GENERATION GAME? OVER!

VON Dr. Wolf SiegertZUM Samstag Letzte Bearbeitung: 15. Juli 2015 um 16 Uhr 08 Minuten

 

Regelmässige LeserInnen von DaybyDay ISSN 1860-2967 haben schon gestern erfahren, warum dieser Beitrag über den Besuch der nachfolgend besprochenen Veranstaltung auf den heutigen Tag verlegt werde musste: Vielen Dank für das Verständnis. WS.

Zunächst zitieren wir nochmals aus dem Text der Einladung:

Ziel der Veranstaltung ist, in einem interaktiven Diskurs
die Vielfalt, die Reichweite und das Potenzial von
Spielen direkt erlebbar zu machen.
Die Diskussion über Spiele findet kaum in spielerischer Form statt.
Aber wenn Spiele sich nicht im Spielen erklären, dann fehlt ein
wesentliches Erfahrungsmoment. Daher machen wir es interaktiv.
Und um ein Gefühl für Generation Game und Spiele als Leitmedium
zu bekommen, rücken wir die große Vielfalt – die über digitale
Spiele oder Gamification weit hinausgeht – in den Fokus.
Wir laden Game Designer, Wissenschaftler, Akteure und Kreativschaffende
ein, die in kurzen Sessions ihre Projekte und Arbeiten
praxisnah vorstellen. Wir wollen den Brückenschlag zwischen
verschiedenen Teilbranchen der Kultur- und Kreativwirtschaft
schlagen – von Theater zu Games und zurück und darüber hinaus.
Mit dabei sind u.a. Christian Huberts (GA Hochschule), Franka
Futterlieb (urbn pockets), Philip Steimel (Machina eX) und
Christoph Brosius (Die Hobrechts GmbH) sowie Vertreter der
Berliner Festspiele, des BIU - Bundesverband Interaktive
Unterhaltungssoftware e.V. und des GAME Bundesverband.
Sie geben vielfältige und anwendungsorientierte Eindrücke, wie
sich Spiele in Wirtschaft, Bildung oder Politik einsetzen lassen.

Soweit der Text der Einladung zu einer Veranstaltung, die für heute ab 13.00 Uhr (bis 19.00 Uhr) im Haus der Berliner Festspiele angekündigt worden war. [1] und von deren Verlauf bis zu dem Zeitpunkt berichtet wird, in dem die oben genannten Einzelprojekte im Foyer des Hauses an insgesamt 12 einzelnen Stationen vorgestellt wurden.

13:00 Uhr

Pünktlich (sic!) eingetroffen, wird aus dem Foyer gerade Essen abgeräumt. Und noch etwas verdutzt herumstehend, kommt sogleich ein alter Freund vorbei. Er berichtet, dass der Intendant des Hauses am Vormittag viel Gutes zu diesem Thema zu sagen gehabt habe [2]

13:15 Uhr

Da aber ansonsten noch nichts weiter passiert, nach diesem Gespräch an dem inzwischen freigeräumten Tisch Platz genommen und mit dem Schreiben begonnen.

Inzwischen ist es 13: 30 Uhr.

Immer noch ist ein fröhliches Treiben rundherum zu registrieren. Viele junge Leute. Viel Gesprächsbedarf. Viele, die sich an der Bar des "Festspiel Café"s treffen.

C’est tout?

"_ Die Diskussion über Spiele findet kaum in spielerischer Form statt.
Aber wenn Spiele sich nicht im Spielen erklären, dann fehlt ein
wesentliches Erfahrungsmoment. Daher machen wir es interaktiv
."

So heisst es in der Einladung. Ist das, was es jetzt (nicht) zu erleben gibt, schon Teil dieses Ereignisses?

13:35 Uhr

Eine junge Dame in schwarz läuft mit einer Glocke durch die Kassenhallle und lädt alle Anwesenden auf die Seitenbühne ein. Es gibt offensichtlich Niemanden, dem diese Verspätung in irgendeiner Weise aufgefallen wäre, beunruhig hätte... und es ist klar: Willkommen in einer anderen Welt.

