Qualität: Na und? Learning by listening?

VON Dr. Wolf SiegertZUM Montag Letzte Bearbeitung: 13. November 2013 um 19 Uhr 46 Minuten

 

Hinweis auf die Tagung des DJV in Berlin in den Räumen des Funkhauses Berlin des Deutschlandradios.

Qualität der Qualifikation –
Impulse zur Journalistenausbildung

Journalistinnen und Journalisten brauchen mehr denn je eine fundierte Ausbildung, um ihre Aufgaben kompetent und professionell wahrnehmen zu können. Das stellt hohe Anforderungen an die Anbieter von Aus- und Weiterbildung – an die Medienunternehmen mit ihren Volontariaten ebenso wie an Hochschulen und Akademien. Mit welchen Konzepten reagieren sie auf Veränderungen in der Medienbranche, auf Digitalisierung, Social Media und neue Strukturen des Arbeitsmarktes? (Wie) muss sich Ausbildung neuorientieren, um auf die Medienzukunft vorzubereiten?

Programm

11.00 Uhr Grußwort
 Dr. Willi Steul,
Intendant Deutschlandradio, Berlin

"Schön, dass sie wieder da sind"... sagt er und wartet, bis das Mikro dann auch angeschaltet wird, und sagt, dass dieses Thema das Wichigste sei, das man unter Journalisten diskutieren könne. Warum machen wir etwas, wie machen wir etwas? Was sind die Werte? Was bedeutet Ethos heute?

Journalisten brauchen mehr denn je eine fundierte Ausbildung. Wir wissen immer noch nicht, wie dieses Medium Internet uns und unsere Zukunft prägen wird. Oft kennen die Jungen das Internet besser als die Ausbilder - oder?

Die klassischen Medien werden noch sehr lange so bleiben, wie sie sind, und sich doch auf diese neuen Herausforderungen einstellen müssen.

Produktionen der Jungen, zum Beispiel "Umsteigeland" oder zur Energiewende, werde heute schon für beide Mediengruppen eingebaut.

"Ich bin Journalist und liebe die präzise Ausdrucksweise!"

Wir müssen die klassischen Genres wie das Hörspiel und das Feature "stark weiterbehalten" und weiter stärken.

Von 1.8 Millionen auf 2.1 Millionen ist der HörerInnen-Anteil gestiegen. Davon 480 000 Tausend Zuhörer für D.Radio-Kultur.

Respekt vor den KollegInnen im Hause, aber auch Nachlassen dieser Qualität im gesamten Radio-Umfeld.

"Wir haben den Auftag, ’alterslose’ Programme zu machen." Aber es gibt auch das "Baubüro" von d-radio-wissen. Und da sollen auch neue Formen des Radiomachens ausprobiert werden.

Das Thema Digitalradio bleibt wichtig. DAB+ ist DAS Radio der Zukunft. Aufbau der Netze seit dem August 2011.

Der Rechtfertigungsdruck von Aussen nimmt in einem geradezu erschreckenden Masse zu.

Auch beim Deutschlandradio steigen die Kosten schneller als die Einnahmen. Wir müssen in den Strukturen rationalisieren und kostengünstiger werden, aber nicht beim Journalismus. Und auch nicht bei den Auslandsreisen [1]

Wünsche: Musikfestival mit Frankreich im Wechselspiel. Die Kooperationen sollten aber nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Kosten erweitert werden, sondern auch aus inhaltlichen Gründen.

Frage: Was "schulden" wir der Gesellschaft, wir als "Öffentlich-Rechtliche"?

"Ich wäre gerne dabei, aber leider habe ich noch eine Planstelle zu verwalten :-)"


11.15 Uhr Impulsreferat
 Prof. Dr. Michael Steinbrecher,
Institut für Journalistik, Technische Universität Dortmund

Prima: er verweist darauf, dass heute auch viele andere der Anwesenden sein Thema vom Dialog von Wissenschaft und Praxis vorstellen können.

