0.
Die chronologische Abfolge der Darstellung beginnt eigentlich schon vor der hier angezeigten Veranstaltung: mit einem Reporter, der vor der Tür „seines“ ICE’s steht, die sich aber nicht mehr öffnen lässt. Die Zubringer-S-Bahn war mit Verspätung im Bahnhof Berlin Spandau eingetroffen, und die Umsteigezeit hatte nicht mehr ausgereicht, um den avisierten Zug auch besteigen zu können.
Auf der Weiterreise hatte der rasende Reporter dann in Hannover mehr Glück: Dieses Mal war es die Strassenbahn der Linie 8, die auf dem Weg von der Messe/Nord zum Hauptbahnhof zweimal auf freier Strecke anhalten musste. Und die schliesslich erst zu dem Zeitpunkt eintraf, als der avisierten Zug bereits abfahren sollte. Da dieser aber erst mit 5 Minuten Verspätung am Gleis 4 eintraf, konnte der ICE 883 dann doch noch erreicht werden.
I.
Dass es sich dann auch der CeBIT-Sprecher nicht verkneifen konnte, auf der CeBIT-Preview bei der Anmoderation des Bahn-Vorstandes auf die allzu häufigen Verspätungen hinzuweisen - es mag dahingestellt bleiben, ob das wirklich ein so kluger Zug war oder nicht. [1]. Fakt ist, dass dennoch ein rechtzeitiges Erscheinen am Ort des Geschehens möglich und in dem sonst gut gefüllten Saal in Halle 19 auch noch ein Platz in der ersten Reihe zu bekommen war - mit einem funktionierenden W-LAN-Zugang, aber ohne eine Steckdose in der Nähe (sei es an einer Wand oder in einem Bodentank) [2]
II.
11:00 Eröffnungs-Pressekonferenz mit
— Oliver Frese, CeBIT-Vorstand der Deutsche Messe,
— Dr. Bernhard Rohleder, BITKOM, Hauptgeschäftsführer und
— Franz Grüter, Mitglied des Vorstands von ICTswitzerland
Die Verlautbarungen dieser drei Herren können auf der Seite des vorangegangenen Tages nochmals mit Verweis auf die jeweils offiziellen Quellen nachgelesen werden.
IV.
Sein Auftritt ist deutlich sicherer geworden in den Jahren. Er stellt sich auch nicht mehr hinter einem Pult, sondern direkt von seinem Publikum auf, lässt sich per Teleprompter die Stichworte einspielen und ist bemüht, möglichst frei zu reden.
Auch in der Auswahl der Sprachbilder - er spricht deutsch - ist er bunter geworden und mutiger. Etwa, wenn er von einem Einblick in das "Kochbuch der Digitalisierung" spricht. Oder gar behauptet: "Wir schreiben die Geschichte der CeBIT neu".
Was neu sein wird an dieser CeBIT ist der Umstand, dass in diesem Jahr erstmals zu Gunsten einer sogenannten "Welcome-Night" auf eine Eröffnungsgala verzichtet und das Messegelände damit auch nicht mehr verlassen wird. Das Ganze dann für den ersten Abend aufgeführte line-up hilft aber nicht darüber hinwegzutäuschen, dass es keine Rede der Kanzlerin mehr geben wird, sondern dass sie diese Aufgabe ihrem Vize übertragen hat... von dem am Tag der Veranstaltung im Handelsblatt auf der Seite Eins das Zitat zu lesen ist: "Nicht mehr die Politik entscheidet die Preise, sondern der Markt" [3]
"Wir wollen mehr Networking, wir wollen mehr Emotionen", so Freese, daher jetzt diese erste "Welcome-Night". Wer, bitteschön, soll denn hier "Willkommen" geheissen werden? Die "Digital Immigrants", denen es inzwischen mehr als nur gedämmert hat, dass sie ihre klassischen Bastionen werden räumen müssen? Oder die "Digital Natives", für die man angeblich sogar eine Boxarena aufgebaut hat, damit die noch jungen Start-up-Player und -Protagonisten auf dieser in geradezu spektakulärer Weise werden gegeneinander antreten können?
Ob das der richtige Weg ist, ob das reicht? Viel aufschlussreicher war die Erklärung auf die Frage, ob es in Zukunft noch reichen würden, sich in Deutschland mit den Kompetenzen in der Fertigung und im Bereich der Dienstleistungen für die Zukunft zu qualifizieren.
