Spiel D3 Fussball WM 18

VON Dr. Wolf SiegertZUM Mittwoch Letzte Bearbeitung: 28. Juni 2018 um 15h01minzum Post-Scriptum

 

Am Ende des Endes des zweiten Spiels der deutschen Fussball-Nationalmannschaft in Russland wird für die ARD-Sportschau dieser Beitrag über die Reaktionen der Zuschauer

und der Presse geschnitten, ausgestrahlt und in die Mediathek gestellt:

Noch spannender aber ist die Nachinszenierung dieses Spiels als Schicksalsdrama des Deutschen Fussballs: Rückblick: Kroos setzt spektakuläres Schlusswort gegen Schweden in dem natürlich sowohl der Fehlpass als auch der Torschuss des Spielers Toni Kroos im Mittelpunkt stehen:

Und im Radio gab es zum Ende des letzten Wochenende im Deutschlandfunk diese "Fussball-Nationalhymne" zu hören:

Wer heute, an diesem dritten Spieltag der Mannschaft gegen Südkorea, im ICE sitzt und hofft, per Streaming an diesem Ereignis teilhaben zu können, wird auf folgende Nachrichtentafel stossen:

IP-Streaming ist eben - nach wie vor - kein Broadcast, technisch gesehen. Aber medienrechtlich?

Hier einige Pressestimmen vom nachfolgenden Mittwoch:

Badische Zeitung (Freiburg): "Joachim Löw hatte zu sehr in seine Fähigkeiten vertraut, die Mängel unmittelbar vor dem Turnier beheben zu können. Eine fatale Fehleinschätzung. Letztlich versuchte er nur noch, sie zu kaschieren. Der Trainer nutzte seine personellen Alternativen komplett aus. Das war kein gutes Zeichen. Der Verdacht, dass dieses Team grundlegende Probleme mit nach Russland geschleppt habe, bestätigte sich. Der Fall Erdogan hat zusätzlich belastet, Özil und Gündogan waren jedenfalls keine Hilfe. Zu viele Leistungsträger präsentierten sich in verheerender Form. (...) Dem eigenen Anspruch, ein Visionär zu sein, wurde Löw nicht gerecht. Die Bilanz seiner Bundestrainer-Karriere spricht dennoch für ihn. Einen Ausreißer sollte man ihm zugestehen. Vorausgesetzt, er kann das bieten, was er einmal gesagt hat: ’Wir müssen uns immer wieder neu erfinden.’ "

Berliner Morgenpost: "Auch wenn Fußballanalogien mit Vorsicht zu verwenden sind, so überbringt diese Weltmeisterschaft einem wohlstandssatten Land eine deutliche Botschaft: Weltspitze ist, wenn alle alles geben, wenn das Wesentliche den Kleinkram verscheucht, wenn das Ego keine Chance gegen Teamgeist hat. Womit wir beim Rest des Landes wären: Kann es sein, dass diese Mannschaft nicht Sündenbock, sondern Spiegel der Nation ist? Der deutsche Fußball 2018 ist wie das Land in die alte, maulige Selbstgefälligkeit abgeglitten. Wir vergeuden Energie mit dem Zündeln auf dem Nebenplatz. Und Bundeskanzlerin wie Bundestrainer halten es für eine Strategie, erst im letzten Moment auf lang bekannte Missstände zu reagieren. Danke, liebe Nationalmannschaft, für diesen in seiner Wucht nicht mehr zu überhörenden Weckruf."

Frankfurter Neue Presse: "Voll verantwortlich ist Löw für den fehlenden Hunger im Team. ’Der Jogi lebt jetzt in seiner eigenen Weltmeisterwelt’, wird ein Vertrauter in einer brillanten Zustandsbeschreibung und Charakterstudie im ’Spiegel’ zitiert. Genauso haben viele seiner Spieler in Russland gespielt. Sie haben sich aus der Parallelwelt, die der DFB rund um ’die Mannschaft’ geschaffen hat, nicht befreien können."

Freie Presse (Chemnitz): "Beide, Löw und Kanzlerin Angela Merkel, haben jetzt etwas gemeinsam: Sie sind in der Krise. Löw hat sein Endspiel verloren, Merkel steht es in Europa noch bevor. Deutschland im Krisenmodus: schlechter Fußball, miese Politik und Autos made in Germany am weltweiten Pranger - jetzt nur schnell ins Sommerloch abtauchen. (...) Die Nationalelf schien schier unbezwingbar. Das Erreichen des Halbfinales war das Minimalziel von Fans und Experten. Willkommen in der Realität. Demut steht Deutschland auch mal ganz gut. Aber jetzt sind die Fußballfans zu Recht erst einmal nur traurig."