14:45 Uhr

Wir finden alle Platz in diesem Raum der Seitenbühne. Der am Ende gut besetzt ist.

Der Erste, der das Mikro in die Hand nimmt - und dann auch im Verlauf des gesamten Teils dieser Situation nicht wieder aus der Hand gibt, stellt sich als "Lutz" vor. Er sei der "Moderator und Spielleiter"

Und dann gibt es viele, viele einleitenden Sätze, die einen weit grösseren Umfang haben, als eine schlichte Anmod. So geht es u.a. darum, dass es bereits eine erste Veranstaltung dieser Art in Hannover gegeben habe und dieser noch eine Dritte in Karlsruhe folgen solle. Und so weiter, und so weiter...

13:50 Uhr

Dr. Thomas Oberender darf als Einziger diesen Redefluss unterbrechen.

Er spricht davon, dass die Kunstformen hybrid werden, dass sich das Erleben und die "Selbst-Produktion des Gastes" immer mehr miteinander verschränken, dass das Theater sich immer mehr in immersive Räume verwandeln werde.

Er spricht von vielen Beispielen, in denen das heute schon geschieht. Und er verweist ausdrücklich und nachdrücklich auf die Arbeit von Tino Sehgal im Martin-Gropius-Bau die sich dort noch bis zum 8. August erleben liesse.

Seine These: Dass sich das Theater immer mehr dessen annähern würde, was eine Ausstellung sei - und umgekehrt. Heute würde sich eine Ausstellung in seinem Sinne immer mehr von einer Raum-Kunst in eine Zeit-Kunst verwandeln.

All diese Veränderungen, so Thomas Oberender, hätten etwas zu tun mit unserer veränderten Kommunikationspraxis. Das führe zu anderen Aufführungssituationen, anderen Architekturen, "Relational Art" hätte sich seit dieser Begriffswerdung zu einer neuen Kunst-Form entwickelt. Das Werk, das sind heute die Beziehungen all dieser Dinge und der Menschen zueinander. Spiel, das ist heute noch mehr, als der auf der Bühne vorgeführte Test einer sozialen Situation. Der spielende Mensch, so schon das Ideal der Aufklärung, sei auch heute noch die Grundlage für eine Haltung, mit der es möglich sei, dass sich auch Institutionen verändern könn(t)en.

Besonders erwähnt wird die neue mit der re:publica avisierte und angekündigte Zusammenarbeit für das TINCON-Projekt im Jahr 2016 [3]

14:00 Uhr

Danach wird die Begrüssungen und die Benennung aller Kooperationspartner fortgesetzt. Ein besonderer Gruss geht an den langjährigen Präsidenten des Bühnenvereins, Klaus Zehelein und die Vertreterin der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), Sandra Wemmel.

Und dann gab es nochmals Nachhilfe in Sachen BMWi und Kreativwirtschaft.

Und dann die Leitmotive diese Veranstaltung:
— Spiele müssen sich durch Spiele erklären
— Spiele müssen in der Mitte der Gesellschaft ankommen
— Spiele müssen in ihrer gesamten Vielfalt wahrgenommen werden.

Und dann nochmals Nachhilfe über diesen spezifischen Sektor der Kultur- und Kreativwirtschaft. Unter anderen mit den folgenden Aussagen:
— Jeder Dritte in Deutschland ist schon heute ein Spieler und 48% von diesen sind Spielerinnen Und 20% von diesen sind über 50. Und von all diesen würden immer noch mehr als 400 Millionen an Umsatz für die analoge Spiele-Welt erbringen und für die digitalen Spiele seien das dann immer noch zusätzliche 2,9 Milliarden.
Und all das, um zu begründen, dass die Spiele heute zu einem Leitmedium geworden seien.

Und dann - endlich - kommen wir zum Thema: zu den "Escape-the-room"-Spielen.