Die Antwort von Seiten des Messe-Vorstandes lautet: Nein, die massiven Veränderungen durch die Digitalisierung hätten schon heute zur Folge, dass die CeBIT den Status einer Computer- und IT-Messe verlassen habe. Heute seien die Ansprechpartner nicht länger "nur die CTO’s", sondern alle C-Level-Entscheider.
V.

... stösst in das gleiche Horn. Und hat sich dafür nicht etwa nur seine Buckle Jeans angezogen, sondern auch ein paar Turnschuhe, mit denen er sich nun deutlich von allen anderen Sprechern dieses Vormittages - Frauen wurden den ganzen Tag über auf der Bühne nicht gesichtet - abhob (selbst von dem Biohacker aus Schweden, der traditioneller gekleidet war als er selber ;-).
Seine Position klingt ganz anders als das, was wir am Nachmittag aus dem Munde des Chef-Technologen aus dem Hause SAP hören werden. Während dieser vor allem die Chancen für viele neue Arbeitsfelder und Arbeitsplätze betont, macht Dr. Rohleder aus seiner Meinung keine Mördergrube und erklärt, dass es in 10 Jahren... zum Beispiel keine Zahntechniker mehr geben werde.
Und auch die klassische IT-Industrie sei von solchen Entwicklungen massiv bedroht: Der Festnetzbereich habe allein im letzten Jahr 1 Million Euro Verlust eingefahren. Auch die Bereiche Mobil- und Datenkommunikation seien inzwischen rückläufig. Und das alles vor dem Hintergrund des immer noch wachsenden Zwangs zu weiteren massiven Investitionen im Netzbereich.
Ja, sein Verband mache sich viele Gedanken zu diesem Thema der digitalen Transformationen, denn viele Unternehmen wüssten immer noch nicht, wie sie damit umgehen sollten. Die CeBIT sei also DER Ort, an dem man eine solche "Druckbetankung" der Unternehmenslenker vornehmen könne - und müsse: am besten indem man diese für alle CEO’s zu einem Pflichtbesuch erklären sollte. [4].
Die CeBIT würde sich von einem Produkt-Event zu einer der zentralen Fortbildungsveranstaltungen der Branche wandeln, wandeln müssen.
Starke Worte, ein starker Auftritt, der zugleich aufzeigt, wie stark inzwischen der Druck auf die Unternehmen geworden ist, sich diesen neuen Herausforderungen zu stellen.
Was im Nachhinein die Frage aufkommen lässt, wie weit "unsere" Industrie die Zukunft noch (mit-)gestalten kann, oder ob sie nicht bereits heute die Getriebene einer Entwicklung ist, der sie allzu oft nur noch durch Nachahmung auf die Spur zu kommen versucht. Eine Industrie, die in ihren Perspektiven längst über das hinausgewachsen ist, was sich ein klassischer Mittelständler je auch nur hat träumen lassen - wobei Ausnahmen diese Regel bestätigen mögen.
VI.
Zwischenbemerkung:
Während des Schreibens wird deutlich, wie sehr die hier angesprochenen Themen dazu anregen, diese weiter zu durchdenken, sie mit konkreten Positionen zu unterfüttern und damit dann in den Dialogprozess zurückzugeben...
... nur dass spätestens an diesem Punkt aus dem "rasenden Reporter" längst ein reflektierender Rezensent des Ereignisses und der hier aufgerufenen Themen geworden ist.
Wen wundert’s, wenn einen die CeBIT über so viele Jahr in den unterschiedlichsten Rollen und Verantwortlichkeiten beschäftigt hat? [5]
Denn eines ist klar. Dieses Jahr wird das sein, was die Franzosen gerne "une année charnière" nennen. [6] Dass dem so ist, beweist der Umstand, dass man in diesem Jahr des Umbruchs gerne festhalten will an dem, was sich - angeblich aus aus der Sicht der Aussteller - bewährt habe. Und dazu gehöre auch, so Frese, das Leitmotiv mit dem Namen "d!conomy".
Dass das nicht nur für die Messegesellschaft gilt, sondern auch für eine Reihe der Aussteller, zeigt exemplarisch auch das Beispiel von Microsoft, die in diesem Jahr einmal mehr von dem "Digitalen Wirtschafts Wunder" reden werden.
VII.
Wir werden also an dieser Stelle den "Mut zur Lücke" proklamieren - und umsetzen, indem wir nur noch einen weiteren Sprecher in diese Reflektion des Erlebten einbeziehen werden, und das ist diese
11:45 Keynote „Digitalisierung der Deutschen Bahn“
— Dr. Volker Kefer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender Deutsche Bahn AG
Das Problem...

