Stichpunktsammlung zum Verschwinden von AGFA und der Ahoi-Brause.
I.
Wir alle hören sie immer wieder, die Klage darüber, dass grosse deutsche Erfindungen es nicht geschafft haben, über eine deutsche Firma auch mit dem Erfolg an den Markt gebracht zu werden, die dann andere haben, die diese Patente stattdessen vermarkten.
Klassisch: die Geschichte vom FAX-Gerät [1].
Heute soll es um die Suche nach den grossen deutschen Marken gehen, die ehemals schon jedes Kind kannte und die heute kaum noch eine Bedeutung haben oder die sich längst nicht mehr in deutscher Hand befinden.
Beispiele als pars pro toto für diese beiden Entwicklungen sind AGFA und GRUNDIG. [2]
Wie aber sich diesem Thema annähern?
II.
Der Satz: "Grosse deutsche Marken, die es nicht mehr gibt", wird - wie könnte es anders sein, bei "google" eingestellt. Und heraus kommt nur Schrott.
Aber dann gibt es doch einen Fund, der auf eine ganz andere Fährte führt, als die zunächst aufgenommene: es geht um den Abdruck eines Gesprächs mit der WirtschaftsWoche vom 28. November 2011, das so getitelt wurde: „Deutschlands Manager haben ein Imageproblem“.
Frank Dopheide [3] berichtet davon, dass er in einer Fussgängerzone den Passanten Bilder von Topmanagern gezeigt habe und sagt:
" Ich zeige Passanten in der Fußgängerzone Fotos von Managern. Wie wirkt der Mensch auf Sie? Antwort: Die personifizierte Langeweile. Welchen Beruf könnte er haben? Antwort: Sicher ein Vorwerk-Vertreter."
Aber er weiss auch zu sagen, wie ein Manager seinen ersten Auftritt richtig anzugehen hat und sagt:
"Eine persönlich gehaltene Videobotschaft verschicken: Das bin ich, das sind meine Werte, und das ist mir wichtig. Das schafft emotionale Nähe zur Belegschaft – und erleichtert selbst eine unerfreuliche Restrukturierung. Der erste Eindruck ist wie oft im Leben der entscheidende. Das unterschätzen die meisten Manager. "
Im Zusammenhang mit diesem Thema - und so nähern wir uns dann über Umwege doch an die Fragestellung heran - werden ein Reihe von Unternehmen genannt, die sich (noch) in deutscher Hand befinden:
Deutsche Bahn & Air Berlin: (ehemals) Mehdorn | als überzeugend werden genannt: Siemens: Peter Löscher, Henkel: Kasper Rorsted und Deutsche Telekom: René Obermann | gelobt wird Daimler-Chef Dieter Zetsche, dem es gelingt in den USA als "Dr.Z." mit Cowboyhut anzukommen und der sehr wohl weiss, dass sich in Deutschland eine solche Personality-Show in diesem Stil von vornherein verbietet | gelobt wird Linde-Chef Reitzle, dem es gelungen sei ", der trockenen Marke Linde einen gewissen Glanz" zu verleihen und die Firma auch als Arbeitgeber für Frauen viel attraktiver werden zu lassen.
Hier noch zwei Hinweise, die dann über den Mann und die Marke hinausgehen:
– Ein LINK auf ein Interview mit Kaspar Rorsted vom 29. März des Jahres 2007 aus Anlass des 11. "World Business Dialogue", in dem er sich vorstellt und dann sagt:
"... weniger Fokus auf Deutschland und mehr Fokus auf Möglichkeiten". Wichtiger als über die Grenzen zu sprechen und die Probleme sei es, über die Möglichkeiten zu sprechen. [4]
– Ein LINK auf ein Zetsche-Portrait in der Online-Ausgabe der Süddeutschen-Zeitung vom 6. Februar 2013. Auf der Seite zwei dieses Beitrages - aktuell mit einem "Error 503" - Vermerk blockiert - wird auf den Satz aus einem der US-Werbespots verwiesen, in dem er sich vom US-Markt mit einem "Auf Wiedersehen" verabschiedete, nicht um zuvor verkündet zu haben: "What do you expect? We invented the automobile".
III.
So. Jetzt kann man darüber philosophieren, ob das Nicht-Finden einer Antwort auf eine bei Google eingegebene Frage auf diesem Weg einen produktiven side-effect mit sich gebracht hat oder nicht. [5] Klar ist jedoch, dass damit die Suche nicht abgeschlossen sein kann.
