaft Birnenweg 17, 12345 Musterstadt) und Hanna Hansen (2. Stellvertreterin, Pappelweg 17, 12345 Musterstadt).

Bei der CDU Saalfeld-Rudolstadt arbeitet das viel beschäftigte Vorstandstrio geschickter und hat Strohmänner installiert. Dort leiten angeblich Jochen Tscharnke, Andreas Krauße, Gunther Kranert und Christian Tschech den Kreisverband. Doch die hinterlegten E-Mail-Adressen verraten, wer hinter diesen Personen wirklich steht: Elke Mustermann und ihre beiden Mitstreiter. Immerhin wurden die E-Mail-Adressen mittlerweile entfernt.

Die Unterwanderungsstrategie der Kreisverbände hat System. In der CDU-Zentrale haben findige Webdesigner schon mal den Namen "CDU Musterstadt" eingeführt und Dutzenden Webseiten an der Basis untergejubelt. Offenbar mit großem Erfolg. Wer mit Google nach "CDU+Musterstadt" sucht, bekommt rund 1800 Treffer.

Ein Blick auf die Seiten verrät, dass es auf den Webseiten nicht etwa nur um Inhalte geht, sondern vor allem um Äußeres. Die CDU aus Berlin-Neukölln verkündet beispielsweise, dass die Schriftart Kievit ein "Alleinstellungsmerkmal der Partei" bilde. Unter einem Foto auf der Kreisverbandsseite der CDU Coswig steht die aufschlussreiche Erkenntnis: "Eine Bildunterschrift muß wirklich sein." Wie viele Nächte haben die Christdemokraten über dieser Aussage wohl gebrütet? Und warum schreiben die Coswiger "muß" in der alten Rechtschreibung mit "ß"?

Offensichtlich hat in Neukölln, Coswig und anderswo überhaupt niemand einen Blick auf die Webseiten der Kreisverbände geworfen. Vielmehr wurden zentral für alle Verbände erstellte Musterseiten einfach so ins Netz gestellt. Selbst Ortsgruppen, die mustergültig ihre eigenen Daten eingetragen haben, konnten die Muster-CDU nicht überall eliminieren: Unten auf den Seiten prangt trotzig ein "© CDU Musterstadt".

Doch nicht nur die CDU macht sich stark für Musterstadt, mittlerweile gibt es in der ominösen Stadt auch eine Sparkasse und einen "Bürgerbusverein Musterstadt". Wer in Musterstadt wohnen möchte, kann sich sein Traumhaus ja schon mal online als 360° Panorama anschauen. Das Motto lautet: "Wohnen & arbeiten in bester Wohnlage von Musterstadt". Wenn allerdings der Nachname Mustermann Bedingung für den Einzug ist, dann kommen nur wenige Leute in Betracht. Im Online-Telefonbuch der Telekom finden sich gerade mal 42 Mustermänner und eine einzige Musterfrau.

Update: Die CDU-Bundesgeschäftsstelle erklärte gegenüber SPIEGEL ONLINE, dass es sich bei der Subdomain http://mosdemo.cdu-itzehoe.de um Support-Seiten handelt. Der Internetauftritt der CDU Itzehoe sei unter www.cdu-itzehoe.de zu finden.

© SPIEGEL ONLINE 2004, 19. Juli 2004 13:21

Zitiert und von dort aus auch mit weiteren Links auf die hier zitierten Beispiele (wer weiss, wie vielen Tage noch :-) ausgestattet lt. der URL:
http://www.spiegel.de/netzwelt/poli...

Anmerkungen

[1Der Verein machte zuletzt von sich Reden, als er am 7. Juni "im renommierten Theater des Westens in Berlin [...] im Rahmen einer glamourösen Preisverleihungsgala sieben Unternehmen für Ihre überzeugenden Kommunikationskonzepte" mit dem Deutschen Preis für Wirtschaftskommunikation ausgezeichnete.

[2Nachfolgend sei hier der Fairniss und Freundlichkeit halber das elektronische An-Schreiben der Redaktion vom "Medien Dialog Berlin" vom 21. Juli 2004 wiedergegeben, im dem es u.a. heisst:
am 19.7.2004 kam es höchstwahrscheinlich zu einem Angriff durch einen Massenmailing-Wurm, der sich eines Namens in der Betreff-Zeile bediente, der unserem Medien Dialog Berlin ähnelt. Dieser Wurm verbreitet sich per eMail-Nachricht, welche die Charakteristik hat, dass sie von einer gefälschten Adresse versendet wird. Da der Medien Dialog Berlin keine Einladungen versendet hat, muss es an einer uns unbekannten Stelle zu einem Hackerangriff gekommen sein. Trotzdem haben wir unsere Systeme auf Sicherheitslücken geprüft und konnten keine unerlaubten Zugriffe feststellen. Wir hoffen, dass es außer der bedauerlichen Spamflut zu keinem weiteren Schaden bei Ihnen gekommen ist.


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