Die Ton-Dia-Schau in der Reha-Klinik am Wolletz-See.
Du lavierst Dich zwischen Rollstühlen und Rollatoren zum Rehabilitanden-Restaurant und stösst auf ein Plakat, in dem eine Dia-Ton-Show mit phantastischer Überblendtechnik" angekündigt wird.
Und Du denkst zunächst: "Auch das noch..." Alle vorurteilslastigen Scheuklappen gehen herunter und Du siehst Dich angesichts all dieser Menschen um Dich herum mitsamt dieses Angebotes weit in das letzte Jahrhundert zurückversetzt.
Aber dann sagst Du Dir: Warum eigentlich nicht. Steht nicht auch noch bei Dir im Büro noch ein solcher sorgsam in Holz und Transportschaum verpackter Überblendprojektor herum?
Um es gleich vorweg zu sagen: Es war eine gute Entscheidung, dem erst heute angeklebten Plakat an einer der gläsernen sich selbst öffnenden Durchgangstüre zu folgen und die Einladung zu einer solchen Schau, Show, oder wie auch immer, anzunehmen.
Zu spät eintreffen konntest Du selbst im Dunkel den Unwillen des Vortragenden über diese Störung „sehen“ (will sagen: spüren).
Daher dann die Entscheidung, sich nicht in eine der vorderen Reihen zu setzen, sondern ganz nach hinten, hinter den Redner und hinter die Projektionistin um von dort aus – durch die beiden hindurch – direkt auf die Leinwand zu schauen.
Was für tolle Bilder, was für ein toller Abend.
Dadurch, dass allen Bildern Musik oder Text oder beides unterlegt ist, wird einem so gut wie nie langweilig. Und von Zeit zu Zeit macht es einen besonderen Spaß herauszufinden, was jetzt gerade mit diesem jeweils besonderen Ton-Bild-Arrangement beabsichtigt war.
Am offensichtlichsten – und vielleicht sogar peinlichsten – das Lied an eine Schäferin, der der Vortragende irgendwo auf seiner Reise durch Deutschland begegnet war, die sich von ihm hatte fotografieren lassen, und auf die er jetzt im Verlauf dieses Vortrages ein „Schäferlied“ angestimmt, in dem es darum geht, dass der Sänger sie am liebsten verführt hätte … mit dem Ergebnis, dass dann am Ende des Liedes in einer langen Einstellung nur ein einzelnes Jungtier aus der Herde auf grüner Wiese gezeigt wird.
Das alles grenzt schon an Kitsch – und doch bleiben selbst solche Passagen wie diese von der klammheimlichen Unzucht irgendwie akzeptabel: Die abgebildete Schäferin ist wirklich hübsch, der Mann kann gut singen, seine Texte gut lesen und seine Bilder machen was her – ebenso wie deren Auswahl und Inszenierung, mit unterschiedlich langen Überblendungszeiten und Motivwechseln.
Später zeigt er dann auch kurz eines der Operngebäude, wo er einst öffentlich gesungen hatte – war das Görlitz? – aber selbst ohne dem wäre schnell klar geworden, dass er aus der DDR kam und auch dort seine Wurzeln hatte.
Und auch seine Kameras bezogen: erst DIE Pentax, dann eine Exakta, und dann DIE Rollei. Um diese zu bekommen, musste er zunächst eine Auswahl seiner Fotos / Dias in einem Probevortrag vorzeigen und wurde dann in den Kreis der "Rolleiianer" aufgenommen. Als solcher wird er von der Firma bis heute, so klein der Kern der Mannschaft jetzt auch geworden sein mag-
Die Frage, mit der das Gespräch nach dem Ende der Vorführung und dem Ausug des Publikums meinerseits eröffnet wurde, war die Frage nach dem Filmmaterial_ Agfa oder Kodak? Aber Kodak-Mittelformat-Filme gäbe es doch schon gar nicht mehr, oder? Richtig, so die Antwort, und von Agfa gäbe es solches Material inzwischen auch nicht mehr. Nein, die Antwort würde lauten: Fuji. Das sei heute die einzige Firma weltweit, die überhaupt noch diese Art von Filmmaterial in der Produktion habe.
Und so entfaltet sich ein längeres Gespräch, während seine Frau schon längst damit begonnen hat, die Verdunkelungsfolien von den Scheiben zu reißen und die zuvor verlegten Strom- und Tonkabel wieder einzuholen und zu zusammenzurollen.
Dabei bestätigt er die Annahme, dass es heute wieder mehr Menschen denn je gäbe, die an so einer Art des Vortrages – und auch dieser Art von Technik – etwas Positives abgewinnen könnten und gerne kommen. Auch, ja, gerade auch die Jüngeren.
Damit hat sich dem Sänger nach seiner DDR-Karriere eine andere Perspektive erschlossen. Der Name seiner t-online.de - Adresse lautet: "europabummler".
Und auf seiner Visitenkarte steht: www.dia-ton-show.de.