re:publica re:cap & pre:view

VON Dr. Wolf SiegertZUM Montag Letzte Bearbeitung: 14. Mai 2013 um 12 Uhr 24 Minuten

 

0.

Diese Veranstaltung hat Spuren hinterlassen.

Am Samstag treffen sich Vera Linss, Marcus Richter und Johnny Haeusler (JH) in Berlin vor den berliner Mikros von Deutschlandradio Kultur und lassen in der allwöchentlichen Breitband-Sendung nochmals die Veranstaltung in einigen Aspekten an uns vorüberziehen.

Nachdem 24 Stunden später, am späten Sonntagabend, erst ein Kommentar auf der Breitband-Seite im Internet erscheint, ist es an der Zeit, selbst nochmals über das Gehörte zu reflektieren.

1.

JH berichtet in dem Gespräch, dass er erst jetzt dazu komme, sich nach und nach all die Vorträge anzuhören und anzusehen, die auf der Veranstaltung stattgefunden haben.

Da haben wir etwa gemeinsam, der Insider, der "aussen" lebt, und der Aussenseiter, der "innen" erlebt.

Auf der auch ästhetisch echt ansprechenden Website findet sich aber nicht das, was man bei der Vielzahl der Vorträge erwartet hätte: nämlich die Links auf die offensichtlich erfolgten Mitschnitte, die sich alle bei YouTube wiederfinden.

Wird dort "re:publica" als Stichwort eingegeben, kommt als erstes ein Hinweis auf:

SEXO CON ANIMALES EN LA REPUBLICA DOMINICANA ZOOFILIA ESTA SUCEDIENDO? CLARO QUE SI !! PARTE 1 by manny Solano, 3 years ago 10,082,712 views

Es gelten die Regeln des Urheberrechts all rights reserved

bevor wir dann zur gesuchten Sache kommen.

2.

Echt ein Griff ins Klo. Richtig. "Der beherzte Griff ins Klo" ist tatsächlich der Beginn des Dialoges zwischen Philip Banse und Johnny Haeusler, dessen iPhone an diesem Morgen auf eben diese Art und Weise abgesoffen ist - und damit "gestorben".

JH: "Es ist sehr spannend, weil da so kleine Unix-Kommandozeilen mit wichtigen Informationen kommen und dann stirbt der Bildschirm so ganz dramatisch..."

Wer denkt da nicht an die Geste des Apple-Chefs, der das von seinen Entwicklern präsentierte Mobile-Phone in ein Aquarium warf, auf die aufsteigenden Luftblasen verwies und bemängelt haben soll, dass der Platz im Gerät immer noch nicht optimal verbaut worden sei...

Wo ist das Video zur Veranstaltung der Robert Bosch Stiftung zum Thema
"Vom Erklärbär zur Ameisenkönigin – Crowdsourcing, Deliberation und Co im Wissenschaftsjournalismus", da zu dieser Veranstaltung angekündigt wird:

"In der Session sollen Ideen angestoßen werden, die anschließend zu konkreten Projekten weiterentwickelt und von der Robert Bosch Stiftung mit bis zu 15.000 € gefördert werden können." [1]

3.

Immerhin, auf der Suche nach den richtigen Videos fällt der Blick auch auf ein MBLN-Interview mit JH, das seit Mitte März 2013 über siebenhundert Abrufe notiert.

Aber wenn man bei "bing" "sascha lobo re:publika 2013" eingibt, ist der "Überraschungsvortrag II" auf diesem Wege nachzuhören und zu -sehen.

Und was gibt es als erste zu sehen: eine Stuhlgang (sic!)

Es gelten die Regeln des Urheberrechts all rights reserved

Haeusler sagt in seinem Interview, wie wichtig es sei, den Menschen Zeit zu geben, um wahrnehmen zu können, was das Angebot der Kunst - in diesem Fall der Kunst der Rede - beinhalte.

Und zu Beginn dieses Videos ist dieses nachzuverfolgen: Gemäss dem Motto: "Pausen sind auch Musik" beginnt der Redner: Mit einer Pause. Und bekommt fast dafür schon Beilfall [2].

4.

Jetzt, wo die Beobachtung Fahrt aufnimmt, gäbe es noch soooooo viel zu erzählen, was über den Tag hinaus von Wichtigkeit sein könnte - und oftmals festgemacht an so klitzekleinen Details wie hier oben als pars pro toto dargestellt: von der überaus sehenswerten wie sympathisch unkonventionell dargestellten RednerInnen_Liste bis hin zu den vielen natürlichen wie neuen Fellow-Travellers aus Politik und Wirtschaft, von der Landesregierung NRW bis hin zu Daimler und Microsoft, die sich (inzwischen) auf dieser Veranstaltung eingefunden haben. Selbst die Banken mischen inzwischen mit, mit einem Finanzblog-Award (sic! - von irgendwas muss ja auch der Blogger, die Bloggerin schliesslich leben können - oder :-).

Schluss damit.

5.

