Berlinale 2013 - Die Eröffnung
"Never change a winning horse" - Berlinale-Chef Dieter Kosslick steht auch dieses Mal bei der Eröffnung wieder mit Anke Engelke auf der Bühne. 3sat ist live dabei.
LIVESTREAM ab 19.20 Uhr
Soweit das Versprechen als Untertitel auf der 3sat.de/Mediathek-Seite. [1]
Inzwischen ist es 19:30 Uhr und zu sehen ist... NICHTS.
Ausser der Meldung im internetexplorer 9.0 "Fehler. mediaLoadFailed"
Ein Versuch mit dem aktuellen Mozilla Firefox Browser ergab das Gleiche.
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Die gute Laune ist dahin. Jetzt muss doch der Fernseher - ein richtig roter bauchig eleganter Grundig Bildröhrenfernseher mit Namen "DAVIO" - eingeschaltet werden.
Und wir kommen gerade noch zur rechten Zeit um Anke Engelke zu hören, die empfiehlt, doch jemanden zu kennen, der jemanden kenne, der mit dem Berlinale Chef Kosslick "geknutsch" habe... so hätte man vielleicht dann doch noch eine Karte für diesen Abend bekommen können.
Wie bitte? Ist das ihr Ernst?
Natürlich nicht. Jeder weiss das. Aber was soll das dann? [3]
"Now let’s get official, Ladiese and Gentlemen", sagt sie, und dann werden all die hochrangigen Politiker vorgestellt: Rössler, Neumann, Wowereit, sowie 21 namentlich unbenannte Botschafter... "und viele weitere Bundesminister haben sich hier versteckt" Und sie alle sind "herzlich Willkommen".
Auch Bernd Neumann heisst alle - Wowereit namentlich - "herzlich Willkommen".
Namentlich erwähnt werden jetzt auch die 4 Mitglieder der Bundesregierung, neben Dr. Rössler werden nun auch Ilse Aigner, Thomas de Maizière und Daniel Bahr begrüsst.
Er verweist auch auf den politischen Anspruch der Berlinale: "Sie greift in ihren Filmen auch aktuelle gesellschaftliche Fragen auf und sendet entsprechende Botschaften aus. Ich finde das richtig und gut". "Accept diversity", das sei ein gutes Berlinale-Motto gegen Intolleranz und Fanatisums. Die Menschen in Mali als auch in Syrien hätten "unsere volle Solidarität". Aber auch viele Verfolgte in den "osteuropäischen Staaten".
Und damit wendet er sich der Verfolgung und Vernichtung der Menschen in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur zu. Und richtet seine Glückwünsche an Claude Lanzmann.
Er verweist auf die Retrospektive "The Weimar Touch" die mit 33 Filmen zeige, "wie das kreative Kino der Weimarer Zeit international weiter wirkte".
Er bittet die Regierung im Iran, den Regisseur Jafar Panahi zur Uraufführung seines neuen Films nach Berlin reisen zu lassen.
"Ich wünsche Ihnen eine aufregende schöne Berlinale. Vielen Dank."
Wowereit grüsst die "Internationale Filmgemeinde" zurück. Und sagt dem "lieben Dieter Kosslick" seinen Dank: "Man kann es nicht allen recht machen und Du willst es auch nicht allen recht machen. Aber Du machst einen verdammt guten Job. Und dafür sind wir Dir, Dir und Deinem Team, dankbar."
Er wünscht der Jury "eine glückliche Hand". Das Kino werde zum Abbild der globalisierten Welt. Das mache die Welt im Spiegel des Kinos kleiner und damit auch unübersichtlicher.
Das Themenjahr "zerstörte Vielfalt" soll an diese Zeit von vor 80 Jahren - und danach - gedenken. Und es sei gut, dass auch das Festival an diese Zeit erinnere.
Auftritt Dieter Kosslick. Auf Schwäbisch. Ohne Worte.
Später wird entlarvt, wie die Jury-Mitglieder ausgewählt werden: Zwei von ihnen würden durch die Frauen aus seinem Team ausgewählt werden, die anderen von ihm höchst persönlich.
Und dann spricht er davon, dass alle einen Computer hätten... ausser ihm. Natürlich.
Natürlich?
Die Berlinale wäre heute ohne "Computer" gar nicht mehr möglich:
— der ARRI-Berlinale Trailer liegt seit 2011 auch als 3D-Fassung vor
— die BARCO-Projektoren zeigen die Filme in 2K- und 4K-Auflösung
— die COLT-Links sind das A&O für die Breitbandverbindungen
— die DOLBY-Installationen umfassen die digitale Ton- und 3D-Film-Ausstattung
— die DOREMI-Server speisen die Film-Inhalte in die Projektoren ein
— die DVS Workstations sind Voraussetzungen, um die Filme mit DCPs auszustatten
— KINOTON ist seit 2012 als Film-Bühnen-Ausstatter mit dabei
— die TOP-IX-Spezialisten stehen für das Webstreaming und Online-Archiv.
Und da ist die Firma Samsung [4]. Die hat den Vorteil, dass auch ein Dieter Kosslick diesen koreanischen Namen leicht aussprechen kann. Und dass sie offensichtlich genug Geld hat, um mit einem eigenen Award die Szene um den so genannten Smart-Art-Film zu bereichern.