Jochen Werner von den Berliner Festspielen... und 10 weitere Experten werden nach und nach auf die Bühne gerufen.
Danach werden grosse DIN A4-Karten verteilt, auf denen vorne ein "A" und hinten ein "B" steht, und die entweder die gelbe Farbe haben oder die blaue.

14:30 Uhr

Es ist soweit: Das auf eine halbe Stunde ausgelegte Spiel-Szenario beginnt. Das Setting: Die Experten sind Gefangene des "Dr. Gamble" und können sich nur mit Hilfe ihres Wissens und dem Einwirken des Publikums befreien:

— Die Experten müssen sich erklären in dem Streit zwischen den Ludologen und den Naratologen.
— Eine von zwei Türen ist zu öffnen- Welche, das entscheidet die Mehrheit. Letztendlich führen aber beide Türen in den gleichen Raum. In dem die Geschichte der Computer erklärt wird. Der nächste Experte muss "Pong" spielen. Und eine Seite gewinnt gegen die andere Seite mit 10 zu 9 Punkten.
— Danach müssen die Zuschauer entscheiden, ob sie den Keller, in den sie eingesperrt waren, über eine Rolltreppe verlassen oder eine "richtige" Treppe. Die "falsche" Treppe, so stellt sich heraus, besteht aus den Tasten eines Klaviers.
— Warum spielen die Leute Spiele? Ein Experte erläutert: Weil sie interagieren möchten. Weil sie gewinnen möchten. Weil sie Spass haben und die Zeit vertreiben möchten. Weil sie die Herausforderung suchen.
— Dann muss mit roten Bällen eine Pyramide aus Pappbechern zusammengeworfen werden.
— Eine Expertin muss das Flow-Diagramm erklären, in dem es um die Beziehung von Herausforderungen und Wohlfühlen geht.
— Neues Setting: eine weite Landschaft ("open World", die so ähnlich aussieht wie die Niederlande...)
— In einem Side-Quest wird das "Tabu"-Spiel gespielt. Geraten werden müssen: "Die Siedler von Catan". "Volleyball". "Memory". "Monkey Island"
— Das Foto von Herrn Johan Huizinga wird vom Publikum erraten. Und seine Homo-Ludens-Theorie wird von den Experten erläutert.
— In der nächsten Runde muss das Publikum solange die Zettel tauschen, so dass alle Buchstaben auf einer Reihe sind.
— Und dann, endlich, sind alle Aufgaben erfüllt, die Fragen von den Experten beantwortet, das Publikum hat seinen Teil beigesteuert und "man" hat sogar noch etwas Zeit über.

Und was lehrt uns das: Wie aufwendig eine Dramaturgie entwickelt und eingesetzt werden muss, um ein Lernziel zu erreichen, das sich auf wenige Kern-Sätze der "Experten" konzentriert. Diese werden in der Tat gut "ins Spiel gebracht" und letztendlich auch qualifiziert beantwortet. Und eine Menge Spass haben wir um Publikum auch gehabt: Das Konzept, im Spiel sich über das Spielen zu informieren, ist sicherlich aufgegangen. Im idealtypischen Sinne.

WS.

Anmerkungen

[1Sehr geehrter Herr Siegert [...] vielen Dank für Ihre Anmeldung.
Wir haben Sie in die Teilnehmerliste aufgenommen. Sollten Sie kurzfristig verhindert sein, würden wir uns für eine kurze Nachricht bedanken.Wir freuen uns, Sie am 10.07 in Berlin begrüßen zu dürfen.
Mit freundlichen Grüßen
Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes
u-institut für unternehmerisches Denken und Handeln e. V.
Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes
Hinter dem Schütting 1A
28195 Bremen
T 0421 330 900 5
M 0151 2646 7291
knoebl@kreativ-bund.de
[...]

[2Und ob er mir, dem Autor dieser Zeilen, bekannt sei? Und ob ich schon mit ihm persönlich habe reden können? Beides wird bestätigt - zusammen mit dem Hinweis auf einen Beitrag vom 5. August 2011: "...das menschliche ..." .

[3... und hoffentlich auch danach. WS.


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