Sächsische Zeitung (Dresden): "Die in Dresden erscheinende SÄCHSISCHE ZEITUNG findet, es... "... sollte zuerst analysiert werden, woran es gelegen hat. Die Gründe sind vielschichtig, einer liegt in der Selbstüberschätzung nach dem Triumph von Rio und erst recht nach dem Sieg beim Confed-Cup im vergangenen Jahr. Das angeblich so große Angebot an internationalen Spitzenkickern schrumpfte allzu schnell zusammen, als es wirklich ernst wurde. Anzeichen dafür, dass die Entwicklung stagniert, gab es vor der WM. Was seit 2014 gefehlt hat, ist ein neuer Impuls. Der ist nun dringend nötig. Löw und sein Stab sind für einen Neustart nicht mehr die Richtigen"

Schwäbische Zeitung (Ravensburg): "Beim DFB, Verantwortliche und Spieler gleichermaßen, sind sie nach dem Titelgewinn von Rio ganz offensichtlich leider in die gleiche Arroganzfalle getappt wie einst Franz Beckenbauer und die Klasse von 1990. Nur, dass das Scheitern diesmal natürlich noch weit krachender war als 1994. Gescheitert an Mexiko, Schweden und Südkorea, Glückslose. Natürlich tut dieses Ausscheiden weh. Weil wohl noch nie so viel Talent in einem einzigen deutschen WM-Kader versammelt. Weil sich das Scheitern vom ersten Spiel an drohend angekündigt hatte, es aber keiner wahrhaben wollte. Tatsächlich war schon in den ersten Tagen der Vorbereitung eine gewisse bräsige Aufgeblasenheit sichtbar geworden in der Nationalmannschaft, der es zudem an Struktur fehlte - der an der Strandpromenade von Sotschi lustwandelnde Bundestrainer Joachim Löw verstärkte das eine und behob das andere nicht. Hochmut aber hat noch nie Tore geschossen. Die Weltmeister waren nicht scharf genug auf dieses Turnier."

Stuttgarter Nachrichten: "Joachim Löw hat einem Kader vertraut, den er um den Kern der Weltmeisterelf von 2014 formierte, dabei den Konkurrenzkampf zwischen den Etablierten und den nachrückenden Talenten zu zögerlich geschürt. Gründlich unterschätzt hat er dabei die unterschiedlichen Motivationslagen und Leistungsvermögen. Jetzt gibt es nur noch ein Signal, es steht auf Rot und bedeutet: das Ende der Ära eines großen Bundestrainers. Auch wenn ihm der Deutsche Fußball-Bund die Treue halten sollte, Löw wäre gut beraten, seinen Hut zu nehmen. Der deutsche Fußball braucht keine Revolution, aber das Ende der Selbstzufriedenheit."

Stuttgarter Zeitung: "Joachim Löw hat sich in seiner zwölf Jahre währenden Amtszeit als oberster Fußballlehrer der Nation eine Stellung erarbeitet, die er allein durch den selbstbestimmten Rücktritt verlieren kann. Er sollte diesen Schritt aber ernsthaft in Erwägung ziehen und sich fragen, ob er die Motivation aufbringen kann, eine ganz neue Mannschaft aufzubauen. Denn eines ist nach dem Debakel von Russland klar: Die Zeit der Weltmeister von 2014 ist endgültig vorbei."

Tagesspiegel (Berlin): "Joachim Löw hat in der Vergangenheit bewiesen, dass er sich nach Rückschlägen neu erfinden kann. Diese Fähigkeit aber hätte er schon vor der WM in Russland gebraucht. Und auch wenn sein Vertrag gerade erst bis 2022 verlängert wurde, ist eine Weiterbeschäftigung ausgeschlossen. Das Einzige, was im Moment für Löw spricht, ist: Es gibt niemanden, den man sich für diese Aufgabe vorstellen kann. Gerade das aber darf kein Argument sein."

Volksstimme (Magdeburg): "Mit dem Ziel, den WM-Titel zu verteidigen, ist Deutschland bei der Fußball-WM in Russland schon in der Vorrunde kläglich gescheitert und sogar Gruppenletzter. Das gab es noch nie. Was besonders auffiel: Zahlreiche Führungsspieler enttäuschten, auch die zweite Reihe drängte sich kaum auf. So vermochte das DFB-Team in keinem der drei Begegnungen auch nur annähernd seine Leistung abzurufen. Nichts zu sehen von spielerischen Akzenten, Ideen oder Leichtigkeit. Insofern war der vorzeitige WM-K.o. völlig verdient."