Heute ist der professionelle Medienmacher unsicherer - oder positiv gesagt - auch neugieriger als früher. Denn heute muss man mehr denn je zeitgemäss auf die aktuellen Aufgaben vorbereiten.

Der Arbeitsmarkt ist unsicherer geworden. Die Frage "wozu Journalismus" wird immer häufiger gestellt. Die Zeichen zum Thema "Deprofessionalisierung" sind immer deutlicher zu sehen.

Die Aufgabe ist es, nicht nur mit den Symptomen der Krise fertig zu werden, sondern mit den Grundlagen. Mit Google und Co ist das Spektrum ganz neu und ganz weit aufgemacht worden.

Welche Kompetenzen brauchen die Journalisten von morgen:

1970: Probleme der Journalistenaus- und Fortbildung... mit diesem Papier wurde eine breite Diskussion eröffnet, die auch zu ganz unterschiedlichen Wegen führte. Aber es gibt auch eine Reihe von gemeinsamen Positionen:

— Journalismus ist kein Begabungsberuf

— Theorie und Praxis sind zu integrieren, von wissenschaftlicher Arbeit und redaktioneller Arbeit

— Die Lehre muss dem aktuellen Bedarf angepasst werden

— Eröffnung neuer Wege neben / anstatt der Festanstellung

— Soll wirklich alles gemacht werden, was heute auch technisch möglich ist?

— Die Ausrichtung auf Print geht weiter auf TV, Radio und Online - und damit auch auf crossmediale Projekte.

— in Newsdesk-Modellen, in denen alle Ebenen eingebunden sind, alles erproben

— Fachkompetenz (Recherche, Redaktion etc. und das Fachwissen), Vermittlungskompetenz (artikulieren können) und die Sachkompetenz (Verortung im Gesellschaftssystem) galten nach Weischenberg (1990) als die wichtigsten Achsen.

— alle hier genannten Kompetenzen bleiben wichtig, aber heute gibt es auch neue Bereiche: die Persönlichkeitskomptenz, zu der man reifen und ausgebildet werden muss (vom Zuhören können bis hin zur Entscheidungsfähigkeit), die Fähigkeit zum Zeitmanagement, zur Teamfähigkeit, zur Führungskompetenz. Und zur Unternehmerkompetenz. Und zur Technikkompetenz. Und die Publikumskompetenz.

— Wir brauchen für diese neuen Kompetenzanforderungen mehr Zeit! Dafür müssen neue Methoden der Komprimierung gefunden werden. Aber wo spart man diese Zeit an anderer Stelle ein? Beim Fachwissen und beim Sachwissen?

— Was geht ist: Aktualität, aber wie steht es um die Bereiche Relevanz und Richtigkeit, um die angemessenen Mittel und Methoden der Vermittlung? Dafür bedarf es nach wie vor solcher Kriterien wie der Ethik.

— Journalismus ist - und bleibt - ein Traumberuf. Aber es bleibt auch der lange Weg mit vielen kleinen Schritten...

— Nach wie vor ist der Fachbereich der Publikationswissenschaft alles andere als klar oder transparent, wie es jetzt positiv beim Mediencampus Bayern versucht wird

— Journalismus und PR sind NICHT "zwei Seiten der gleichen Medaille". Das bedeutet aber nicht, dass es grundsätzliche Unterschiede zwischen den Unis, den Fachhochschulen und den privaten Einrichtungen gibt.

— Gibt es aber nicht schon heute zu viele, die diesen Beruf noch ergreifen wollen? Die Ausbildungsangebote nehmen dennoch tendenziell eher ab. Umso wichtiger sei es, dass jede Einrichtung ihr Profil schärft.

— Das Problem ist nicht die Existenz der PR-Abteilungen, sondern die unkritisch ungeprüfte Übernahme der Angeboten aus diesen Abteilungen.

— In Dortmund sollen der Master-Weg weiterentwickelt und die Forschung verstärkt werden.

