Die Einladung:
Prof. Dr. h.c. mult. Peter Weibel vom ZKM Karlsruhe / Universität für angewandte Kunst Wien [1] spricht an diesem Montag, den 8.Dezember 2014 über eine "noetische Wende: von einer sprach- zu einer werkzeugbasierten Kultur" in der Vertretung des Landes Brandenburg beim Bund in Berlin.
"Theoretiker argumentieren mit dem Film als Sprache. Was ist mit der Sprache des Filmes gemeint? Niemand definiert Sprache als bloßes Reproduktionsmedium, sondern Sprache wird verstanden als kommunikatives Medium, als performatives Medium, als Medium der Welterklärung und Welterzeugung. In der Bibel heißt es "Gott sprach, es werde Licht und es ward Licht". Und noch im 20. Jahrhundert schreibt Ludwig Wittgenstein "Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt" (TLP). Film hingegen wird als bloßes Bildmedium definiert, dabei setzt die kinematographische Imagination, wie jede Technik, die Arbeit der Schrift fort und ist somit ein neues Medium der Welterklärung und -erzeugung. Seit Jahrtausenden haben wir neue Werkzeuge der Weltveränderung entwickelt, von den Maschinen zu den Medien. Die Medien definieren das Verhältnis der Sinnesorgane zueinander neu, aber auch die Beziehung der Sinnesorgane zur natürlichen Umwelt. Das Auge ist die Antwort der Evolution auf die Sonnenstrahlen, die Lunge ist die Antwort der Evolution auf die Atmosphäre. Die Natur hat uns aber nicht mit Organen ausgestattet, um elektromagnetische Wellen zu empfangen oder zu senden. Erst vom Menschen geschaffene "künstliche Organe", wie Radio und Fernsehen, haben es uns ermöglicht, die existierenden elektromagnetischen Wellen zu nutzen. Die Medien eröffnen uns also neue Horizonte und Zugang zu Welten, die über die Grenzen der natürlichen Sinnesorgane und der Sprache hinausgehen. Wie hat diese neue Kultur der audiovisuellen Werkzeuge die Welt verändert?"
Die Ebene der Begriffs(er)klärung:
"noetisch", so die Duden-Bibliothek, bedeutet:
no|e|tisch:
1. die Noetik betreffend.
2. die Noesis betreffend
Die No|e|tik - gr.-nlat. - stehe für die "Lehre vom Denken, vom Erkennen geistiger Gegenstände". [2]
Kommen Sie doch an diesem Tag ab 17:30 in Vertretung des Landes Brandenburg beim Bund, In den Ministergärten 3, 10117 Berlin - und nehmen Sie die Herausforderung(en) dieses Vortrages (und auch seiner Person) an!
WS. [3]
Die Eröffnungs-Reden und ihre Protagonistinnen:
— Staatssekretär Thomas Kralinski, Bevollmächtigter des Landes Brandenburg beim Bund
Nein: das Wort von der "noetischen" Wende sei kein Schreibfehler. Aber er freue sich auf die neuen Erkenntnise, die dieser Vortrag vermitteln würde [4].
— Prof. Dr.-Ing. Dr. Sabine Kunst, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg
Die Herausforderung des Films im Themenumfeld der neuen digitalen Rahmenbedingungen.
— Frank Geßner, Künstler und Professor für Theorie und Praxis der Bildkunst an der Filmuniversität
Nach der Sichtung der Wiener Ausstellung im 21er Haus, dem Museum für zeitgenössische Kunst: "Peter Weibel - Medienrebell. Warnung! Diese Ausstellung kann Ihr Leben verändern." [5] solle an diesem Abend erstmals an den Vortragenden ein Preis verliehen werden, angeblich "der erste Preis, der überhaupt weltweit für künstlerische Forschung verliehen wird" (sic!).
Notate zur Rede des "Kraftwerks auf Taubenfüssen", so Frank Geßner [6]:
Peter - angesichts all des Ehrenhaften, das über ihn gesagt wurde: "Das verschlägt einem ja fast die Sprache..." und jetzt wolle er etwas mit-teilen.
Nach der linguistischen Wende, der performativen Wende - die Sprache als DAS System der Welterklärung - und der ikonischen Wende - iconic turn - komme es nun zu einer erkenntnistheoretischen Wende.
Steward Brand und sein Whole Earth Catalog seien die Grundlage für all das, was das "Silicon Valley" heute geworden ist. Und das bedeute: die Gegenkultur sei das Werkzeug für die heutige "Kultur".
Und er verweist auf seinen Film "Denkakt2 von Ernst Schmidt jr. mit ihm als Darsteller (in eigener Sache) & Sprecher, Kamera: Hans Scheugl
Darin sei von dem Film als "Dick" und von der Wirklichkeit als "Doof" die Rede.
"Gott sprach: es werde Licht" - und dann wird von einem Freund der Projektor im Rechner aktiviert .... oder auch nicht? Es kommt zunächst einmal zu einer langen, langen Wartezeit.
Denkakt von Ernst Schmidt .aus dem Jahr 1976
Und dann, ist der Film zu sehen - in schwarz weiss - aber kein Ton.
Peter nestelt an einem knallroten Kabel und steckt es in eine der Buchsen im Laptop. Aber auch dann tut sich nach wie vor Nicht.
Und so spricht er, anstatt des Tons und sagt: "keine Ton".
Und dann die Entscheidung: das Ganze abzubrechen.
Noch mals taucht eine Hiwi auf, zieht das Kabel aus der Buchse...
... bis dass das Publikum erkennt, dass der Ton auf dem Rechner ausgeschaltet ist.