Jetzt wird der gleiche Satz "Grosse deutsche Marken, die es nicht mehr gibt", bei "bing" eingestellt. Und - siehe da - es findet sich an oberster Stelle ein Hinweis auf einen Leserdialog, in dem über vergessene und verschollene Marken-Namen diskutiert wird. [6]
Nach und nach tauchen weitere typische deutsche Marken auf, die inzwischen tot sind: Märklin zum Beispiel, oder Rosenthal. Und es gibt das Zitat des Bionade-Machers Stefan Kolle von Kolle-Rebbe: "Die traditionelle deutsche Marke ist tot." [7]
Die BILD-Zeitung setzt ihre LeserInnen so ins Bild: in einem Artikel von vor einem Jahr, vom 8. Februar 2012 10:03, geht es um Zehn Firmen, die gegen die Pleite kämpfen mussten:
Mit einer Bildstrecke, in der zu sehen sind: Grundig, Hertie, Opel, Qimonada, Karmann, Schiesser...und einer Aufforderung an die LeserInnen, weitere Beispiele zu nennen.
Dies sind die folgenden: "Polo und Schlecker" "Saba" und "Dual" [8]
Am 25. Mai des Jahres 2012, 14:25 schreibt Annette Mattgey in Lead-Digital über das social ranking der Agentur Headstream und stellt fest, dass unter den ersten Top-100-Marken keine einzige Adresse aus Deutschland vertreten sei. [9]
IV.
Die beste Werbung für deutsche Traditionsmarken aber geschieht nach wie vor nicht immer aus freien Stücken. Denn sie ist teuer [10]
Wie jetzt in der Hannoverschen Allgemeinen vom 5. Februar 2013 ab 12:47 online nachzulesen war, ist das von der Fassade der Bahlsen-Firmenzentrale entwendete Firmen-"Logo" wieder aufgefunden worden: am Hals des Niedersachsenrosses vor der Leipniz-Universität. [11]
Die Folgen dieser pfiffigen Aktion. Eine ebenso pfiffige Agentur sucht die Keks-"Diebe" um ihnen einen Job anzubieten:
"Du hast aus einem Keks eine Geschichte gemacht, über die ganz Deutschland spricht. Wir lieben gute Geschichten – deshalb wollen wir Dich haben und zwar ab sofort. Melde Dich bitte:info@flaechenbrand.eu"
V.
Bei den folgenden Recherchen stellt sich eine intensive reziproke Interdependenz ein:
Auf der einen Seite ist immer wieder zu lesen, dass die Märkte in Deutschland, ja in ganz Euopa weitgehend ausgereizt seien, und dass nur noch in den sogenannten BRIC-Staaten Erfolge erwirtschaftet werden können.
Auf der anderen Seite stellt sich aber auch heraus, dass in diesem Wettbewerb aus Verbrauchersicht die deutschen bzw. die europäischen Marken im Schnitt schon heute schlechter abschneiden als die in Asien beheimateten. [12]
PS.
Als Basis-Lektüre zu diesem Thema hier nochmals abschliessend und zugleich einleitend der Hinweis auf DEN zu Beginn dieses neuen Jahrhunders in den USA publizierten Klassiker zu diesem Thema: Das Buch Firebrands: Building Brand Loyalty in the Internet Age von Doug Millison und Michael Moon.
Und, für den deutschsprachigen Bereich, die Diplomarbeit von David Müller aus dem Jahr 2005:
Alte Marke, neuer Erfolg. Der Retro-Trend und Auswirkungen auf den Einsatz der Marketing-Instrumente.
PPS.
Schlussendlich wurde doch ein Beispiel für das Gesuchte gefunden: der Markenfriedhof auf der Seite von Markenlexikon.com mit einem Rückblick auf die folgenden Brands:
> Air Marin
> Auto Union
> Bilka
> Borgward
> Büssing
> DEA
> DKW
> Dual
> Fokker
> Hanomag
> Henschel
> Hoechst
> Horch
> Horten
> Mannesmann
> max.mobil
> Messerschmitt
> Nordmende
> NSU
> Oldsmobile
> Plus
> Raider (heute > Twix)
> Rover
> SABA
> TCM
> Wanderer
> Zündapp