— Und wir brauchen ein Debatte, wofür dieser Journalismus heute noch steht. Welche Rolle werden in Zukunft Stiftungen spielen? Lebenshilfe für Journalisten, bedeutet das eine zunehmende Abhängigkeit? Welche Rolle wird in Zukunft das Publikum spielen? Brauchen wir ein neues Memorandum?

12.00 Uhr Panel I
Volontariat: Reformstau
auf dem Königsweg
Diskussion mit

 Michael Geffken, Leipzig School of Media
aus dem heimlichen auf den offenen Lehrplan gehören heute:
— Crossmedialität
— Technikorientierung und Informatik
— Nutzer- und Leser- Absender-orientierung
Vom Metteur bis zum Korrektor haben alle noch seine Texte während seiner Ausbildung gelesen. Und noch ein Redakteur. Das ist alles vorbei.
Ostdeutsche Zeitungsverlage haben nachgefragt, ob man dort auch die Volontäre mit ausbildet. 7 3-tägige Module anstatt eines Blocks ist die Antwort. Aber dieses tolle Modell wird von den Verlagen noch in Frage gestellt: 7 mal Reisekosten und 7 mal raus aus den Redaktionen
Das Hauptproblem der Medienhäuser ist es, dass es kein systematisches Personalmarketing gibt. Man weiss gar nicht, welche Leute man will, wie man sie ausbilden will, wen man später selber braucht.

 Annette Hillebrand, Akademie für Publizistik, Hamburg
Der heimliche Lehrplan war die journalistische Edelfeder - und ist heute der teamfähige Einzelkämpfer. Nach zwei Jahren wissen, was die eigene persönliche Stärke ist.
In der Evaluierung wird auch geprüft, wie die Schulungen in den Zeitungen mit denen an der Ausbildungseinrichtung zusammenhängen - und noch besser kooperieren können.
Wolfgang Blau hat einen Vortrag in Wien gehalten anlässlich der Verabschiedung von Studierenden, die ein Masterstudium absolviert haben. Danach beherrscht die Angst in den Redaktionen vor ihrer Zukunft die Bereitschaft der Jungen, etwas Neues, etwas neu machen zu wollen.
Die Häuser präsentieren sich nur selten als professionelle Arbeitgeber und Ausbilder.
Förderung der Personals.

 Christian Lindner, Rhein-Zeitung, Koblenz
Nach zwei Jahren muss man verstanden haben, warum man diesen Beruf für Geld machen kann und wie. Es geht vor allem darum, junge Persönlichkeiten zu finden, die nicht mehr Generalisten sind, sondern sich für besondere Schwerpunkte qualifizieren. Wenn Verlage das schaffen, dann ist das auch eine Massnahme und Möglichkeit der eigenen Zukunftssicherung.
Es ist für die Zeitung wichtig zu wissen, welche Positionen in Zukunft durch jemand Neues besetzt werden könnten.
Das grösste Defizit sei, sagen die Volos, dass sie kein Feedback aus den Redaktionen bekommen. Und das ist ein Riesenproblem.
Das grösste Problem ist, dass die jungen Leute "lernen", "auf Sicherheit" zu gehen: "das Verschwinden von Mut" ist ein Dilemma. Der "Ausbildungsbeauftragte" wird ersetzt durch Qualifizierte, die als Mentoren die Jungen prägen.
Klären, was besser im eigenen Haus gemacht werden kann und was draussen.
Widerspruch: Die Arbeitsplätze in den Redaktionen sind nicht durch Ängste geprägt, sondern von der Chance, selbst als Regionalzeitung weit darüber hinaus aktiv zu sein und wahrgenommen zu werden. [2]
Haltung und publizistische Qualität sind gemeinsam zu fördern.

