70 Jahre DJV-Berlin

VON Dr. Wolf SiegertZUM Samstag Letzte Bearbeitung: 7. Februar 2020 um 12 Uhr 15 Minutenzum Post-Scriptum

 

Heute vor 70 Jahren, wurde in Berlin (West) jener Verband gegründet, der heute als der Deutsche Journalisten Verband Berlin, DJV-Berlin, auf dieses Datum zurückblicken kann [1].

Hier ein erster Auszug aus den Archiven, nachdem "im Netz", das ja angeblich nichts vergisst, zu diesem Datum kaum etwas zu finden war [2] :

Der DJV Berlin ist als Presseverband Berlin gegründet worden. Er ist eigentlich eine Abspaltung aus dem im „kommunistischen“ FDGB organisierten Verband der Deutschen Presse (VDP), welcher bereits seit 1945 existierte.

Nach dem der Vorstand des VDP am 23. Juni 1948 von allen Funktionären eine Loyalitätserklärung zur Unterwerfung unter die Politik der Führung in Ost-Berlin verlangte, riefen 33 Mitglieder in einem offenen Brief zum Austritt aus dem VDP und zu einer Neugründung auf, die kurz darauf am 07. Juli 1948 erfolgte. Der ehemalige Reichstagspräsident Paul Löbe gilt als erster Vorsitzender. Er wurde später Ehrenmitglied. Die erste Geschäftsstelle befand sich im Presseheim in der Lynarstraße 21 (Berlin-Grunewald).

Der Presseverband Berlin initiierte in den folgenden Jahren die Pressekonferenz für Berliner und westdeutsche Presse im Bundeshaus, die Veranstaltungen des „Tages der offenen Tür“ (Scheckheft) sowie die Wiederbelebung des Berliner Presseballs und war Gründungsmitglied des DJV.

 [3]

Sowohl mit den hiernach genannten Einrichtungen, aber auch weiteren Organisationen und Verbänden, werden bereits seit Jahresbeginn eine Reihe von Gesprächen geführt. Und es zeigt sich, dass von allen Seiten grosses Interesse sowohl an diesem Datum als auch an einer möglichen Kooperation entgegengebracht wird.

Noch ist nichts offiziell. Aber die bisherigen Reaktionen sind ein Zeichen der Ermutigung, das Thema weiter voranzutreiben. Für die Gesprächsbereitschaft dazu schon an dieser Stelle ein herzlicher Dank.

Berlin, im Februar 2018

WS.

Um die Gesichte(n) dieser Zeit besser zu verstehen, hier der Hinweis auf eine arte/WdR-Produktion von Mathias Haentjes, die am 17. April 2018 erstmals um 21:55 Uhr zur Aussendung kommt: Der Dokumentarfilm Frühjahr 48.

Die Dokumentation ist eine filmische Zeitreise mit beeindruckenden Interviews, seltenem Archivmaterial und literarischen Zitaten.

Der Berliner Metzger, bei dem kurz zuvor noch die Hakenkreuz-Flagge am Laden hing, grüßte mit der Aufschrift "Es lebe der Bolschewismus", beobachtete Anna Seghers, die damals im amerikanischen Sektor wohnte.

P.S.

Das Portrait von Paul Löbe aus der Sicht


 des Deutschen Bundestages

Am 7. September 1949 eröffnete er, der letzte demokratische Reichstagspräsident der Weimarer Republik, als Alterspräsident die erste Sitzung des 1. Deutschen Bundestages.


 der Parlamentsdokumentation des Deutschen Bundestages


 der Wikipedia

Noch 1945 wurde er Redakteur der Tageszeitung Das Volk, später dann Lizenzträger des Telegrafs im britischen Sektor Berlins. Von 1949 bis 1951 war Löbe der Gründungspräsident des Deutschen Rates der Europäischen Bewegung.


 des SPIEGEL

Paul Löbe aber war — zwölf Jahre lang, fast ununterbrochen — Präsident des Deutschen Reichstages.


 der Friedrich Ebert Stiftung

Mit 23 Jahren zog es Löbe zurück nach Niederschlesien, wo er sich endgültig entschloss, Journalist zu werden. Zwischen 1903 und 1919 war Löbe in der Geburtsstadt Ferdinand Lassalles Chefredakteur der "Volkswacht".


 im AdsD, Archiv der sozialen Demokratie

Von 1946 - 1948 war Löbe Lizenzträger und Mitherausgeber des "Telegraf"

1946 erhielt er [ Arno Scholz ] zusammen mit Paul Löbe die Lizenz zur Herausgabe einer Tageszeitung in Berlin: Der "Telegraf" erschien am 22. März 1946 zum ersten Mal. Er sprach sich in den ersten Jahren seiner Existenz vehement gegen die Vereinigung von SPD und KPD aus

 des Abgeordnetenhauses Berlin

Mit der Ernennung zum Ehrenbürger anlässlich seines 80. Geburtstages erkennt Berlin "seine hervorragenden historischen Verdienste um das Ansehen und die Würde der deutschen Demokratie" an. Zugleich würdigen Stadt und Land "den hervorragenden Journalisten und nicht zuletzt einen guten Menschen, der durch seine Haltung und sein Verhalten ein Vorbild für die Bürger, insbesondere die Jugend, geworden ist."