Unter dem Beifall desselben wird das entsprechende Icon auf dem Rechner aktiviert. Und dann das Ganze nochmals gestartet ... um dann erneut abgebrochen zu werden.
Das Raunen im Publikum wird immer lauter. Es werden vereinzelt Vorschläge gerufen, wie weiter verfahren werden könnte. "F5 - einfach nur F5" wird gerufen. Andere springen auf und laufen nach vorne.
A b b r u c h
Der Vortrage beginnt:
Der Staat repräsentiert sich nicht länger durch Kultur, sondern durch die Wissenschaft (vergleichen wird das Budget von Baden Württemberg und der Zuschuss für das CERN).
Es wird beschrieben die Geschichte der Kunst-Wissenschaft auf der Basis der Wissensbäume.
Das Nacheinander und Nebeneinander der Bewegungen führt zum Kino und zu den Videomaschinen.
Die Kamera ist das freischwebende Auge.
Die Entwicklungsschritte des Films: Schwarz-Weiss - Farbe - Ton - 3D.
Wie kann Bewegung simuliert werden: mit "virtuellen Volumen"
Das Kino war aufgebaut auf der "Rad-Technologie"
Seine These: hätte man damals, 1969, die künstlerische Forschung ernst genommen, dann hätte man heute auch in Deutschland ein Silicon Valley.
1964 gab es den Konrad Zuse in Deutschland. Und als er in Geldnöten war, hatte er keinen zweiten Grossrechner verkaufen können - und ist danach pleite gegangen.
Seine Hypo-Thesen:
Das Auge ist die Antwort der Evolution auf die Sonne.
Aber heute brauchen wir Werkzeuge, die aus dieser Evolution heraustragen.
Und die machen wir: Jetzt suchen wir nach Organen zur Wahrnehmung der elektromagnetischen Wellen.
Mit der Trennung von Botschaft und Boten beschleunigt sich die Vermittlungsgeschwindigkeit der Informationen enorm.
Die Minikri-Geschichte: Degas hat ein Telefon angeschafft. Rodin ist dagegen und nennt seinen Freund einen Dienstboten, da er beim Klingeln des Telefons aufsteht und geht.
Seine These: die Medienkunst hat gezeigt, wie es mit der Zukunft weitergehen wird.
Mit der Wandlung der Technologie in eine Teletechnologie sind wir mächtiger geworden. Aber wird sind - nach wie vor "Prothesengötter", die sich in ihrer Kultur unbehaglich fühlen.
Das Missverständnis der Computerspiele: diese machen heute doppelt so viele Umsätze wie die Filmindustrie. Das Spiel ist nicht "Unterhaltung" wie sie die Verblödung des Fernsehens mit sich gebracht hat, sondern "creative construction". Heute werden keine Schreibmaschinen mehr gebaut, und keine Plattenspieler. Die Games zerstören die Trennung von Spass und Arbeit. Bis hin zu den -"serious games": Werkzeuge zum Wissenserwerb.
Über die Sehnsucht des Menschen, aus der Welt herauszukommen. Es gibt auf der Welt nur interne Beobachter. Der einzig Exeterne ist "Gott". Oder die Maschine, die diese Illusion herstellt, dass man von Aussen auf die eigene Welt schauen könnte. Die Meschine hätte vier Achsen: x.y.z. & t (für die Zeit).
"Er lügt wie gedruckt... er lügt wie geferhsehnt..." Im TV sieht man nicht die Welt, sondern wie die Kamera - das Auge Anderer - die Welt sieht.
Was tun? Heute können Wissenschaft und Kunst auf der gleichen Ebene sein, so wie es Leonardo gesagt hat. Die Kunst ist (m)eine Wissenschaft.
"Der MENSCH ist der erste Freigelassene der Schöpfung, der steht aufrecht." J.G.Herder. Ideen zur Philsophie der Geschichte der Menschheit."
Diese Idee, freigelassen zu sein von der Evolution führt dazu, das wir diese Entwicklung selber vorantreiben müssen. Das führt zu einem "Exodarvinismus" - EXO - Evoultion
1967 ein Gerät entworfen, das all das schon beinhaltet, was heute ein "Handy" kann. Aber eine Förderung dieser Entwicklung durch den Staat in Österreich hat es nicht gegeben.
Film ist die vorläufige STation des kinematischen
Paul Bach-y-Rita: Wir übersetzen mit Organen, die von aussen kommt, die innere Kraft der Wahrnehmung. "Sensorische Substitution".
Applaus.
— Frank Geßner, Künstler und Professor für Theorie und Praxis der Bildkunst an der Filmuniversität, geht nochmals auf die Ausstellung von Peter W. ein.
Und er spricht gegen die "Zensur des Subjektes" und gegen den "Schwindel der Objektivität" und zitiert damit Roland Barthes’ über die Schwierigkeiten beim Schreiben.
Es geht zunächst um den Oskar Kokoschka Preis an Peter W. der im in Österreich verliehen worden ist --- der Preis heute hat eigentlich keinen Namen, es ist ein "sozialer Niemand", ein "YesBody" im Gegensatz zum "NoBody" - und hat dann doch diesen Namen: YesBody for Artistic Research bestehend aus
— einem rasierten Pinsel
— einem freien Bleistift
— der Geschenkgutschein [7]
Der Eintrag ins Gästebuch
Dieses Haus
nach der Wende erbaut,
um nicht nur Erbauliches
zu hören
sondern Peters Ideen
vom "noetic turn":
gute Rede-Wendungen
anstatt Wendehälse
das gefällt
(hoffentlich nicht nur) mir-
Merci!