Am Abend eines langen zweiten Medientages wird dem Berichterstatter eine kleine Publikation zugereicht, die mit dem Titel
"MEDIENTAGE für Einsteiger"
überschrieben ist und verspricht, "20 Dinge" zu benennen, "die Sie wissen sollten."
Unter Punkt 14 wird in diesem Heftchen empfohlen, den "Firmen-Porsche" [ja, das steht da] stehen zu lassen und stattdessen die U-Bahn zunehmen, in dem "sich ein Büchlein wie dieses auch viel leichter lesen" liesse.
Hier ist nun zu berichten, dass jeden Morgen auf der Anfahrt zur Messe ab der vorletzten U-Bahn-Station eine junge frische Frauenstimme die Fahrgäste in Deutsch und in Englisch begrüsst und sie darauf hinweist, am nachfolgenden Halt auszusteigen, wenn man an den derzeit laufenden Messen wie der MATERIALICA oder der eCarTec teilnehmen wolle.
Davon, dass in dem Nachbargebäude auch die MEDIENTAGE MÜNCHEN stattfinden, war nicht die Rede.
Unter Punkt 17 ist von den Messetaschen die Rede, von denen bisher schon so viele ausgeteilt worden seien, dass sie, übereinandergestapelt, "vermutlich bis zum Mond" reichen würden.
Kann sein. Den Journalisten, die ihre Badges schon per Post erhalten haben, sind vor Ort keine Taschen mehr angeboten worden. Gut so, sonst hätte man auf dieser Strecke noch bis zum Mars gelangen können....
... was allerdings mehr vermisst wurde, als die Taschen, war die nicht ausgesprochene Einladung zu einem Pressegespräch, in dem es um die Zukunft dieser Veranstaltung gegangen ist. [1]
In dem Punkt 9 rühmen die Autoren, dass es auf der Galerie - siehe Punkt 4 - in diesem Jahr "keine Kantinenplörre aus der Thermoskanne" gäbe, sondern "feinsten Arabica -Kaffee".
Das ist in der Tat ein Pluspunkt, der sicherlich eine Erwähnung verdient hat. Daher soll an dieser Stelle die Leistung an jenen Orten besonders herausgehoben werden, die schon bislang in der ASTRA-Lounge und in der BR-Lounge angeboten worden war.
Was aber nach wie vor mehr als nur nervt, ist der Umstand, dass es in fast keinem der Veranstaltungsräume frei zugängliche Steckdosen gibt. Nicht einmal in dem grossen Veranstaltungssaal S01. Die einzige Stromversorgung hat die Regie. Und die lässt zu Recht da niemanden anders ran.
Da ein Besuch dieser Veranstaltung und der Räumlichkeiten aber schon seit vielen Jahren zum Ritual geworden ist, ist es dann auch jedes Mal das Ergebnis eines zielführenden Dialoges mit der Haustechnik, die sich echt bemühte, dem Wunsch des schreibenden Gastes nachzukommen, dessen Rechner es an frischem Strom gebricht. Dafür an dieser Stelle grosser Dank und zugleich die An-Frage an den Veranstalter, warum auch nach so vielen Jahren nicht auch solche "Kleinigkeiten" mit berücksichtigt werden können?
Der Hinweis in Punkt 18, dass das Geld lieber in ein funktionierendes WLAN investiert werden würde, als in ein dem nachfragenden Publikum alljährlich verweigerten "Dessert" ist da auch nicht gerade zielführend...
Nein, nein, nein... es wird an dieser Stelle jetzt nicht ein vollständiges Kompendium mit insgesamt 20 Gegenpositionen zu den hier vorgetragenen Punkten vorgestellt. Zumal der Leserin, dem Leser kein Link angeboten werden kann, über das die hier zitierte Publikation online hätte abgerufen werden können. Weder auf der Seite der MEDIENTAGE selber noch auf dem MEDIENPORTAL; noch bei den Autoren vom Redaktionsbüro Bulo. [2]
Aber es zeigt, dass eine Einrichtung wie diese sich inzwischen so sehr zu einer Institution gemausert hat, dass sie es sich inzwischen selbst erlaubt, Lob und Tadel zu verteilen, und davon eben so wenig den anzusprechenden König Kunde auszunehmen gewillt ist, wie den König des eigenen Landes in Punkt 15 noch dessen Dompteur in Punkt 3.
Warum diese ganze Geschichte? Nun, weil es nach der "Verkettung unglücklicher Umstände" an diesem Tag nicht möglich war, den Rechner in gleicher Weise in Betrieb zu nehmen wie am Tag zuvor. Und dass dieser missliche Umstand dazu führte, kaum noch erfassen zu können, was sich im Verlauf eines solchen Tages alles an Ereignissen abgespielt hat.