 der Bundeszentrale für politische Bildung:

1945/46 Mitglied des SPD-Zentralausschusses und Redakteur der Tageszeitung "Das Volk". Lehnt einen Einheitskurs mit der KPD strikt ab. 1946 Wechsel vom Ostsektor Berlins in die Westsektoren. Herausgeber des "Telegraf".

 vom lebendigen Museum Online, LEMO

1946 Als Gegner einer Vereinigung von Kommunistischer Partei Deutschlands (KPD) und SPD tritt er aus dem Berliner Zentralausschuss der SPD aus, obwohl die sowjetische Besatzungsmacht versucht, ihn mit "Essen, Geld und eigener Villa" in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) zu halten.

 der Berliner Geschichts Werkstatt e.V

Paul Löbe war in der Weimarer Republik Reichstagspräsident bis ihn Hermann Göring 1932 aus dem Amt drängte. Von Juni bis Dezember 1933 inhaftierten ihn die Nationalsozialisten. Er hatte Verbindungen zu oppositionellen Kreisen und auch persönlichen Kontakt zu Julius und Annedore Leber. Beide sind nach dem Krieg als Demokraten politisch aktiv und engagieren sich in der SPD, ein wichtiges Kriterium für die Vergabe der Lizenz.
Der Telegraf ist zwar SPD-nah, aber kein Arbeiterblatt. Er richtet sich an alle Leserschichten. Umfragen zufolge entwickelt er sich 1947/48 zur beliebtesten Tageszeitung Berlins mit einer Auflage von ca. 500.000. Er wird nicht nur in der britischen Zone verkauft, sondern bis zur Berlin-Blockade in ganz Berlin, aber auch in Dresden, Leipzig oder Halle.

 der SPD-Berlin
Wolfgang Thierse, anno 2000 zum 125. Geburtstag:

Paul Löbe, der langjährige Präsident des Reichstages und hervorragende Repräsentant der ersten deutschen Demokratie, war als Mensch, Persönlichkeit und Politiker ein Vorbild nicht nur für die Sozialdemokraten seiner Zeit. Er hat in einer Periode schwerer politischer Kämpfe und Anfeindungen die Arbeit des Parlamentes hoch gehalten, die Verfassung und den Rechtsstaat verteidigt und nach der NS-Diktatur für den Aufbau der Demokratie in Deutschland seine Erfahrungen eingebracht.

Paul Löbe wurde am 14. Dezember 1875 als Sohn eines Tischlers in Liegnitz/Schlesien geboren. Der gelernte Schriftsetzer wurde mit 20 Jahren Sozialdemokrat. Seine Laufbahn als Journalist begann er bei der sozialdemokratischen "Volkswacht" in Breslau. Eine längere Gefängnisstrafe wegen Majestätsbeleidigung nutzte er standhaft als Gelegenheit, seine Bildung zu vervollkommnen. 1904 wurde Paul Löbe Stadtverordneter der SPD in Breslau, 1919 zog er für den Wahlkreis Breslau in die Weimarer Nationalversammlung ein, ein Jahr später wurde er in den Reichstag gewählt und von diesem zum Präsidenten. Dieses Amt übte Paul Löbe fast über die gesamte Zeit der Weimarer Republik aus, bis er nach den Juli-Wahlen von 1932 von dem Nationalsozialisten Hermann Göring abgelöst wurde. Nach der Machtergreifung der Nazis wurde er für 6 Monate inhaftiert, danach fand er eine Arbeit im Berliner Walter de Gruyter Verlag. Erneut verhaftet wurde Paul Löbe im Zusammenhang dem gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944.
Nach dem Kriegsende war er wieder als Redakteur tätig und im Berliner Zentralausschuss der SPD. Aus Protest gegen die Zwangsvereinigung mit der KPD wechselte er in den Westen Berlins. 1948 -1949 war er Mitglied des Parlamentarischen Rates in Bonn. 1949 wurde er zum Gründungspräsidenten des deutschen Rates der "Europa - Bewegung" gewählt.

Er leitete als Alterspräsident die konstituierende Sitzung des ersten Deutschen Bundestages am 7. September 1949, in dem er als Vertreter Berlins bis 1953 saß. 1954 wurde Paul Löbe zum Präsidenten des Kuratoriums Unteilbares Deutschland gewählt, dem er bis zu seinem Tode als Ehrenpräsident angehörte. Am 3. August 1967 starb Paul Löbe in Bonn. Sein Tod war Anlass umfassender Würdigungen. Mit einem Staatsbegräbnis wurde er in Berlin beigesetzt. Paul Löbe wurde zum Ehrenbürger Berlins

Die deutsche Sozialdemokratie kann auf ihren Ruf als Verteidigerin der parlamentarischen Demokratie gegen die Angriffe ihrer Feinde von rechts und von links stolz sein. Diese Leistung war eng verbunden mit der Person Paul Löbes. Mit der Erinnerung an ihn stellen wir uns in eine Tradition und zugleich einer Verpflichtung, standhaft und leidenschaftlich für die Demokratie einzutreten.