... die Antwort !

Dieser Auftritt ist deshalb bemerkenswert, da sich hier jemand in die Arena traut, der in vielen anderen Unternehmen vielleicht schon aufs Abstellgleis geschoben worden wäre. Er aber bringt es fertig, das Thema seines Antriebs so auf die Schiene zu setzen, dass es glaubhaft und authentisch klingt.
Und das geht so: Dr. Kefer, ebenfalls mit dem Zug angereist und pünktlich angekommen, geht auf die Anmod des Pressesprechers ein und unterstreicht dessen Wunsch, dass das Thema Pünktlichkeit auch ganz und gar im Interesse des Betreibers läge.
Damit es aber dazu kommen werde, eben darum müsse sich die Deutsche Bahn dem Thema der Digitalisierung stellen. Und zwar als einer neuen technischen Herausforderung, aber mindestens genau so als einer Herausforderung an des Unternehmen selbst.
Und er ist sich nicht zu schade, darüber Zeugnis abzulegen, wie man das Thema bislang angegangen sei, vom Beispiel der Pflege der Fangemeinde der "Pufferküsser" bis hin zu den traditionellen Messeständen, auf denen vor allem etwas "an den Mann gebracht", etwas verkauft werden soll(te).
In Zukunft aber sei auch das Publikum neu zu definieren, Menschen, die nicht nur etwas kaufen wollten, sondern die etwas suchen würden, "ein völlig anderes Umfeld", wie Dr. Kefer sagt.
Denn die Digitalisierung werde auch die Bahn ein gutes Stück weit ändern, und das wolle man nicht nur zulassen, sondern in diesen Prozess konkret und aktiv steuernd eingreifen. Und er fragt: Die 5 Millionen Reisenden und die rund 40-tausend Zugfahrten und die 300- bis 400-tausend Bahnhofsnutzer pro Tag... habe man sich wirklich schon überlegt, wie viele potenzielle Kundenkontakte das seien?
Und dann wird es technisch. Es geht um die rund 70-tausend Weichen "… die liegen da nicht einfach nur mal dumm herum…", sondern sie würden zu einem Problem, wenn sie nicht mehr funktionieren: auch "99 Prozent der Verfügbarkeit reichen nicht!"
Die Antwort ist eine Messkurve des Stellstroms. Hat die Weiche im Verlauf einer Schalte einen Schwergang, dann erhöht sich der Stromverbrauch. Und wenn dieser Wert ausgemessen, übertragen und analysiert werden kann, dann könne der mit einem Android-Phone bewährte Reparaturtrupp auch ausrücken, den Schaden sichten und beheben, bevor die Schaltung gar nicht mehr durchgeführt werden könne.
Das Thema, das hier als pars pro toto damit illustriert wird, lautet: "Prognostisches Handeln." Und das gilt nicht nur für das Mitschreiben der Stellströme, sondern auch für den Umstand, dass bestimmte grundlegende Vorteile, die die Bahn bisher für sich in Anspruch nehmen konnte, in absehbarer Zeit auch für "Das Auto" in Anspruch genommen werden könnten. Und das, sobald die autonom fahrenden Wagen in Serie gehen werden. Dann können auch die (Mit-)"Fahrer" ihre Zeit im Wagen anders nutzen - so wie im Zug auch.
"Wir haben verstanden… ", so der Bahnvorstand, der vor wenigen Tagen seinen 60. Geburtstag hat feiern können: "Wir sind keine NERDS und haben kein Digitalisierung-GEN", das alles seien "Dinge, die wir auf Grund unserer Historie nicht bringen können" - aber eben deshalb sei es umso dringender, in Zukunft "neue Anreize im Leistungsangebot" anbieten zu können.
Neugierig geworden? Über diesen LINK lässt sich nochmals die ganze Keynote nachverfolgen.
VII.
Wie schon angekündigt, überspringen wir jetzt weitere Programm-Punkte,
— obwohl mit dem Thema Biohacking ein hochinteressantes Thema authentisch angesprochen wurde. Auch dann, wenn hier Perspektiven aufgezeigt werden, die noch lange nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen sein mögen [7] [8]
— obwohl auch die Präsentation des Partnerlandes Schweiz in der Lage war, das Interesse des Presse-Publikums auf sich zu lenken. Und das nicht nur mit Sätzen wie jenen, dass die eigene IT-Branche ein Exportvolumen erreicht habe, das das Zehnfache dessen ausmacht, was mit dem Export aller Schoko- und Käse-Waren hat realisiert werden können...