 Prof. Dr. Ulrich Pätzold, Berlin
In Dortmund gibt es keinen Journalismus mehr, aber eine Zeitung. Die These lautet - seit eh und je -, dass das Volontariat nicht allein die Ausbildung bestimmt. Die wesentlichen Veränderungen bedeuten, dass Journalismus nicht länger nur in die Medien eingebettet ist, sondern sich auch unabhängig von dieser Einbettung entwickelt. Von der Frage der Qualität ausgehend muss die Frage der Qualifizierung neu bestimmt werden.
Heute ist es eher wie in der Medizin: Eine Grundausbildung und dann das Kennenlernen der Abteilungen.
Die Ziele und die Kompetenzmodelle sind neu zu bedenken. Persönlichkeits- und Publikumskomptenzen sind beides interkulturelle Kompetenzen. Und diese sind neu zu definieren. Wir müssen genauer danach schauen, welche Märkte wir einfach haben.
Die überbetrieblichen Elemente müssen weiter ausgebaut werden. Die Angst in den Redaktionen ist nicht gerade ausbildungsförderlich.
"Ich bin ein entschiedener Förderer der dualen Ausbildung."
Das Volontariat ist ein Teil der Journalistenausbildung, für die es eines neuen Modells bedarf. Und es bedarf einer Autorität, die das hilft voranzutreiben.

 Maximiliane Rüggeberg, Nordbayerischer Kurier, Bayreuth, Volontärin
Nach der intensiven Suche viele Angebote bekommen, die schlicht und einfach "unter aller Sau" waren. Man muss schon so viel ins "Volo" mitbringen und bekommt nicht einmal einen vierstelligen Betrag. Und darüber einen Eintrag geschrieben, der dann seinen eigenen Weg gemacht hat, aus dem Blog bis zu Twitter.
Es geht nicht nur um die Technik-Ausbildung, sondern vor allem darum gelernt zu haben, wie man online JOURNALISMUS macht. Haltung und Handwerk sind und bleiben wichtig.
Volontäre, die sich was trauen, brauchen die Rückendeckung durch die Chefredaktion. Und ihre Text müssen und sollen gelesen werden, nur so kann man lernen.
Überstunden: Ja, natürlich. Aber man darf doch mal danach fragen - und sie dann ggf. abfeiern.
Nachwuchs: Es gibt mehr denn je, die gerne wollen. Und die nicht schon viel Erfahrung haben.
Forderung: Kümmert Euch um Euro Volos!

14.15 Uhr Panel II
Buntes Treiben auf dem Campus:
Studium zwischen Modell und Mode
Diskussion mit
 Prof. Dr. Beatrice Dernbach, DGPuK-Fachgruppe Journalismus
 Jana Lavrov, freie Journalistin, Berlin
 Prof. Dr. Klaus Meier, Universität Eichstätt
 Jörg Sadrozinski, Deutsche Journalisten Schule, München
 Prof. Dr. Stephan Weichert, Macromedia-Hochschule, Hamburg

16.00 Uhr Schlusswort und Ausblick
 Ulrike Kaiser,
IQ-Sprecherin

Tagesmoderation
 Werner Lauff,
Publizist und Medienberater, Düsseldorf


Hier zwei der Beiträge, auf die im Vorfeld verwiesen wurde, als Links:

 Rede des Bundespräsidenten Joachim Gauck zum Jahrestag der Zeitungsverleger in Dresden am 17. September 2013.

 2020 - DIE ZEITUNGSDEBATTEauf Spiegel.de, aufgenommen seit dem August 2013.


PS.

In der Einladung gibt es auch einen Verweis auf das Projekt von Karsten Lohmeyer und Team mit dem Namen Lousy Pennies mitsamt dem Hinweis, dass Publikationen wie diese, mit weniger als 5.000 Besuchern „fast keine Einnahmen“ verzeichneten.

Anmerkungen

[1"ich bin grün vor Neid, aber ich unterschreibe diese Anträge - eigentlich überflüssig - gerne, da so zu sehen ist, wie viele neue Ideen erprobt und umgesetzt werden.

[2Auch dann, wenn Ihr eine Lokalredaktion schliessen müsst, fragt der Moderator zu Recht nach...


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