 aus: Berlin-die-Hauptstadt

Am 3. August 1967 starb Paul Löbe im Alter von fast 92 Jahren. Nach dem Staatsbegräbnis am 9. August erhielt er ein Ehrengrab auf dem Waldfriedhof in Berlin-Zehlendorf. Die Trauerfeier fand im Rathaus Schöneberg statt.
Paul Löbe erhielt eine Reihe von Ehrungen, darunter auch das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, die Ehrenplakette des Bundes der Vertriebenen und die Ernst-Reuter-Plakette.
Berlin verlieh Löbe zu seinem 80-jährigen Geburtstag die Ehrenbürgerschaft, die Freie Universität zu Berlin ernannte ihn zum Ehrenmitglied.
In Berlin gibt es das Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages im Regierungsviertel, die Paul-Löbe-Allee in Berlin-Mitte und die Paul-Löbe-Oberschule in Berlin-Reinickendorf.

Und hier ein Auszug aus dem DJV-Newsletter vom 7. Februar 2020: "DJV-Mitgliedsausweis von Willy Brandt entdeckt":

Überraschung für DJV-Mitarbeiterin Luciana Aguileira. Vor einer Woche besuchte sie die Vernissage der Willy-Brandt-Wanderausstellung bei der Deutschen Welle in Bonn. In einem Schaukasten ausgestellt war Brandts DJV-Mitgliedsausweis aus dem Jahr 1966. Seit 1948 war der spätere Regierende Bürgermeister von Berlin und Kanzler der Bundesrepublik Deutschland Mitglied im DJV Berlin. Aguileira zu ihrer Entdeckung: "Ein wenig stolz war ich schon." Der DJV-Ausweis ist Teil der Wanderausstellung "Willy Brandt – Freiheitskämpfer, Friedenskanzler, Brückenbauer", die bis 11. Februar im DW-Funkhaus in Bonn zu sehen ist.

Anmerkungen

[1... und dieses Datum bereits vorab in einem Sommerfest am 20. Juni 2018 mit vielen Mitgliedern bei bestem Wetter an der Spree auf der gegenüberliegenden Seite des Bundeskanzleramtes gefeiert hat.

[2Hier gibt es diese wenigen weiteren Aussagen zur Geschichte anderer Landesverbände:
 des Bayerischen Journalistenverbandes, am 2. Februar 1946 als "Verband der Berufsjournalisten in Bayern", VBB, gegründet
 des Landesverbandes Sachsen-Anhalt: mit dem Hinweis "...wurde 1990 in Halle gegründet"
 des Landesverbandes Thüringen: mit dem Hinweis "... wurde am 15. Juni 1990 im Erfurter Presseklub von 34 Journalistinnen und Journalisten gegründet"

Keine Verweise auf die jeweilige Geschichte der Landesverbände finden sich nicht nur in Berlin, sondern auch in Baden-Württemberg (wobei jetzt nicht alle Ausgaben der Zeitschrift Blickpunkt nach diesem Thema durchsucht wurden), Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen (der älteste Beitrag aus dem Archiv stammt aus dem Jahr 2012), Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein.

Zur Geschichte des Deutschen Journalistenverbandes findet sich dieser Satz: "Der DJV wurde 1949 gegründet."

Zur Geschichte des VDP, des Verbandes der Deutschen Presse (VDP), nach den Krieg am 10. Oktober 1945 vom Alliierten Kontrollrat zugelassen, was zugleich als sein Gründungsdatum gilt, und dessen erste Mitgliederversammlung - nach den bislang vorliegenden Quellen wie zum Beispiel die nur noch auf archiv.org zu findenden Darstellung der mdr-Seite: "Presse in der DDR" - am 7. April 1946 im Ratskeller vom Rathaus Schöneberg stattfand...
... zu dieser Geschichte gibt es nur ein winziges Streiflicht in dem Gespräch mit einem der ersten Mitglieder, Horst Selbinger, in dem Interview auf diesen Online-Seiten vom 12. Januar 2018: "Ein Zeitzeugen-Gesprächs-Zeugnis":

Wie sehr und wie bald Anspruch und Wirklichkeit auseinander klafften, dazu sei hier an dieser Stelle nochmals aus dem Artikel 27 der DDR-Verfassung zitiert:

"Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht, den Grundsätzen dieser Verfassung gemäß seine Meinung frei und öffentlich zu äußern. Dieses Recht wird durch kein Dienst- oder Arbeitsverhältnis beschränkt. Niemand darf benachteiligt werden, wenn er von diesem Recht Gebrauch macht."

[3Apropos Grunewald: Dort erschien in der Zeit von 1949 - 1950 "Der kleine Telegraf", heute noch zu finden in den Beständen der Staatsbibliothek Berlin.
Weitere Hinweise auf den ebenfalls in Berlin-Grunewald ansässigen "Arani"-Verlag, dessen "Telegraf" und einer Vielzahl von weiteren Schriften und Büchern finden sich bei www.appelius.de


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