
Am 16. März 2014 gab es, zum einhundertsten Geburtstag im SWR - wo denn auch sonst - einen Film [1] über das Leben und Werk (wie man so zu sagen pflegt) des Herrn Dr. Hans Bayer, der sich gerade noch rechtzeitig, obwohl schon zum Offizier avanciert, aus der heimatseeligen Gefühlsduselei des Nationalsozialismus freigeschrieben hatte.
Um sich dann nach dem Ende des Krieges daran machte, sich aufzuteilen - noch vor dem eigenen Land - in zumindest zwei Personen: den Journalisten und den Schriftsteller.
Dieser zweite Mann hiess zunächst "Peter Puck", in Anknüpfung an die weibliche Besetzung dieser Rolle im Sommernachtstraum. Dieser Federname wurde ihm aber geklaut - von seinem Vorgesetzten. Und so wurde aus dem "Puck" ein "Troll" und aus dem Peter zunächst ein Theodor und daraus dann ein "Thaddäus".
Einer, so sag er, "der unter dem Namen Hans Bayer ernstzunehmende Theaterkritiken schreibt und daneben noch Texter fürs Kommödchen ist, was ich damals war, der muss sich spalten, der muss in Deutschland schizophren werden."
In Deutschland sei man entweder "U", Unterhaltungsschriftsteller, oder "E" = Ernsthaft. Für ihn, Bayer, war "das Unterhaltende das Anspruchsvolle" und die Langeweile "der Tod der Mitteilung."
Dr. Bayer: "Man kann ganz ernste Dinge, kann man, wenn man sie heiter beschreibt, ja, dann kann man viel mehr sagen. Und dann möchte ich gerne, dass die Leute lachen. Aber gleich merken: Oh Gott, dass ist ja was ganz Schreckliches, über das wir gerade gelacht haben."
Und später: "ich leide manchmal sehr unter Depressionen - sonst könnte ich nicht heiter schreiben. Es ist einfach Verzweiflung."
Dieser Herr Troll weigert sich, dass ihm ein letzter Puck in sein Tor geschossen wird, der ihn zum Verlierer machen würde. So schiesst er sich selbst sein Eigentor. Und macht sich als Autor zu seinem eigenen Stadionsprecher:
Gestern wurde Thaddäus Troll auf dem Steigfriedhof beerdigt. Der Pfarrer fasste sich kurz. Cannstadter Trollinger wurde ausgeschenkt. Die Trauergäste erhielten folgenden Text:
Liebe Freunde. Mein vor ein paar Tagen beendetes Leben lang hatte ich eine Aversion gegen die Zeremonien einer Beisetzung. Die Betretenheit der Trauergäste. Der bemühte Trost des Priesters. Die gewerbsmässig geheuchelte Anteilnahme der Sargträger. Der Motor der Pflicht, der die meisten Anwesenden in schlecht sitzender eingemottete Trauerkleidung gezwängt und zum Friedhof getrieben hatte.
Um die heutige Beerdigung komme ich mit dem besten Willen nicht herum. Wohl aber kann ich Euch und mir die elenden Beschönigungen eines Nachrufs ersparen: ’der Dahingeschiedene’, ’der Von-Uns-Gegangene’, ’der teure Freund’ ’denn er war unser’ ’für immer verlassen’ ’herzliches Beileid’ ’nie vergessen’ ’in einer schöneren Welt’ ’letzte Ehre erweisen’ ... indem ich mir selbst nachrufe: ’perfekt war er nie, eher imperfekt’. Er schrieb für Geld und nahm sowohl das, was er schrieb wie sich selbst nicht allzu wichtig.
Auch diesen Nachruf schrieb er: genüsslich. Und so dachte er, er wäre posthum mit seinem Leben zufrieden.
Was bleibt?
Unter dem Motto: "Einigkeit der Einzelgänger" fand der erste Kongress des Verbandes Deutscher Schriftsteller im November anno 1970 in Stuttgart statt [2]. Und Dr. Bayer, als Sprecher seiner Landsleute, sagt: "... ich weiss, wie elend meine Kollegen hier im Lande leben und wie wenig sie gerade hier in diesem Lande geachtet sind."

Und er setzt sich nachhaltig und erfolgreich ein für die Gründung einer Organisation, die bis heute Bestand hat - und haben muss: die Künstler-Sozial-Kasse.
Walter Jens spricht 1994 von der Grazie, dem Witz und der Traurigkeit dieses Mannes, seines Werkes und nennt ihn - "ich weiss was ich sage" - einen grossen deutschen Poeten.
Die Unruhe seiner Seele, die Dialektik seines Ver-Denkens: wir können daraus lernen - über den eigenen Tod hinaus.
WS.