Entgegen all der vielen Unkenrufen und so mancher lästernden Stimmen gab es an diesem Tag eine ganze Reihe von Veranstaltungen, die - sie es aus eigenem Erleben bestätigt oder durch den glaubwürdigen Bericht von Augen- und Ohrenzeugen - es wahrlich wert gewesen waren, besucht zu werden.
Interessant dabei waren vor allem jene Veranstaltungen, in denen frühe wie aktuelle "Aussteiger" darüber berichten, was ihr Gegen-den-Strom-Schwimmen inzwischen gebracht hat oder was sie sich davon für die Zukunft versprechen.
In dem sogenannten "Publishing-Gipfel" war ein geradezu euphorischer wie entspannter Spiegel-Chefredakteur zu vernehmen, der nicht nur von den guten Einspielergebnissen der digitalen Produkte seines Hauses berichtete und die Tageszeitungsspezialisten ziemlich alt aussehen liess.
In dem sogenannten "Online-Gipfel" konnten sich die Repräsentanten von Google und Facebook mit grosser Verve, qualifizierten Argumenten und nicht ohne Empathie den An- und potenziellen Vorwürfen stellen, während der in Berlin lebenden US-Journalist Robert Levine deutlich macht, dass er nicht einmal dafür Verständnis aufbringen könne, dass dort eine staatliche Einrichtung wie die Humboldt-Universität viereinhalb Millionen Euro von Google dafür einstreicht, dass sich dort namhafte Vertreter des Fachs mit den Folgen und der Zukunft des Internets beschäftigen.
In dem "TOMORROW FOCUS" Panel wurde zumindest verbal der "Diversity-Fehler" der nur von Männern besetzten Veranstaltung mit dem Versprechen thematisiert, des im nächsten Jahr besser machen zu wollen. Und inzwischen allesamt dem Print-Bereich längst entrückten Werbe- und Media-Chefs machten klar, das sie sich mit ihrer Art des Kundendialoges längst auf einer ganz andere Ebene der Einflussnahme angekommen sind. [3]
Und das Thema von "Apps" und "TV" wird gleich zweimal an das Publikum herangetragen: Zeitgleich zur zuvor genannten Veranstaltung von goetzpartners und dann von der ebenfalls im München ansässigen Firma: MÜCKE STURM | COMPANY zum Thema Social TV Apps.
In dieser Veranstaltung wurden sogar die Plätze auf dem Podium unter Einbeziehung des Publikums mitvergeben: Vier deutsche Startups konnten sich in jeweils 90 Sekunden um das zustimmende Interesse der Anwesenden bemühen, die dann ihre Mehrheitsentscheidung mittels Laserpointerpunkte auf einer Leinwand mit den vier Kandidaten zum Ausdruck brachten.
Damit - und das war klug inszeniert - konnte auch das Publikum jene Interaktivität im Ansatz praktizieren, die sich auch die App-Entwickler zum Vorbild genommen hatten.
Auch hier gab es hochspannende "Findings" deren Dimension und Durchschlagkraft anderenorts vielfach nach nicht einmal verstanden werden.
– Die heute schon ans Internet angeschlossenen Fernseher sind in der Rangfolge der interaktiven Nutzung immer noch die Schlusslichter, während Smartphones und Tabletts ganz weit vorne stehen
– Andererseits wird das sogenannte "Connected TV" in Zukunft als ein wahrer Segen immer dann erweisen, wenn das Nutzerverhalten vor dem Bildschirm genauer analysiert werden soll - und zwar um Vorteil vor allem für die kleinen und neuen Programmanbieter, denen dann die gleiche Auswertungsgüte zuteil kommen kann wie den bisherigen Schlachtschiffen der Branche
– Ein kleiner interaktiver TV-Sender in der Schweiz generiert heute schon "mehr als 20tausend Fragen" pro Stunde
Auf einer Veranstaltung wie dieser war das gleiche Phänomen zu erleben, wie schon am Tag zuvor auf demjenigen Panel, als es um die "Krise der Verlage" respektive der "Krise des Journalisums" ging.
Auch an dieser Stelle hatten alle Diskussionsteilnehmer - einmal mehr ausschliesslich Männer [sic!] - die Cassandra-Rufe der Untergangs-Auguren mit ihren Aussagen und Projektdarstellungen längst Lügen gestraft.
Und selbst als das Publikum nach einem letzten Schlusswort - des Autors - den Saal längst verlassen hatte, stand das Panel noch viele Minuten beieinander und führte das Gespräch miteinander fort.
Ein Bild, mit dem man vielleicht exemplarisch auch die neuen Qualitäten dieser Veranstaltung fixieren kann. Keine Schaufenster-Reden mehr, keine Sales-Pitches, keine Egomanie-Trips, sondern überall der Versuch sich den neuen Herausforderungen zu stellen und sie nicht länger zu verleugnen.
Selbst die oben genannten Zeitungsmacher, die nicht ohne Stolz darauf hinweisen, dass sie immer noch Geld verdienen würden...