12:15 Keynote „Biohacking“
— Hannes Sjöblad, „Chief Disruption Officer“ am Epicenter Stockholm und Gründer des schwedischen Biohacker-Verbandes BioNyfiken
13:15 Geführte Touren mit Besuch der Ausstellerstände
15:15 Nachmittagssnack, Zeit für Interviews und individuelle Gespräche
16:00 Aussteller-Pressekonferenzen
16:00 SAP
16:20 Huawei
16:40 GData
17:00 Secusmart
17:20 Salesforce
17:40 Networking, Zeit für Interviews und individuelle Gespräche
VIII.
Natürlich war auch der Besuch an den Aussteller-"Ständen" von Bedeutung. Dabei wurde aber auf die "Druckbetankung" im Kurzzeit-Takt im Rahmen der geführten Touren verzichtet und die interessierenden Gesellschaften individuell angesprochen.
— Cryptomator: Wie sieht es aus im (unfairen?) Wettbewerb zwischen den neuen auf dieser CeBIT angebotenen Verschlüsselungs-Systemen?
— ETH: Was sind die neuen Ergebnisse aus der eigenen Forschung als auch in Zusammenarbeit mit den Disney Studios - insbesondere im Bereich der augmented und der virtual reality?
— Microsoft: Wie steht es mit der Gewährleistung von vertraulichen Informationen im Rahmen der zukünftigen journalistischen Arbeit?
— SAP: ...
IX.
Ja, das Thema "SAP" verdient dann doch noch einen eigenen kurzen Abschnitt. Nicht nur, weil im Nachgang der Presse-Präsentation ein gutes Hintergrundgespräch "unter Dreien" stattfand, sondern auch weil diese Firma wie kaum eine andere verstanden hat, was das Thema der digitalen Transformation konkret bedeutet.
.. blickte in seinem Vortrag zunächst kurz zurück auf die erste Cebit und auf das erste eigene Firmenjahr Mitte der achtziger Jahre. Und stellte dem gegenüber, was heute Realität ist. Und das sei die Digitale Transformation. Und sagt: Nein, es gehe schon heute nicht mehr um die Umwandlung der traditionellen Prozesse in digitale, sondern um die Neudefinition ganzer End-to-End-Strukturen, um die Neudefinition ganzer Geschäftsmodelle und deren kontinuierliche, kontextsensitive Begleitung. Schon heute sei alles IP, realtime, und damit "Live-Business". Und das in einer Welt, in der schon die Hälfte der "Angestellten" keine festen Angestellten im klassischen Sinne mehr sind.
Aber dass damit die IT und die Digitalisierung in deren Gefolge ein Jobkiller sei? Das mag gelten, wenn man auf die 30 Jahre zurückblickt und überlegt, wie viel der Jobs und Jobprofile sich seitdem verändert haben. Aber ist denn wirklich nicht gesehen und verstanden worden, wie viele neue Jobs entstanden sind, mit ganz neuen Anforderungen und Herausforderungen?
Die Frage lautet also: Ob wir eigentlich schon wirklich begriffen hätten, was eine SAP heute schon zu leisten imstande sei, und welche Umwälzungen damit einhergehen?
An diesem Punkt nähern sich Rohleder und Schumann doch wieder an: Es geht nicht nur um Produkte, sondern um Prozesse, es geht nicht mehr um die Teilgewerke, sondern "ums Ganze".
X.
Zum „guten Schluss“ sei dann noch berichtet, dass nach dem Verlassen der Veranstaltung auf der nächsten fast fünfstündigen Bahn-Fahrt der Speisewagen geschlossen war. Weil die Heizung ausgefallen sei, wie einer der Zugbegleiter auf Nachfrage berichtet, wegen eines elektrischen Defektes, wie ein Mitarbeiter aus der nachfolgenden Crew berichtet.
Und warum es dann nicht möglich sei, zumindest die Gäste in der ersten Klasse mit einem Getränk oder einem Sandwich zu bewirten? „Das habe ich mich auch gefragt“, kam es zurück, aber manchmal müsse man auch nicht alles verstehen, was hier so auf der Etappe beschlossen werde; kurz: „wir dürfen es leider nicht“.
Und so kann man nur darauf hoffen, dass vor dem Ende der Fahrt die Bedienung mit einem Tablett mit LiON’s vorbeikommt, um den brüllenden Hunger zumindest für einen kleinen Moment zu lindern. Aber nein, heute gibt es "Saltletts", "Meisterhaft gebacken", " On Board", "knusprig aus dem Ofen". [9]