Was also soll diese stolze Mär, als Chef des Ganzen noch ohne Computer auskommen zu können? Never mind. [5]
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Es gibt nach wie vor gute Gründe für die Berlinale als einem einzigartigen Ort mit nach wie vor entscheidenden Vorzügen:
– offen zu sein für ein grosses Publikum wie kein anderes
– bereit zu sein, sich auch für politische Themen einzusetzen - und diese sogar zu setzen
– den jungen Leuten aus aller Welt die Chance und eine Plattform zum Erfahrungsaustausch anzubieten [9]
– und zugleich immer genug Zeit und Raum der Geschichte einzuräumen, der des Films, aber auch der eigenen
– den Frauen eine besondere Chance einzuräumen, die eigentlich selbstverständlich sein sollte [10]
So. Und wer einen Vergleich sucht, der konnte nach dem Ende der Sendung am Fernseher bleiben und sich mit den Reportern Karl Hohenlohe und Christoph Wagner-Trenkwitz auf den Wiener Opernball vorbereiten - und an diesem - virtuell - teilnehmen.
Man kann ja über solche Art Hof-Berichterstattung vom Wiener Opernball sagen was man will. Aber wenn man "sowas" nicht aus Berlin senden will, warum dann nicht zumindest 3D-Live-Webcams an DIE Festivalorte, an denen der Bär steppt? Mit den LiVE VIDEOS von den Pressekonferenzen und den Ankünften am Roten Teppich ist ja durchaus ein guter Anfang gemacht.
Und wer’s zeitversetzt sehen will, hat die Möglichkeit zu warten, bis die Opening Gala als Video vom Server abgerufen werden kann.
Und siehe da, mit dem zweiten Mal sieht man es besser.
Im Gegensatz zum TV-Format kommt das Monitor-Bewegtbild dem Bemühen viel näher, anstatt der "Grossen Show" den Schauspieler und die Regisseure in den Mittelpunkt zu stellen, in ihrer Persönlichkeit zu nähern mit ihrer Geschichten und den Geschichten, die sie zu erzählen haben.
Da das aber im Rahmen eines solch offiziellen Ereignisses nur sehr selten und nur sehr eingeschränkt möglich ist, nimmt offensichtlich Kosslick für sich in Anspruch, dieses in extenso tun zu dürfen: Er stolpert sich damit von einer Peinlichkeit in die nächste. Und kommt damit durch.
Ist es auch Blödsinn, so hat es doch Methode: Die Videoaufzeichnung, die sohl als Stream als auch als Download zur Verfügung stehen wird, wird es erlauben, nochmals bis in Detail nachzusehen und nachzuhören, was da eigentlich auf der Bühne alles passiert ist.
Hier nur einige kurze zweite Einblicke:
– Ulrich Tukur macht sich mit seinen "Rhythmus Boys" den Spass, öffentlich privat zu sein und so seine scheinbar als Privat herausgestellte Haltung öffentlich zu machen. Das gefällt, da er seine Art, gefällig zu sein, als eine Art fine-art ausstellt. Dabei ist er sich nicht zu fein ist, sich dabei selbst mit in dieses lebende Wachsfigurenkabinett einer nur scheinbar schon überlebten Unterhaltungs-Musik-Kultur zu projizieren.
– Und dann DIE Engelke: Und nur ein Satz, der für ihren ganz persönlichen Einsatz steht, mit dem Sie allen die Show stiehlt, ohne sich dabei als "Rampensau" zu disqualifizieren.
"Ganz viele Menschen aus China sind zu Gast heute, die in den Westen rübergemacht haben, obwohl ihre Mauer noch steht."
Und dann die "Übersetzung": "So many Ladies and Gentlemen from China, welcome to Berlin, it is good to have you here"
Bravo Anke: eine diskretere und amüsantere Form, das Thema der Menschenrecht aufs Tapet und über den Sender zu bringen, gibt es nicht!
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– Und dann der junge Herr Dr. Rössler. Und, haben Sie’s gesehen? Echt: Der zwinkert in die Kamera. Voll Profi. Und das so gut, dass seine Frau gleich mit beiden Augen hinterherklappert. Toll die Beiden.
– Der Auftritt von Dieter Kosslick. Er wendet sich zunächst einem der Musiker zu, der mit ihm Schwäbisch schwätzen kann. Und so dauert es eine ganze Zeit, bis die Bild-Regie auch ihm eine Bauchbinde verpassen kann.
– Was sich denn der Regisseur und Jury-Präsident von der Jury erwarte, so die Frage. Seine erste Antwort: "They have to be on time."
Last but by no means least sagt er dann den entscheidenden Satz. In seiner Landessprache:
"Die 63. Filmfestspiele zu Berlin sind eröffnet".
Und wir, liebe Leser, wir machen jetzt Schluss: Text wie diese sind eigentlich jenseits der Aktualität angelegt. Sie versuchen jenen Reizen und Regeln auf die Spur zu kommen, die hinter den Ritualen einer solchen Show verborgen sind.
Dass dieser Text dennoch schon an dieser Stelle entsteht ist dem Umstand zu verdanken, dass sich die verantwortlichen Protagonisten Tukur, Egelke und selbst Kosslick darum bemühten, neben ihrer Funktion und der mit für sie vorgesehenen Rolle immer noch etwas mehr, etwas anderes zu sein: menschlich, weiblich, künstlerisch.
Ob das wirklich angekommen ist?
Der Autor hatte nicht die Möglichkeit die Gäste dazu zu befragen. Und die ReporterInnen vor Ort nicht die Gelegenheit, den Mut oder auch die Einsicht, dieses zu tun.
Aber die neue digitale Technik hat es ermöglicht, einen zweiten Blick auf diese Veanstaltung zu werfen.
Und siehe da: mit diesem Zweiten sieht man’s besser :-)
WS.