Berlinale 2015/2: Der Anfang vom Ende

VON Dr. Wolf SiegertZUM Freitag Letzte Bearbeitung: 8. Februar 2015 um 22 Uhr 26 Minuten

 

Alle Jahre wieder: Der "Rote Teppich" als "White Noise":

Es gelten die Regeln des Urheberrechts all rights reserved

Aber nein, die diesjährige Berlinale-Eröffnung im "Berlinale Palast" wurde auf der Berlinale-Webseite NICHT als Streaming ausgespielt. Entsprechende Text-Ankündigungen waren nicht konkludent mit dem, was dann zu sehen war [1]:

Es gelten die Regeln des Urheberrechts all rights reserved

Aber: Es gibt eine Alternative. Im Fernsehen, oder als Livestream auf der 3sat-Mediathek-Seite. Und immer um ein bis zwei Sätze zeitversetzt: Das Monitor-Bild als live-delay. War bis zur Eröffnung immer wieder von der neuen Dominanz des Fernsehens als Wilderer in der Kinowelt die Rede, reden jetzt die Protagonisten in der TV-Welt eher als im Internet. Es ist der Beginn einer neuen Rezeptionsgeschichte, es ist wie die Ankunft des Doppelten Lottchens:

Es gelten die Regeln des Urheberrechts all rights reserved

Wer der Eröffnung beigewohnt hat, leibhaftig oder live am Bildschirm, der wird wissen, wovon jetzt die Rede sein wird: von den Höhepunkten und dem Tiefpunkt dieser Eröffnung der 65. Berlinale.

Anke war als wandelnde An­chor­wo­man der Höhepunkt [2], und Dieter als ihr Direktor der Tiefpunkt. Wie gut nur, dass die Staatsministerin, Frau Grütters, ihn coram publico per "Du" ansprach und mit jenem institutionellen Lob überschüttete, das ihm anderswo an diesem Abend sicherlich versagt geblieben sein würde. [3]

Dieters Auftritt war fast so, wie der des zur Erde zurückgekehrte Engels Daniel in Wim Wenders’ Film "Der Himmel über Berlin" anno 1987. Dieser war im Anschluss an die Live-Übertragung zu sehen. Und in diesem hören wir den sich nach Menschwerdung sehnenden Engel sagen: "Endlich ahnen, als immer Alles zu wissen."

Ja, sagen wir es so deutlich, weil es so peinlich war: Diese Ungewissheit als konstitutives Element der Existenz, diese hat sich von dem Festivaldirektor auf seiner Festspielbühne auch mit numerologischen Experimenten nicht nach-inszenieren lassen. Weil er nicht verstanden hat, wie [4] !

Wir verlangen von einem Festspieldirektor das, was wir auch in dem Bescheid des Zirkusdirektors über das bevorstehende Ende der Spielzeit in Wim Wenders’ Film erfahren konnten: dass er der Realität in die Augen sieht und daraus Konsequenzen zieht. [5]

Er muss als Direktor rechtzeitig wissen, wann Schluss sein muss. Und Wim, noch eine Reihe von Jahren älter als Dieter, muss als Director wissen, was noch geht.

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Anmerkungen

[1Übertragen wurde die Ankunft der Gäste auf dem roten Teppich, danach bracht die Übertragung ab und wurde - zumindest auf unserem Rechner - nicht wieder aufgenommen. In der Pressemeldung vom Mittwoch, dem 04.02.2015 16:39 war dagegen zu lesen: "Die Veranstaltung wird von ZDF/3sat live im Fernsehen übertragen und per Stream über www.berlinale.de."

[2Dazu Gesa Ufer in der Sendung "Fazit" von Deutschlandraio Kulur kurz vor Mitternacht:

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[3Hier ist ihre Rede nochmals als Ganzes nachzuhören. Wie Anke es zuvor angekündigt hatte: Die Frau hat wirklich etwas zu sagen:

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[4"Zumindest üben hättest Du können, diese Szene e i n ü b e n: Wer genial sein will, Dieter, muss hart daran arbeiten. Immer und immer wieder. Du hattest ein ganzes Jahr ZEIT, Dich auf diesen Moment vorzubereiten.
Du musst nicht nur präsent sein, sondern Du bist auch unser Repräsentant: Als politisch aufrechte Person, ja. Und als Künstler qualifizierende Persönlichkeit, ja. Aber auch: Als Du selbst.
Nicht als Komiker, nicht als Clown, nicht als Entertainer... alles das musst Du nicht sein. Du musst nicht besser sein als all die tollen Filme, die ihr auch in diesem Jahr wieder nach Berlin geholt habt. Aber Du musst gut genug sein, dass wir Dir an-vertrauen können, was uns das Wichtigste ist im Leben: das Wissen um die Vergänglichkeit und die Freude an jedem Moment, der uns davon im Filmbild festgehalten wurde."

[5Dieser Vergleich mit dem Zirkunsdirektor ist übrigens nicht nur dem "Zufall" der Programmierung dieses 3sat-Programms geschuldet, sondern bezieht sich auf einen Vergleich, den Dieter Kosslick im Interview mit dem Deutschlandsender Kultur selber angestellt hat: "Es ist wirklich ein Zirkus und man muss da auch ein Zampano sein"


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