Berlinale: Pressestimmen

VON Dr. Wolf SiegertZUM Montag Letzte Bearbeitung: 20. Februar 2013 um 18 Uhr 51 Minuten

 

Im Gegensatz zum persönlichen Bedauern darüber, wie viele der im Rahmen der Berlinale 2013 gebotenen Möglichkeiten und Angebote nicht genutzt werden konnten, sind die hier - vielleicht nicht ganz repräsentativ aufgesammelten - Pressestimmen im Schnitt eher zurückhaltend zu nennen.

Es gibt natürlich die üblichen Sammel- und Agenturbeiträge zu Haufe, so wie dieser auch im Internet einsehbare dpa-Beitrag, der indirekt über ein Zeitungsportal als LINK auf- bzw. abgerufen werden kann.

Dieser Link findet sich auf der Seite eines Beitrags in der Nassauischen Neuen Presse vom 17. Februar 2013, 22.10 Uhr (letzte Änderung 19. Februar 2013, 04.12 Uhr) von Sabine Kinner, die unter dem Titel: "Worum ging es denn da?" kaum ein gutes Haar an der Veranstaltung lässt.

Ähnlich liest es sich in der Westfalenpost aus Hagen im Kommentar von Andreas Thiemann:

"Die diesjährigen Berliner Filmfestspiele waren nicht sonderlich spektakulär. Nichts wirklich Skandalöses gab es zu berichten, aber auch nichts wirklich Mitreißendes. Selbst die Jury blieb mit ihren Entscheidungen völlig im Rahmen der Erwartungen und kürte jene Filme und Schauspieler, die schon vom breiten Berlinale-Publikum als Favoriten benannt worden waren. Mit Rumänien und Iran kamen dabei zwei Länder in den Sieger-Fokus, die den politischen Anspruch des Festivals in diesem Jahr wieder einmal untermauert haben. Noch prallt die vereinzelt geäußerte Langeweile-Kritik an Festivalchef Dieter Kosslick äußerlich ab. Doch er wird sie gewiss nicht überhört haben."

Und Daniel Benedict schreibt in der Osnabrücker Zeitung:

" Die Berlinale-Jury hat ihre Bären gleichmäßig verteilt - auf viele gleichermaßen gute Beiträge. Dass Ulrich Seidls "Paradies: Hoffnung" und Juliette Binoche für ihre Leistung als Camille Claudel nicht berücksichtigt wurden, mag überraschen. Unangemessen ist aber nur der Regiepreis für David Gordon Greens eher netten "Prince Avalanche": Als Ehrung einer der wenigen Komödien noch nachvollziehbar, bleibt die Auszeichnung eines Remakes fragwürdig.

Schon vor der Preisgala stand fest: Skandale würde sie kaum bieten. Dazu hatte der Wettbewerb zu wenig Konfliktpotenzial. Aufreger wie der Folter-Polizist aus José Padilhas "Tropa de Elite", Goldener Bär 2008, standen diesmal nicht zur Wahl. Die Wettbewerbe in Cannes und Venedig waren zuletzt deutlich lauter.

Das Potenzial zur Debatte hat Berlin schlicht wegprogrammiert. Viel diskutierte Produktionen liefen leider in Nebensektionen: die Dokumentation "The Act of Killing" etwa, wo indonesische Paramilitärs stolz ihre eigenen Massenmorde nachstellen. Nicht jedes Spottwort über den Berlinale-Wettbewerb ist gerecht. Eines stimmt aber: Im nächsten Jahr darf er wieder etwas mutiger werden."

So weit, so un-gut.

Eigentlich ist es arrogant, wenn nicht gar obszön, sich zu solcher Art Wertung aufzuschwingen. Es gibt kaum einen anderen Ort auf der Welt, an dem so viel Unterschiedliches und sicherlich unterschiedlich Interessantes so komprimiert in kurzer Zeit zusammengesammelt und an realen Abspielorten zur Verfügung gestellt wird.