Und dennoch, zumindest die Öffnung der zunächst urdeutsch-alternativen Scheunen-Keller-Kinder-Klause in eine auch international gern bespielte und besuchte Veranstaltung sollte nochmal betont und unterstrichen werden.

Endlich weg von der Nabelschau und der geöffnet der Blick in eine Welt, die wir so vielleicht dann doch noch nicht gesehen haben.

5.1.

Es gelten die Regeln des Urheberrechts all rights reserved

Auch hierfür das Beispiel eines Beitrags, der NICHT in Berlin gehalten wurde, sondern am vergangenen Sonntag, den 12. Mai, in Paris in der Morgensendung von france inter ausgespielt wurde: Das Interview mit Eric SADIN aus Anlass der Publikation seines neuen Buches bei L’échappée: "L’humanité augmentée", ausgestrahlt unter dem Titel: "Quand les robots décident à notre place... ".
Darin geht es nicht nur um die Rechner, die anstelle der Menschen entscheiden, welche Entscheidungen an der Börse getroffen werden, sondern auch um all die zur Personalisierung aufgewandte Rechenleistung, die notwendig ist, um an die Börse des Konsumenten zu gelangen: an sein Geldbörse oder ersatzweise an seine vermakelbare Personalität.

5.2.

Und zugleich ein Blick nach London auf die "Tate Britain". Von dort berichtet heute der gleiche oben schon eingangs erwähnte Sender in seinen Kulturnachrichten um 15:30 Uhr:

Ab sofort streng chronologisch: "Tate Britain" hat die Exponate umgehängt

In der Londoner Galerie "Tate Britain" herrscht ab sofort eine strenge Chronologie. Wie das Museum bekanntgab, sind rund 500 Werke britischer Künstler nicht mehr wie bisher nach Themen, sondern nach ihrer Entstehungszeit geordnet. [...] Chris Stephens, zuständig für die Präsentation der Werke, verwies auf veränderte Sehgewohnheiten der Besucher. Im digitalen Zeitalter kuratierten die Menschen ihr Leben selber. Ihre Wahrnehmung solle deshalb auch nicht mehr durch kunsthistorische Kategorien beeinflusst werden. Vollständig wiedereröffnet wird die "Tate" nach mehrjährigen Umbauarbeiten dann im Herbst. [3]

Aus Anlass all diese hier nur kursorisch zitierten Einflüsse liesse sich nun ein höchst interessanter Sub-Text ableiten, der auch noch bis zur nächsten re:publica und darüber hinaus Gültigkeit haben könnte.

Die These lautet, extrem kurz zusammengefasst: das die Fragmentarisierung von Er-Leben in digitalen Kontext zu einer Aufhebung des Erlebens von Kontinuität bedeutet.

Im Falle der Tate Britain konkretisiert: eine "richtige" Entscheidung mit einer "falschen" Begründung: die chronologische Hängung bedeutet nicht nur ein Verlagerung der Dienstleistung der Förderung des Erkenntnisgewinns auf den Besucher (und diese diy-Prinzip ist nicht nur positiv), sondern auch die Wiederherstellung von Kontinuität als Metapher einer nun zersplitternden Wahrnehmung.

PS.

Wer mehr dazu wissen will? Eine Mail via den FEEDBACK-Button auf der rechten Seite reicht aus!

Anmerkungen

[1Das wäre von Interesse gewesen, nachdem aus eben diesem Hause kurz zuvor ein Schreiben eingetroffen ist, dass die Bewerbung, für drei Monate als einer der "Medienbotschafter!" nach China zu gehen, nicht angenommen wurde. Siehe: Chinesisches Neujahr 2013. WS.

[2Was dahinter steht, wurde selbst vor kurzem erlebt und diskret zur Darstellung gebracht: Siehe dazu den (Eigen-)Bericht aus Oslo vom 27. April 2023 "Oslo: NTFF Guest of Honour".

[3Am späten Abend des 13. Mai gab es darüber in der Sendung Fazit einen Korrespondenten-Bericht. der aber am Tag danach auf der sonst so wohl informierenden Webseite des Senders nicht aufgefunden werden konnte.

Stattdessen an dieser Stelle zumindest ein Link auf den in monopol wiedergegebenen dpa-Text, der übernommen wurde unter der Überschrift: Neuhängung in der Tate Britain. Veränderte Sehgewohnheiten verändern Bilderordnungen.

Darin findet sich aber auch eine Paragraph wieder, der inhaltlich so auch von dem Rundfunkkorrespondenten übernommen worden war:

Vor rund 13 Jahren sah das noch anders aus: Im Jahr 2000 entschied sich die Tate Britain, Werke völlig unabhängig von ihrer Entstehungszeit nach Themen zu ordnen - Claude Monet neben Jackson Pollack zum Beispiel. Bei Kunstkritikern gab es einen Aufschrei, beim Publikum war die Schau aber lange äußerst erfolgreich. Der Ansatz sei für die Tate Britain nun aber überholt, meint Stephens.


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