Und nicht nur das: im Gegensatz zu jedem noch so reichhaltigen Internet-Angebot, sind die Macher und Meinungsträger alle vor Ort. Und in vielen Fällen auch gesprächsbereit; ja, geradezu neugierig auf die Reaktionen aus dem Fach-Publikum. Und, natürlich, in vielen Fällen auch noch voller Hoffnung, dass diese, ihre Produktion einen guten Verleih, eine weltweit agierende Vertriebsfirma finden wird.

Je stärker die digitale Produktion und Distribution auch dieses Marktsegment des Films für sich vereinnahmt, desto wichtiger wird es, die Menschen aus der virtuellen Welt dieses Genres und der seiner Genese wieder zurückzuholen in das wirkliche Leben. Ein Leben, dass allerdings während dieser 10 Tage seinerseits schon so ist wie langer Tunnel, durch den sich all das Erleben und Reden hindurchzwängt: Mit der Hoffnung, immer wieder Licht am Ende zu finden und wohlwissend, dass die Länge dieser Passage auf maximal 10 Tage begrenzt sein wird.

Dies hier ist nicht nur ein Ja-Markt der Eitelkeiten. Es ist auch ein Marktplatz für Meinungen und Marketingaktionen, fürs Matchmaking und - manchmal auch - for the big money scoop.

Gewiss: Alles auch noch so Private läuft dabei Gefahr, sich öffentlich gerieren zu wollen - oder zu sollen. Aber all das, was in diesen Tagen die Öffentlichkeit dieser Insiderwelt erreicht, wird wie zu einer zweiten Natur, in der es sich sich für diese Zeit gut einzurichten möglich ist: Damit so auch das schier Unmögliche möglich werden kann.

All die auf der Leinwand fortwährend wiederhergestellt Privatheit ist für die Öffentlichkeit bestimmt, inszeniert, zu- und eingerichtet. Sie macht uns Kinogänger bestenfalls für einige Momente, Minuten, vergessen, wer wir eigentlich sind. Und vielleicht eröffnen sich stattdessen Möglichkeiten auf das, was wir vielleicht auch hätten sein können - und was lieber nicht.

Und jetzt soll doch bitteschön niemand behaupten, dass es in einem so grossen Festival mit so vielen Reihen und Angeboten nicht Möglichkeiten noch und nöcher gäbe, mit dem einen oder anderen Film in einen solchen Dialog treten zu können.

Es mag gerade für die professionellen Massenkonsumenten mit drei bis fünf Vorstellungen am Tag schwierig sein, noch ab und zu dieses Element der Inanspruchnahme der eigenen Persönlichkeit zum Einsatz zu bringen. Zu gut kennt man die Sujets und Formate, die technischen Möglichkeiten ihrer Umsetzung und die Methoden der Herstellung einer persönlichen Betroffenheit.

Und doch. Ein guter Film ist so, dass er all das zuvor Erlebte vergessen macht. In dem Moment der Wahrnehmung als auch in einer Reihe von nicht vorhersehbaren Momenten "danach", in denen sich einzelne Bilder und Töne, Szenen, Charaktäre, Handlungstränge in das alltägliche Erleben wieder einzublenden, ja einzumischen beginnen.

Ein Festival, auf dem man alle eingereichten und eingeladenen Arbeiten gesehen hat und in dem sich dennoch kein einziges Mal dieser Effekt eingestellt hat, das möge man dann auf dem Prüfstein der Kritik zerschellen lassen.

WS.

PS.

In diesem Jahr erstmals all die in der ganzen Stadt verstreuten Kinos mit dem Motorroller angefahren und aufgesucht. Trotz der Kälte mit Temperaturen um dem Gefrierpunkt und darunter ist es die mit Abstand beste, zeit- und kostengünstigste Art, den Anforderungen Stand zu halten - und sich dabei auch noch immer wieder die frische Luft um die vom Helm gut gepolsterten Ohren wehen zu lassen.


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